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LICHTENFELS: Mehr als 42 Jahre im Cockpit

LICHTENFELS

Mehr als 42 Jahre im Cockpit

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    Im Cockpit: Kapitän Lothar Engelhardt hier in einem Airbus A340-300 als Lufthansa-Flug DLH492 auf dem Weg nach Vancouver.
    Im Cockpit: Kapitän Lothar Engelhardt hier in einem Airbus A340-300 als Lufthansa-Flug DLH492 auf dem Weg nach Vancouver. Foto: Fotos: Robert krüger

    Wer mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt, wünscht sich einen erfahrenen Piloten im Cockpit. Der älteste Kapitän, der bis vor kurzem bei der Lufthansa flog (geht zum 31. Juli in Ruhestand, feiert aber schon Resturlaub ab) heißt Lothar Engelhardt und stammt aus Lichtenfels. Nach einer Dienstzeit von mehr als 42 Jahren hat er große Flugerfahrung angesammelt. Lothar Engelhardt wohnt heute zwar in der Nähe von Aschaffenburg, er ist aber seiner Heimat und seinem Flugverein, dem Aero-Club Lichtenfels, noch immer verbunden. Inzwischen hat er mehr als 22 000 Flugstunden in seinem Flugbuch stehen. Für das Obermain-Tagblatt war dies ein Grund, ein ausführliches Interview mit Engelhardt zu führen.

    Obermain-Tagblatt: Sehr geehrter Herr Engelhardt, wie haben Sie den Einstieg in die professionelle Luftfahrt geschafft?

    Lothar Engelhardt: Wenn ich zurückblicke, eigentlich ganz ungezwungen und einfach. Mein Vater Alfred hat in den 1950er Jahren den Aero-Club Lichtenfels mit gegründet. Es gab damals am Flugplatz immer etwas zu tun. Deshalb spielte sich meine komplette Kind- und Jugendzeit mehr oder wenig vollständig am Flugplatz in Lichtenfels ab. Mit 17 Jahren begann ich mit der Segelflugausbildung und hielt noch im gleichen Jahr meinen ersten Pilotenschein – den Segelflugschein – in der Hand. Übrigens: Mit der Segelflugausbildung konnte man damals – wie heute – schon im Alter von 14 Jahren beginnen. Nach dem Abitur und der Bundeswehrzeit begann ich in Erlangen ein Informatikstudium, bewarb mich aber fast gleichzeitig bei der Lufthansa zur Ausbildung als Verkehrspilot. Als ich die Auswahlprüfungen bei der Lufthansa bestanden hatte, war natürlich klar, wohin der Weg mich führen sollte.

    Hatten Sie oder hat man heute als Bewerber für den Verkehrspilotenschein bessere Chancen, wenn man vorher eine Segelflugausbildung absolviert?

    Engelhardt: Dazu möchte ich mit einem klaren „Jein“ antworten. Wichtig für das Berufsbild sind eine klare Persönlichkeitsstruktur und eine Mehrfachbelastbarkeit, insbesondere in Stress-Situationen. Das sind neben den gesundheitlichen Faktoren die Hauptkriterien beim Auswahlverfahren. Natürlich wird man auch bei der Ausbildung als Privatpilot in dieser Richtung vorgeprägt. Aber in jedem Lufthansa-Lehrgang sind auch Aspiranten, die noch nie ein Flugzeugcockpit, auch kein Segelflugcockpit, von innen gesehen haben.

    Wie läuft denn grob gesehen die Ausbildung als Linienpilot ab?

    Engelhardt: Das unterscheidet sich heute kaum von der Situation in den Jahren, in den ich selbst ausgebildet wurde. Die Lufthansa bildet ihre Piloten zunächst im Block sechs Monate lang theoretisch aus. Danach erfolgt die praktische Ausbildung auf kleinen einmotorigen Maschinen, die – wegen des dauerhaft guten Wetters – in Phoenix/Arizona stattfindet. Nach diesem Block, der mit der Privatpilotenlizenz abschließt, folgt eine weitere theoretische Einheit in Bremen, gefolgt von zwei weiteren praktischen Einheiten in Bremen und Frankfurt, in denen dann auf mehrmotorige Maschinen und Jets umgeschult wird. Im Erfolgsfall hat man dann seine Verkehrspilotenlizenz mit Linientraining und einer Musterberechtigung, zum Beispiel für die Boeing 737 oder den Airbus A320, in der Tasche. Das war damals bei mir ähnlich.

    Welche Maschinentypen, wir meinen natürlich die großen Verkehrsmaschinen, haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn geflogen?

