Dieses Schausteller-Geschäft auf dem Schützenanger in Lichtenfels sticht heraus. Beim ersten Hinsehen wirkt es beinahe schon skurril. Die abgesägte Vorderhälfte eines Trabi in der Mitte des Geschäfts erregt sofort Aufmerksamkeit. Die gesamte Einrichtung, 22 Meter lang und elf Meter hoch, erhebt sich in Form einer alten Werkhalle. „Freddys Company“ heißt das Geschäft. Es feiert heuer Premiere beim Schützenfest.
In der sechsten Generation Schausteller
Der halbe Trabi ist nur eines von mehreren ungewöhnlichen Elementen in „Freddys Company“. Der Blick fällt weiter auf ausgediente originale Waschbürsten einer Auto-Waschstraße. Eine alte Zapfsäule steht dekorativ da. Nebenan liegt ein ehemaliges Ölfass mit mannshoher Öffnung. Es dreht sich, wenn jemand hindurchgeht. Im ersten Stock sind ein Spiegelkabinett, eine alte Autopresse und ein Laufband zu erkennen. Kurz nach dem Eingang baumeln Autoreifen knapp über dem Erdboden. Noch kann man nur erahnen, was alle diese Teile mit Besuchern des Geschäfts „anstellen“ können.
Fred Hofmann-Jehn hat die DDR erlebt und wohnt heute in Eisenach. Er ist Chef von „Freddys Company“. Mit seiner Ehefrau Eva-Maria (60), die im Kassenhäuschen sitzen wird, und zwei Mitarbeitern hofft der 62-Jährige auf ein gutes Geschäft in Lichtenfels.
„Viele Besucher klopfen auf das Trabi-Teil in meinem Laufgeschäft, weil sie testen wollen, ob das wirklich Plaste ist.“
Fred Hofmann-Jehn, Schausteller aus Eisenach
Der Unternehmer kennt seinen Beruf von der Pike auf. Mit allen Vor- und Nachteilen. „Ich bin in der sechsten Generation Schausteller“, sagt er. Im Laufe seines Lebens, das von Kindesbeinen an von vielen Ortswechseln bestimmt war, habe er rund 100 Schulen besucht. Dazu kam eine Ausbildung als „Elektriker“.

Das Schausteller-Gen wurde offensichtlich auch der nächsten Generation der Familie Hofmann-Jehn eingepflanzt. Alle vier Kinder von Fred und Eva-Maria, ausnahmslos Söhne, betreiben ein Fahrgeschäft. Wie der Vater touren sie von einem Volksfest zum nächsten. Sohn Oliver hat mit einer selbst entwickelten und weltweit einmaligen transportablen interaktiven Bahn enormen Erfolg. Der Vater ist stolz.
Besonders harte Zeit nach der Wende
Fred Hofmann-Jehn hat besonders hart arbeiten müssen, um nach der Wende gut im Geschäft zu bleiben. Er musste sein DDR-Geschäft ins rauhe Fahrwasser der freien Marktwirtschaft überführen. „Bald nach der Einigung standen auf den Volksfestplätzen der früheren DDR moderne Fahrgeschäfte aus dem Westen und waren natürlich die Attraktion,“ sagt er. Die eingesessenen Schausteller hätten keine Wahl gehabt: „Wir mussten uns neu erfinden.“
Der Eisenacher, der zu DDR-Zeiten hauptsächlich mit Geisterbahnen sein Geschäft machte, nahm die Herausforderung an. Mit Erfahrung, Kreativität und viel Fleiß entwickelte er neue Geschäftsstrategien und -ideen. Vorläufiger Höhepunkt ist das 2012 von dem Schwalmstadter Unternehmen Dietz-Fahrzeugbau erstellte „Freddys Company“. Es ist ein so genanntes „Laufgeschäft“ – im Gegensatz zu den Fahrgeschäften.
Gebaut ist das Laufgeschäft wie eine alte Fabrik
„Es ist gemacht wie eine alte Fabrik,“ sagt der 62-Jährige weiter. Das Gebilde wurde in der Branche auch schon liebevoll als „Schrottplatz“ tituliert. Für den Thüringer Unternehmer ist das in Ordnung. Sein Geschäft ist das genaue Gegenteil von blitzenden High-Tech-Fahrgeschäften. Und es ist erfolgreich. Manche Besucher können offenbar nicht genug davon kriegen. „Es ist ein Sucht-Geschäft,“ sagt der Besitzer. „Die gleichen Leute gehen mehrmals hinein.“
Fred Hofmann-Jehn hat die DDR erlebt und ist ungezwungen im Umgang mit deren Symbolen. „Der Trabi war in der DDR Kult,“ sagt er. „Viele Besucher klopfen auf das Trabi-Teil in meinem Laufgeschäft,weil sie testen wollen, ob das wirklich Plaste ist.“ Die Autohälfte, die sein Geschäft ziert, wurde beinahe zeitgleich mit der Wiedervereinigung, im Oktober vor 30 Jahren, produziert. Im Ganzen natürlich. Die Typenmarke ist noch im Motorraum befestigt. Der Motor ist ausgebaut.