„Gottesdienst von lärmenden Fußballfans gestört“. So könnte die Überschrift einer Meldung zu einem Vorfall lauten, der sich am Sonntag in der Martin-Luther-Kirche ereignete. Kaum hatte der Festgottesdienst zum Gemeindefest begonnen, stürmten zwei Frauen, die sich mit Fanartikeln in den deutschen Nationalfarben geschmückt hatten, den Kirchenraum und unterbrachen Pfarrer Ralph-Peter Zettler mit lautstarkem Olé, Olé-Gesang. Hatten sich die beiden verirrt? Waren die zwei zur falschen Zeit am falschen Ort?
Nein, denn Pfarrer Zettler griff den Frohsinn der Fußballfans auf und bot ihnen einen Platz in der Kirche an. Pfarrer Zettler verglich die Leidenschaft für den Fußball und die derzeitigen Spiele der Weltmeisterschaft mit dem Einstehen für den Glauben. Da sich Menschen leicht beeinflussen ließen, könne Begeisterung schnell entfacht werden, erlösche aber ebenso abrupt wieder. Die Bibel erzähle viele dieser Geschichten wie etwa die Jubelrufe des Volkes beim Einzug Jesu nach Jerusalem. Doch drei Tage später hätten die Selben „Kreuziget ihn“ geschrien. Wer sich für den christlichen Glauben begeistere, brauche kein schnelles Aufflammen, sondern ein stetiges Glühen, betonte Pfarrer Zettler, denn Kinder Gottes seien jeden Tag gefordert, unter Gottes Führung zu leben. Mit dem Bibelzitat „Freut Euch, dass Eure Namen im Himmel geschrieben sind“, entließ der Prediger seine Zuhörer in den weltlichen Teil des Gemeindefestes rund um die Martin-Luther-Kirche.
Buntes Programm
Bei bedecktem Himmel, aber angenehmen Temperaturen füllte sich der Kirchplatz im Lauf des Nachmittags immer mehr, so dass reges Treiben zwischen Myconiushaus, Kirche und Pfarrhaus herrschte. Ein kleiner Flohmarkt, eine Losbude und Bastelangebote der Kindertagesstätte „Vogelnest“ sowie Spielangebote im Pfarrgarten sorgten für rege Betriebsamkeit. Wer sich mit fränkischen Spezialitäten versorgt hatte, konnte anschließend einen alkoholfreien Softdrink an der Saftbar des Evangelischen Bildungswerks genießen und sich zudem in ein kleines karibisches Eck mit bequemen Liegestühlen im Schatten der Bäume vor dem Pfarramt zurückziehen.
Volltreffer
Eifrige Fußballanhänger wurden nicht nur im Gottesdienst, sondern auch neben der Kirche beim Torwandschießen gesichtet. Die Leidenschaft für das runde Leder trieb die Fußballfreunde zu Höchstleistungen, so dass Rebecca Völckel alle Hände voll zu tun hatte, die erzielten Punkte zu notieren. Als besten Torwandschützen erfreute Pfarrerin Anne Salzbrenner schließlich Matthias Bergmann mit einer Picknickdecke mit DFB-Logo, aber auch die Nächstplatzierten Philipp Gunzelmann und Samuel Kalkus konnten ansehnliche Preise mit nach Hause nehmen.
„Finsterstern und Funkelstein“
Eine Premiere erlebten die Zuschauer am Nachmittag in der Martin-Luther-Kirche, als die Mitglieder der neu gegründeten Theatergruppe der Gemeinde unter der Leitung von Simon Croner mit dem Stück „Finsterstern und Funkelstein“ ihrem ersten öffentlichen Auftritt entgegenfieberten. Neun Grundschülerinnen und Grundschüler erzählten in schmucken Kostümen die Geschichte eines dunklen Objekts am Himmelszelt, der sich als ausgestoßener „Finsterstern“ entpuppt. Doch der einsame Stern leidet unter seinem Dasein und sehnt sich nach Gesellschaft. Erst die Begegnung mit dem kleinen „Funkelstein“ ändert seine Lage und er wird in die Gemeinschaft der Himmelsobjekte aufgenommen.
Beschwingte Rhythmen
Wie in den Vorjahren sorgte Kirchenmusikdirektor Klaus Bormann wieder mit einem „Etwas anderen Konzert“ zum Abschluss des Tages für ein besonderes Musikereignis. Gleich zu Beginn erlebten die Zuhörer eine weitere Premiere, denn die „Jungbläser“ der Kirchengemeinde, allesamt nicht mehr ganz jung, präsentierten der Öffentlichkeit, was sie in einem Jahr Musikunterricht durch Klaus Bormann an Trompete und Posaune gelernt hatten. So stimmten sie den Jungbläsermarsch an und erfreuten ihre Zuhörer zudem mit Unterstützung des Posaunenchors mit einem „Groove“ von Traugott Fünfgeld. Mit einem breiten Repertoire an englisch gesungenen Anbetungsliedern setzt der Jugendchor Misstikalls unter der Leitung von Reiner Babucke stets eigene Akzente. Unter Begleitung der Sopranflöten von Verena Steigner und Martina erklangen die Choräle „Wach auf, mein Herz und singe“ und „Nun danket all und bringet Ehr“.
Während der Posaunenchor mit beschwingten Rhythmen die Zuhörer erfreute und sie „Down by the riverside“ entführte und zudem den Gospelsong „Amen“ anstimmte, ließ es das Blockflötenensemble des Evangelischen Bildungswerks unter der Leitung von Dorothea Lintzmeyer deutlich ruhiger angehen. Die Stücke von Josquin des Pres und Johann Christoph Demantius wurden bereits vor 500 Jahren komponiert und brachten die zarten Töne in der Martin-Luther-Kirche voll zur Geltung. Die Flötistinnen hatten auch Modernes im Gepäck wie etwa den Slow Swing „What a wonderful world“. Dass die ehrenamtlichen Kirchenmusiker auch weltlicher Musik zugeneigt sind, bewies der Posaunenchor schließlich mit „Gypsy Brass“, das die Zuhörer mitriss und zu großem Beifall für alle Akteure veranlasste.