Am Vortag des 69. Heimattreffens der Deutschhauser in ihrer Patenstadt Lichtenfels hatte die Ortsbetreuerin Gerda Ott ihre Landsleute nach der Premiere im Vorjahr zum zweiten Deutschhauser-Seminar in die Gaststätte „Wallachei“ eingeladen.
Da mittlerweile bereits sehr viele der Deutschhauser, die Flucht und Vertreibung miterlebt haben, verstorben seien, möchte sie mit dieser in Zukunft jährlich geplanten Veranstaltung die nachfolgenden Generationen erreichen. Ziel sei es, sie an ihre Wurzeln zu erinnern, damit die Geschichte der Sudetendeutschen und insbesondere der Deutschhauser nicht in Vergessenheit gerät. Gleich zu Anfang verwies sie auf die Vielzahl der Heimatlandschaften der Sudetendeutschen wie Böhmerwald, Egerland, Erzgebirge-Saazerland, Böhmisches Mittelgebirge, Elbetal, Isergebirge, Riesengebirge, Adlergebirge, Schönhengstgau, Kuhländchen, Südmahren und natürlich das Altvatergebirge, die Heimatlandschaft der Deutschhauser mit dem fast 1500 Meter hohen Altvater als Wahrzeichen.
In einem interessanten Vortrag stellte Ingrid Sauer, als Mitarbeiterin des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München zuständig für das sudetendeutsche Archiv, die Funktion des Archivs als Gedächtnis der sudetendeutschen Volksgruppe heraus.
Entsprechend ihrem Thema „Erinnerung und Belege sichern“, meinte sie in Anlehnung an eine Maxime aus dem römischen Recht: „Was nicht in den Akten steht, existiert nicht.“ Zwar sei die staatliche Überlieferung relativ vollständig, dies sage aber noch nichts über die eigentliche Besonderheit der sudetendeutschen Volksgruppe aus. Sie definiere sich nämlich durch ganz andere Dinge wie unterschiedliche Trachten, Speisen, Sitten und Gebräuche oder verschiedene Mundarten. All das mache eine kulturelle Identität aus, die vor lauter Integration und Aufbauleistung zu verblassen drohe. Deshalb sei es sehr wichtig, dass man die genannten Eigenarten festhalte und die individuellen Erinnerungen sichere.
1954 habe der bayerische Staat die Schirmherrschaft über die Volksgruppe übernommen und ein Jahr später ein sudetendeutsches Archiv gegründet. Bei dem knapp bemessenen Gepäck konnten die Vertriebenen nur wenige Dokumente mitnehmen. Damit habe die Erlebnisgeneration entweder eine Heimatstube aufgebaut, falls viel Material vorhanden war, oder es wurden die Dokumente im sudetendeutschen Archiv abgegeben.
„Was nicht in den Akten steht, existiert nicht.“
Ingrid Sauer, Mitarbeiterin des bayerischen Hauptstaatsarchivs
Die immer mehr anwachsenden Bestände machten es schließlich notwendig, dass das sudetendeutsche Archiv 2007 als Depositum an das bayerische Hauptstaatsarchiv übergeben wurde.
Die Jahre mit der Endziffer 8
Während vorher die Unterlagen relativ ungeordnet mehr oder weniger einfach nur abgestellt waren, wurde nun das Archivgut zumindest teilweise entsprechend den Quellengruppen in drei Bereiche eingeordnet und zwar in das Verbandsschriftgut der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Heimatkreise und der Vereine, in Nachlässe von Politikern, Künstlern und Heimatforschern sowie in Sammlungen von Bildern, Plakaten und Heimatberichten.
Mit einem recht kryptischen Thema wartete der Historiker Frank Altrichter auf. Er berichtete nämlich über eine auffällige Häufung der Endziffer 8 in der Abfolge der Jahre im Hinblick auf die Geschichte der Sudetendeutschen. Demnach hätten sich viele wichtige geschichtliche Ereignisse wie Unruhen, Einschnitte und Wendepunkte in der Geschichte Böhmens in Jahren ereignet, die mit einer „8“ endeten. Als erste wichtige Jahreszahl nannte er mit dem Jahr 908 das Geburtsjahr des heiligen Wenzel, der schon als junger Fürst die Geschichte Böhmens bestimmte, indem er durch die flächenmäßige Christianisierung eine beträchtliche kulturelle Entwicklung auslöste und das Gebiet an den westlichen Kulturkreis anband. Dadurch wurde er schon bald zum Nationalpatron Böhmens ernannt und ist es bis heute geblieben.
Der Zweite Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618, als Vertreter der protestantischen Stände zwei königliche Statthalter und den Kanzleisekretär aus dem Fenster der Prager Burg warfen, markierte den Beginn des Dreißigjährigen Krieges und stellte damit einen Wendepunkt in der Geschichte Europas dar.
Prager Pfingstaufstand
Als weitere Daten nannte er das Jahr 1848, als es im Rahmen der Deutschen Revolution in Böhmen zum Prager Pfingstaufstand kam, das Jahr 1918, als zum Ende des Ersten Weltkrieges die Habsburger Monarchie zerbrach und die Republik Tschechoslowakei gegründet wurde, das Jahr 1938 mit dem Münchner Abkommen und das Jahr 1968 mit der Reformbewegung des „Prager Frühlings“ und deren Niederschlagung durch Truppen des Warschauer Pakts.
Die Ortsbetreuerin Gerda Ott machte anschließend noch auf ein besonderes Ereignis aufmerksam, bei dem die Ziffer „8“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Sie erinnerte nämlich an die Gründung von Deutschhauser im Jahr 1131, so dass die Deutschhauser im nächsten Jahr nicht nur das 70-jährige Heimattreffen, sondern auch das 888-jährige Bestehen ihres Heimatortes feiern können.