    Engelhardt: Nach meiner Ausbildung war ich von 1972 bis 1976 auf der Boeing 737 eingesetzt, die ich auch später als Kapitän fünf Jahre flog. Dazwischen war ich als Erster Offizier (Co-Pilot) acht Jahre auf der 747, dem Jumbo-Jet, eingesetzt. Als ich als Kapitän zur Langstrecke wechseln konnte, bin ich zur Airbus-Familie umgestiegen. Es begann mit der A300 und der A310, danach die A340 und die A330. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich mit der A340-600 das Verkehrsflugzeug fliegen durfte, das mit 75,3 Metern jahrelang das längste Verkehrsflugzeug der Welt war, länger als der Jumbo-Jet und auch länger als der Airbus A380. Nur der neueste Jumbo-Jet, die 2011 in Betrieb genommene Boeing B747-8, ist einen Meter länger als der Airbus A340-600.

    Welche Ziele haben Sie in jüngster Zeit angesteuert? Gibt es eigentlich bevorzugte oder besonders interessante Ziele?

    Engelhardt: Gerade der Airbus A340-600 wird von der Lufthansa auf der Langstrecke eingesetzt. Hier zählten vor allem Tokio, Shanghai, Rio de Janeiro, Kapstadt, Caracas oder auch Vancouver in Kanada zu den Zielorten. Bevorzugte Ziele kenne ich aus zwei Blickwinkeln: Fliegerisch ist zum Beispiel Bogota in Kolumbien, hier war ich im vergangenen Jahr drei- oder viermal, eine absolute Herausforderung. Der Flugplatz liegt in einer Höhe von 2600 Metern fast so hoch wie die Zugspitze. Dadurch ist die Luftdichte sehr gering. Diese „dünne Luft“ stellt höchste Anforderungen an die fliegende Mannschaft. Ein anderer Blickwinkel wäre Land/Leute/Landschaft. Hier ist mir gerade Südafrika in guter Erinnerung geblieben: Wer einmal mit dem Airbus eine Ehrenrunde um den Tafelberg gedreht hat, um anschließend die dortigen Weinberge zu besuchen, weiß, wovon ich rede.

    Gab es in Ihrer Laufbahn auch kritische oder gefährliche Situationen?

    Engelhardt: Gefährliche eher nicht, aber absolute Herausforderungen natürlich schon. Gerade in afrikanischen Ländern sind die Standards nicht so hoch wie auf anderen Kontinenten. Ein Durchstartmanöver in Addis Abeba mitten in der Nacht, mitten in den Bergen, da braucht man sehr wohl seinen Erfahrungsschatz, den man sich jahrzehntelang erarbeitet bzw. eher erflogen hat. Jahrzehntelanger Erfahrungsschatz

    Nach der öffentlichen Meinung geht ein Pilot mit 50 in Rente. Sie sind bereits über 60. Wie ist das zu verstehen?

    Engelhardt: Ich habe die Fliegerei seit Beginn nie als Beruf gesehen, sondern als Berufung. Letztlich bin ich sehr dankbar, dass ich diesen Lebensweg gehen konnte und habe jeden Einsatztag genossen. Eigentlich hätte ich mit 55 bereits aufhören können. Später hatte mich die Lufthansa mit 60 bereits einmal pensioniert, wogegen ich mich mit anderen Piloten in einem Verfahren, das bis vor den Europäischen Gerichtshof ging, erfolgreich gewehrt hatte. Seit fast zwei Jahren durfte ich wieder fliegen, allerdings ist in diesem August dann nach den internationalen Vorschriften mit der Verkehrsfliegerei wirklich Schluss.

    Dann geht bei der Lufthansa oder der Fliegerei die Ära „Engelhardt“ zu Ende?

    Engelhardt: Auch hier ein klares „Jein“: Der Lufthansa bleibt der Name Engelhardt erhalten: Mein Sohn Daniel – übrigens auch Lichtenfelser und mit einer Lichtenfelser Segelflugausbildung gestartet – ist inzwischen auch Flugkapitän bei der Lufthansa. Das ist übrigens einmalig, dass Vater und Sohn gleichzeitig Kapitän bei der Lufthansa sind. Der eine hört mit dem Fliegen nicht auf, der andere hat eine relativ steile Karriere hinter sich. Selbst möchte ich fliegerisch aktiv bleiben: Entweder nur beim Aero-Club oder gegebenenfalls auch in der nicht kommerziellen Fliegerei. Das wird sich zeigen.

    Was wird Sie nach Ihrer Pensionierung außerhalb der Fliegerei antreiben?

    Engehardt: Meine drei Enkel und meine Familie geben mir genügend Aufgabenspektrum. Im Gegensatz zur Hilfe bei Mathe-Aufgaben in der 7. Klasse Gymnasium, die mich jetzt und später fordern werden, ist ein Anflug auf Los Angeles eher ein Kinderspiel.

    Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute auf dem weiteren Weg, wir wünschen, wie bei den Fliegern üblich, Hals und Beinbruch

    Engelhardt: Vielen Dank für die Wünsche und für das Interview.

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