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LICHTENFELS: Altweibersommer weht im Wind

LICHTENFELS

Altweibersommer weht im Wind

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    Die Gedichte, die Initiator Dr. Hartmut Borchert zum Vortrag ausgewählt hatte, kündigten nicht nur herbstlich sonnige Tage an, sie erinnerten auch an Abschied, Verfall und Einsamkeit. So bot sich den Zuhörern ein weites Feld von stimmungsvollen Bildern.

    Den Reigen der Gedichte eröffnet Karl Krolow mit „Richtiger Herbst“ in freien Rhythmen. Er lässt diese Jahreszeit von Holstein durch Hessen rheinaufwärts bis zum Bodensee ziehen. Die Freude an den Farben währt nur kurz, „man muss rasch hinsehn, ehe die Geschichte des Impressionismus zu Ende geht.“ Karl Krolow (1915 Hannover – 1999 Darmstadt), ein Vertreter der modernen Naturlyrik, der in seinen Werken gerne gesellschaftliche Missstände anprangerte, hatte an den Universitäten Göttingen und Breslau neben Germanistik Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Er erfuhr viele Ehrungen.

    Leise Wehmut hinterlassen die Verse des Gedichtes im Kreuzreim „Der September“ von Erich Kästner. Sie nehmen Abschied vom Sommer mit seinen glühenden Königskerzen, von seinen Gerüchen aus den Küchen nach Mus und Gelee. „Die Stare gehen auf die Reise. Altweibersommer weht im Wind. Das ist ein Abschied laut und leise. Die Karussells dreh'n sich im Kreise. Und was darüber schien, beginnt.“ Der regimekritische Autor (1899 Dresden – 1974 München) konnte nach 1933, wo viele seiner Bücher auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, seine Werke nur im Ausland veröffentlichen.

    Nach dem Krieg erlangte er mit seinen Kinderbüchern Weltruhm. Als langjährigem Präsidenten des westdeutschen PEN-Zentrums wurde auch ihm 1957 der Georg-Büchner-Preis und zwei Jahre später das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.

    Friede und Trost fließen förmlich aus den zwei Beiträgen von Georg Trakl, „Verfall“ und „Der Herbst des Einsamen.“ Mit dem abendlichen Glockengeläute entschwinden die Vögel wie in frommen Pilgerzügen in herbstlich klare Weiten. Diese Jahreszeit vergleicht er mit dem vergilbten Glanz schöner Sommertage. „In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden und Engel treten leise aus den blauen Augen der Liebenden, die sanfter leiden.“

    Georg Trakl, der 1887 in Salzburg das Licht der Welt erblickte, gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Expressionismus. Seine Lyrik von düsterer Schönheit und assoziativer Bildhaftigkeit ist geprägt von Schwermut, Trauer und der Suche nach Gott. Zerbrochen am Leid seiner Zeit, nahm er sich 1914 das Leben durch eine Überdosis Schlaftabletten in einem Lazarett in Krakau.

    In seinem Poem „Herbstlich sonnige Tage“ zeichnet der zur Münchener Tafelrunde gehörende Emanuel Geibel (1815 Lübeck – 1884) ein empfindsames Bild von Wachsen und Sterben, von Welken und Blühn. „Jede sprossende Pflanze, die mit Düften sich füllt, trägt im Kelche das ganze Weltgeheimmis verhüllt.“

    Grauenhafte Kriegserlebnisse

    Von Wilhelm Lehmann (1882 Puerto Cabello / Venezuela – 1968 Eckernförde), dessen Roman „Überläufer“ aus seinen grauenhaften Kriegserlebnissen große Beachtung erfuhr, hatte Dr. Borchert „Später Rausch“ ausgewählt. „Wespe hat sich Taumelfluges morschem Apfel eingewühlt. Muss sie sterben, langen Zuges sei die Welt als Rausch gefühlt.“

    Thema seiner Lyrik ist die realistisch erfasste, ins Magische gesteigerte Natur. Der den schwäbischen Romantikern nahestehende Nikolaus Lenau, eigentlich Nimbsch, Edler von Strehlenau, (1802 in Casatad /Ungarn geboren, 1850 in Oberdöbling bei Wien gestorben), klagt in seinem stimmungsvollen, schwermütigen „Herbstlied“ über gestorbene Wälder, über leere Vogelnester, während er sein Bündel dürrer Reiser, an dem einst Blüten prangten, den Berg hinabträgt.

    Die folgenden drei Stücke aus dem Reigen der Gedichte haben nicht nur den Herbstanfang zum Inhalt, sie tauchen tiefer in das Geschehen ein und erahnen die Fähre, die sie hinüberholen wird ins kalte Schweigen. In „Ende eines Sommers“ vertraut Günter Eich (1907 bis 1972) seine Verzweiflung dem Vogelzug an, der seinen Teil von Ewigkeit gelassen abmisst. Neben dem Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und dem Georg-Büchner-Preis ehrten ihn die Kriegsblinden mit dem Hörspielpreis.

    Detlev von Liliencron (1844 Kiel – 1909 Hamburg) wartet in „Acheronisches Frösteln“ auf die Leere in den Wäldern, wenn der Herbst mit der Schere die Blätter von den Zweigen schneidet. Der Dichter, der sein Leben lang wegen seiner Leidenschaft für Glücksspiele hoch verschuldet war, deshalb seinen Abschied vom Militär und Staatsdienst nehmen muss, erhält schließlich von Kaiser Wilhelm II ein jährliches Ehrengehalt. Sein Großvater verlor einst seine Güter und Rechte durch die Heirat einer Leibeigenen.

    „Späte Zeit“, ein schauriges Gedicht, kam von Peter Huchel (1903 – 1981) zum Vortrag, der eine sozial-politisch geprägte Lyrik vertritt und nach Jahren der Isolation und Überwachung 1971 in die BRD ausreisen konnte. „Überall im nassen Sand liegt des Waldes Pulverbrand, Eicheln wie Patronen. Herbst schoss seine Schüsse ab, leise Schüsse übers Grab.“

    Für Erheiterung und Entspannung sorgte Kurt Schwitters (1887 – 1948) „Herbst / Die letzte Fliege“, die er ermuntert, sein träumendes Kitzelohr zu umsurren und sich auf seiner Nasenspitze zu wärmen. Ein Schmunzeln entlockte die „Kartoffelernte“ von Johann Heinrich Voß (1751 – 1826), dessen Übertragung von Homers Odyssee und Ilias diesen zum geistigen Eigentum der Deutschen machte.

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