Der „Tag des weißen Stockes“ an diesem Sonntag wird zum Anlass genommen, auf die Belange blinder und sehbehinderter Menschen hinzuweisen. Das OT sprach mit einem „Mobilitätstrainer“, der Schulungen mit dem Blindenstock anbietet. Mit von der Partie waren der erblindete Josef Braun sowie Walther Mackert, Senioren- und Behindertenbeauftragter der Stadt Bad Staffelstein.
Er fällt schon von weitem auf: Die Rede ist vom „Langstock“, umgangssprachlich auch „Blindenstock“ genannt, mit denen Blinde sich den Weg und auch Hindernisse ertasten. Doch unabhängig davon, ob jemand blind geboren oder das Augenlicht später durch Unfall oder Krankheit verloren hat, will der Umgang mit dem weißen Stock gelernt sein. Hier kommen Menschen wie Michael Kleiß ins Spiel. Der Oberhaider ist Mobilitätstrainer für Blinde und Sehbehinderte. Auch Menschen aus dem Landkreis wenden sich an ihn, um trotz Blindheit oder nur noch geringen Sehrests mobil zu bleiben oder wieder Mobilität zu erlangen.
„Aus all den möglichen Informationen, die ein Sehender nur unbewusst oder überhaupt nicht wahrnimmt, müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden und die gewonnenen Informationen mit Hilfe eines Planes im Kopf verarbeitet werden“, nennt Kleiß einen wichtigen Aspekt beim Mobilitätstraining.
Für jedes Alter geeignet
Die Altersspanne seiner Klienten reiche von 45 bis 90 Jahren. „Der älteste war 93. Wenn die körperliche Konstitution ausreichend ist und der Geist fit, gibt es keinen Grund, warum man nicht auch im fortgeschrittenen Alter das Gehen mit dem Langstock erlernen kann“, so der seit 35 Jahren als Mobilitätstrainer tätige Kleiß. Im Zuge der demografischen Entwicklung nimmt die Anzahl der Senioren mit Sehbehinderung zu.
„Der Stock zeigt Hindernisse vom Boden bis zum Bauchbereich“, erklärt Kleiß. Verkehrsschilder auf Kopfhöhe können da schnell zu einem Problem werden. Umso wichtiger ist es, bei Straßenneubauten diese Punkte schon in der Planungsphase zu berücksichtigen.
Wie schnell jemand mit dem Blindenstock zurechtkommt, kann freilich nicht generalisiert werden, hängt von vielen Faktoren ab wie Alter, psychischer und physischer Verfassung. Auch macht es einen Unterschied, ob jemand plötzlich erblindet oder allmählich. Letzteres war infolge einer Makuladegeneration der Fall bei Josef Braun, der bis 2014 ehrenamtlich im Blindenbund vertreten war. Der 64-Jährige absolvierte bei Kleiß sein erstes Mobilitätstraining. „Wer plötzlich oder wie ich allmählich erblindet, ist gezwungen sein Leben umzustellen“. Der einstige Vollerwerbslandwirt, der seinen Beruf wegen seiner Augenerkrankung nicht mehr ausüben kann, gab und gibt sich nicht auf. „Man muss immer am Ball bleiben“, formuliert der Pferdsfelder seine Grundhaltung.
„Wir sind uns ja einig, dass wir in den Bemühungen, die Barrierefreiheit weiter zu verbessern, nicht nachlassen dürfen.“
Walther Mackert, Senioren- und Behindertenbeauftragter
Die akustischen Ampeln für Blinde und Sehbehinderte sind vor allem in größeren Städten keine Seltenheit mehr. Das langsame „Tack – tack – tack“ hilft, den Ampelmast zunächst nach Gehör zu finden „Dieses Geräusch wird je nach Umgebungslautstärke lauter oder leiser“, erklärt Kleiß. Und dann gibt?s natürlich das bekannte Freigabesignal, welches dem Blinden anzeigt, dass nun „grün“ ist und er die Straße gefahrlos überqueren kann. „Wenn ein Auto schneller als 30 fährt, hört ein Blinder neben dem Motoren- auch das Reifengeräusch“, so Braun. Im Zuge dessen wird die künftige Problematik deutlich, sollten Elektroautos vermehrt den Straßenverkehr beherrschen. Ein künstliches Motorgeräusch bei jenen Fahrzeugen könnte die akustische Wahrnehmbarkeit aus Sicht blinder Menschen weiterhin gewährleisten.
Ein wichtiges Hilfsmittel, um den Zielort zu erreichen, sind Blindenleitsysteme, auch Bodenindikatoren genannt. Rillen- oder Noppenplatten bieten Orientierung an Bahnhöfen, öffentlichen Einrichtungen oder dergleichen. Gesamtgesellschaftliches Ziel muss eine möglichst weitgehende Barrierefreiheit im öffentlichen Raum sein. Das sieht Walter Mackert genauso: „Wir sind uns ja einig, dass wir in den Bemühungen, die Barrierefreiheit weiter zu verbessern, nicht nachlassen dürfen.“ So ist es mit der Barrierefreiheit am Bad Staffelsteiner Bahnhof immer noch nicht weit her. Auch ein Blindenleitsystem fehlt hier weiterhin komplett. Weil die Zusammenarbeit mit der Bahn hier unerlässlich ist, sind der Stadt da die Hände gebunden. Doch Abhilfe scheint nun zumindest in greifbarer Nähe gerückt: „20 Stationen werden Zukunftsinvestitionsprogramm Planung bis 2018 barrierefrei geplant“, heißt es in einer Veröffentlichung der DB Station & Service AG – und aufgeführt in der Liste ist auch Bad Staffelstein. Bei den 20 Bahnhöfen ist allerdings lediglich die Planung angestoßen, aber die Finanzierung noch nicht geregelt, so ein Sprecher der Deutschen Bahn.
Verschiedenste Hilfsmittel
Neben dem Langstock bieten sich blinden oder stark sehbehinderten Menschen heute allerhand Hilfsmittel, um im Alltag zurecht zu kommen, etwa Erkennungsgeräte für Farben oder Geldscheine und natürlich die vom selbst als Kleinkind erblindeten Franzosen Louis Braille einst entwickelte Braille-Schrift, die ebenfalls technischen Einzug gefunden hat durch Braille-Lesezeilen oder Braille-Drucker. Durch entsprechende Software können Blinde heute auch Mails lesen oder schreiben.