Wenn das Knie zwickt oder einen die Migräne wieder plagt, unterhält man sich darüber sogar am Stammtisch, über Depressionen fällt kein Wort. Es entsteht mitunter immer noch der Eindruck, als ob es diese psychischen Erkrankungen überhaupt nicht gäbe. Das Gegenteil ist der Fall: laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind schätzungsweise vier Millionen Deutsche betroffen.
„Es ist keine Schande, sich Hilfe zu suchen und anzunehmen – das verdient vielmehr Hochachtung.“
Dr. Iris Matzner, Oberärztin
Absolute Anonymität war selbstverständlich oberstes Gebot bei der jüngsten Telefonaktion des Obermain-Tagblatts in Kooperation mit dem Bezirksklinikum Obermain zum sensiblen, aber hochaktuellen und alle Gesellschafts- und Altersschichten betreffenden Thema „Depression“. Oberärztin Dr.
Iris Matzner und Psychologin Sabine Bach waren an den Leitungen, beide erfahrene Kräfte der Kutzenberger Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, beantworteten die Fragen der Anrufer – oder hörten bisweilen auch einfach nur zu, wenn sich jemand sein Leid ein wenig von der Seele sprach.
Die Stimmung gedrückt, negative Gedanken kreisen, das Selbstwertgefühl ist im Keller und die Motivation, überhaupt irgendetwas zu tun, tendiert gegen Null. So oder so ähnlich äußern sich die Symptome bei einer Depression. „Und? Wie geht?s?“, fragt der Bekannte auf der Straße. „Gut“, lautet die Antwort mit einem aufgesetzten Lächeln – die ehrliche Antwort wäre das genaue Gegenteil gewesen.
„Es ist keine Schande, sich Hilfe zu suchen und anzunehmen – das verdient vielmehr Hochachtung“, so Iris Matzner, die aus der Erfahrung vieler positiver Beispiele Betroffenen Mut macht: „Viele sind nach dem ersten Schritt, sich in Behandlung zu begeben, erleichtert, und sagen, ,hätte ich das nur früher gemacht‘.“
Doch gerade in unserer Leistungsgesellschaft, in der jeder „funktionieren“ muss, fühlen Erkrankte immer noch Scheu, sich Fachleuten anzuvertrauen – oder haben mitunter selbst gar nicht mehr so recht die Kraft und den Antrieb dazu. So verwundert es nicht, dass es sich bei den meisten der Anrufer unserer Telefonaktion um Angehörige Betroffener handelte. Themen hier waren immer wieder, dass die Betroffenen sich nicht zu einer stationären Behandlung durchringen können und Angehörige unter der Situation leiden, nicht helfen zu können.
„Körperliche Erkrankungen, berufliche Probleme, familiäre Probleme und Partnerschaftskonflikte und vieles mehr – wir schauen natürlich hin, was dahinter steckt.“
Sabine Bach, Psychologin
Eine Therapie bei vorliegender Depression setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen. Gerade bei derartigen Erkrankungen gilt es – freilich in behutsamer Art und Weise – zu erforschen, was den Betroffenen zu schaffen macht und die Depression ausgelöst oder begünstigt hat. „Körperliche Erkrankungen, berufliche Probleme, familiäre Probleme und Partnerschaftskonflikte und vieles mehr – wir schauen natürlich hin, was dahinter steckt“, so Sabine Bach.
„Es ist oft so: Die akute Belastung übersteht man noch – wenn die vorüber ist, kommt der Zusammenbruch“, ergänzt Iris Matzner.
Das Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg bietet verschiedene Formen der Behandlung – stationär, teilstationär in einer Tagesklinik und ambulant über die Psychiatrische Institutsambulanz mit aufsuchender Fachpflege. Das therapeutisch-medizinische Team des Bezirksklinikums ist sich aber im Klaren darüber, dass in der Behandlung psychischer Erkrankungen dem menschlichen Faktor eine enorme Bedeutung zukommt. „Wichtig ist uns bei der Behandlung deshalb ein wertschätzender Kontakt, darauf legen wir großen Wert“, betont Dr. Matzner.
Viele Ansatzpunkte
Selbsthilfegruppen, Tagesklinik, stationärer Aufenthalt, ambulante Behandlung – viele Ansatzpunkte der Hilfe und Behandlung im Falle von Depressionen wurden bei den Telefonaten angesprochen. Und manchmal tut es schon gut, das Gefängnis des Schweigens zu verlassen und seiner oftmals unausgesprochenen Traurigkeit Ausdruck zu verleihen.
„Die Resonanz war auf jeden Fall zufriedenstellend“, meinte Psychologin Bach abschließend. Oberärztin Matzner und OT-Marketingleiter Ludwig Wiesmann konnten sich dem nur anschließen. Schließlich handelte es sich um eine Erkrankung, mit der niemand gern hausieren geht.
Depression ist wie ein bewölkter Himmel. Man sieht die Sonne nicht. Erkrankte haben irgendwann vielleicht sogar vergessen, dass es eine Sonne gibt. Doch mit vereinten Kräften – und dazu zählt neben anderen wichtigen Hilfsangeboten und Anlaufstellen natürlich auch der medizinisch-therapeutische Part – gelingt es, die Wolken wieder beiseite zu schieben. Es lohnt sich, Hilfe anzunehmen und wieder aufzustehen, so das Credo der jüngsten Telefonaktion von Obermain-Tagblatt und dem Bezirksklinikum Obermain.