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LICHTENFELS: Glücklich sein im Land der schlechten Pizzen

LICHTENFELS

Glücklich sein im Land der schlechten Pizzen

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    Anika und Amedeo Teriaca  in ihrem Restaurant in Lichtenfels. Sie klagen über viel Bürokratie.
    Anika und Amedeo Teriaca in ihrem Restaurant in Lichtenfels. Sie klagen über viel Bürokratie. Foto: Theresa Ehrl

    Aus der mondänen Modemetropole Mailand in den oberfränkischen Mittelpunkt der Flechtkultur. Amedeo Teriacas Reise beginnt im November 2009. „In Deutschland, da verdient man gut!“, hieß es von allen Seiten. Und in Italien lahmt die Wirtschaft. Ganz besonders in diesen Jahren nach dem großen Banken-Crash. Das Phänomen von EU-Bürgern, die der Arbeit wegen in die Bundesrepublik kommen, ist schließlich keine Seltenheit. Aber die Bürokratie sorgte bei Teriaca, dann doch für so manche Herausforderung.

    Kaum ist der Entschluss auszuwandern gefasst, beginnt er im Internet nach Arbeit im Land der Dichter und Denker zu suchen, und er findet sie. Ein italienisches Restaurant braucht einen fähigen Küchenmeister, den es in Teriaca findet.

    „Ich bin gelernter Koch. Als ich gesehen habe, wie ihr in Deutschland Pizza macht, dachte ich, ich muss Pizzabäcker werden“, schmunzelt er. Denn mit der nicht selten zweifelhaften Qualität der Pizza in Deutschland will sich der 36-Jährige nicht abfinden. Also leistet der Italiener ein wenig gastronomische Entwicklungshilfe.

    Schnell Freunde gefunden

    Ganz alleine zieht er um, ohne Freunde, ohne Familie, ohne Sprachkenntnisse. In der Schule hat er Französisch und Englisch gelernt. Deutsch kann er anfangs nicht. Ein echter Neuanfang für den Italiener. Probleme, Freunde zu finden, hat er nicht. Seine jetzige Frau Anika Urban-Teriaca lernt er bereits nach zwei Monaten kennen. Von Anfang an steht ihm die ebenfalls gelernte Köchin mit Rat und Tat zur Seite.

    Aber der Anfang ist nicht leicht. Die Schwierigkeiten beginnen bei mehr oder weniger essentiellen Dingen wie einem Handyvertrag. Die beiden berichten, sie hätten bis nach München fahren müssen, um alle nötigen Dokumente zu sammeln. Sogar einen Aufenthaltstitel hätten sie gebraucht, bezeugt Anika Urban-Teriaca. Das sollte nicht ihr einziger Ausflug in die Landeshauptstadt bleiben. Um einen neuen Personalausweis zu beantragen, mussten sie dreimal die weite Fahrt zum italienischen Konsulat auf sich nehmen. „Einmal zum Beantragen, einmal zum Unterschreiben und beim dritten Mal konnten wir das Dokument dann abholen“, sagt die Gastronomin und fasst sich mit der Hand an den Kopf. Den beiden Kindern habe es gefallen, fährt sie fort, so etwas lasse sich gut mit einem Zoobesuch verbinden.

    Nach einem Jahr Anstellung in dem italienischen Restaurant wurde Teriaca arbeitslos und musste fast zurück nach Italien. Keine Freizügigkeitsbescheinigung, kein Deutschland. Ein kleines bürokratisches Detail, das dem Koch beinahe die Ausreise beschert hätte. Und das, obwohl das Dokument nur Ausweischarakter hatte, da jeder Unionsbürger ja berechtigt ist, sich in anderen Mitgliedsstaaten aufzuhalten.

    Um derartige Hindernisse zu vermeiden, beschließt Teriaca, seine Hochzeit mit Anika Urban vorzuziehen. „Wir sind jetzt trotzdem seit neun Jahren glücklich verheiratet!“, werfen die beiden augenzwinkernd ein. Am 29. Januar 2013 wurde die Freizügigkeitsbescheinigung abgeschafft. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, finden die Teriacas.

    Eine echte Europa-Heirat

    Die Heirat hatte noch einen erfreulichen Nebeneffekt. Amedeo Teriaca muss seit seinem Hochzeitstag nicht ständig seine Meldebestätigung wie einen Personalausweis mit sich herumschleppen.

    Das Ehepaar ist sich einig: Die EU hat noch einen weiten Weg vor sich, vor allem was die Bürokratie angeht. Trotzdem sind beide natürlich froh, dass sie ihnen ein Zusammenleben ermöglicht hat.

    In Deutschland hat sich der jetzt 36-Jährige recht schnell eingewöhnt. Er weist auch auf die vielen Vorteile der Bundesrepublik hin. Geringe Kriminalitätsrate im Gegensatz zu so manchem Gebiet in seiner Heimat. Die Kinder lässt er alleine im nahe gelegenen Park spielen. Etwas, dass er sich nach eigenen Aussagen in dem Vorort von Mailand, aus dem er kommt, nie getraut hätte. Dort würden solche Anlagen immer wieder auch als Drogenumschlagplatz Nummer 1 fungieren. Auch vor Diebstahl hat die Familie hier kaum Angst.

    Da vor nicht allzu langer Zeit dann die Roaming-Gebühren auf Handeln der EU hin weggefallen sind, kann er bei Besuchen in der alten Heimat telefonisch mit der Familie in Deutschland in Kontakt bleiben, ohne dass es extra kostet.

    Wählen gehen ist Ehrensache

    Am 23. Mai geht Amedeo Teriaca wählen. Die EU sei, wie gesagt, nicht perfekt, aber essenziell für das Leben vieler. Damit die Kommission ihre Prioritäten richtig setzt, ist es gut, dass man ein demokratisches Mitspracherecht hat. „Wie wäre es zum Beispiel mit einer einheitlichen Krankenversicherung für EU-Bürger?“, schlägt Anika Urban-Teriaca vor. Aber immerhin gilt die gesetzliche Krankenversicherung schon in der ganzen Europäischen Union.

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