Eine Geschichte aus dem Nahen Osten von Flucht, Krieg und Vertreibung kann ein erstes gutes Kapitel in einer idyllischen Mühle finden. Mitten in einem Biergarten im satten Grün des Kleinziegenfelder Tals. Die Sonne blinzelt durch das Geäst. Mohammed hat am Tisch in der Schrepfersmühle Platz genommen, bald werden die ersten Gäste in den großen Biergarten kommen. So fasst er sich kurz, mit seiner Geschichte, die eigentlich schon lange vor seiner Geburt beginnt.
Im Jahr 1948 bedeutet die Staatsgründung von Israel für über 700 000 arabische Palästinenser Flucht und Vertreibung. Mohammeds Familie sucht im heutigen Jordanien Zuflucht. Dann 1967: Israel besiegt im „Sechstage-Krieg“ seine arabischen Nachbarstaaten. Mohammeds Familie beschließt, nach Syrien zu fliehen. Um dort nie voll und ganz anzukommen: Sie bleiben Staatenlose, ohne Papiere. Flüchtlinge sind selten Bürger erster Klasse. Auch nicht, wenn sie ihr Abitur schaffen. So ist eine Akademikerkarriere keine Option für Mohammed. Zudem, die Wirtschaft in Syrien lahmt schon vor dem Krieg.
Als 20-Jähriger beginnt er zu kellnern, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Die Schönheit der Altstadt von Damaskus raubt den Atem. Ihre oft jahrhundertealten Gaststätten sind in der ganze arabischen Welt eine Legende. Zu Friedenszeiten schiebt sich Mohammed durch die Tischreihen zu seiner Kundschaft. „6014 Gäste haben im Damaskus Gate Platz. Es ist das größte Restaurant der Welt“, sagt Mohammed nicht ohne Stolz über seinen alten Arbeitsplatz. Mit dem Trinkgeld reicht es zu einem halbwegs ordentlichen Leben.
Flucht aus dem Kriegsland Syrien
Dann kommt der Krieg, und die Familie erkennt, dass sie in Syrien keine Zukunft hat. So flieht sie nach Jordanien. Dort wachsen schnell gewaltige Flüchtlingslager an. Die Arbeitswelt von Mohammed ist eine andere. Das Restaurant „Blue Fig“ ist eine angesagte Adresse in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Ein paar Clicks auf der Homepage zeigen schickes Design einer hochwertigen Gastronomie. Hier verkehren die Wohlhabenden der Stadt, Mitarbeiter internationaler Firmen und Organisationen.
Menschen, die die Qualitäten eines Baristas zu schätzen wissen. Pulverkaffee, den trinken sie in den Camps vor den Toren Ammans. Nicht im „Blue Fig“. Mohammed arbeitet als Barista und Barkeeper. Manchmal denkt er sich, wie verrückt die Welt ist zwischen Flucht und Luxus. „Aber ich habe auch gemerkt, wie sehr mir die Gastronomie zusagt, wie schön es ist, gastfreundlich zu sein“, sagt der 31–Jährige. Er arbeitet sich bis ins Management hoch.
Papiere hat er auch in Amman keine. Mohammed, dem Staatenlosen, droht die Abschiebung nach Syrien. Also flieht er weiter, landet in Spanien und schlägt sich nach Deutschland durch. Beantragt Asyl und landet im Heim in Weismain.

Dankbar für jede Unterstützung
„So viele Menschen waren gut zu mir“, sagt Mohammed. Er berichtet, wie er bei den Aktiven Bürgern Sprachkurse belegte, die so viel mehr brachten als die Tutorials im Internet. Die Aktiven Bürger halfen ihm auch bei der Stellensuche, die evangelische Kirchengemeinde bei Wohnungssuche und Umzug. Im TV Weismain wird er gerne aufgenommen und spielt Tischtennis im Liga-Betrieb. „Für all die Hilfe bin ich sehr dankbar. Das ist sehr wichtig für mich“, sagt der junge Mann.
Über unschöne Augenblicke redet Mohammed weniger
Vermutlich gab es auch unschöne Momente. So viele Momente der Angst und Ungewissheit. Doch von denen erzählt er nicht. Auch nicht, wie sehr ihm seine Frau gefehlt hat. Davon berichtet seine Chefin in der Schrepfersmühle, Heidemarie Laborde. Weil sie ihm das damals vom Gesicht ablesen konnte. „Er muss für etwas kämpfen, dass andere seit Geburt geschenkt bekommen haben“, sagt sie. Und ihr Geschäftsführer Christopher Wenisch meint: „Mohammed hat in richtig erstklassigen Häusern gearbeitet. Er ist eine Bereicherung für unser Team.“

Mohammed lächelt still, als er das hört. Im September beginnt er eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe in der Schrepfersmühle. Fast ein Jahr hat er dort schon regelmäßig gejobbt, sich eine Erstqualifizierung und viel Respekt im Team erworben.Seine Frau ist auch schon da, beide haben eine kleine Wohnung in Burgkunstadt. Im August meldet sich Nachwuchs an. „Es wird wohl ein Junge“, strahlt der zukünftige Vater.
Von Träumen und einem direkten Ziel
Mohammed sagt bescheiden: „Eines muss man als Flüchtling lernen, im Leben geht es nur in kleinen Schritten vorwärts.“ Aber Träume hat er trotzdem: Irgendwann mit seiner Familie ein eigenes Restaurant zu betreiben. Ein näheres Ziel hat er auch. Dafür paukt er weiter die deutsche Sprache. Legt er die Sprachprüfung C1 erfolgreich ab, kann es durchaus schneller gehen mit der deutschen Staatsbürgerschaft. Dann endet nach 70 Jahren der Fluch der Staatenlosigkeit, der seiner Familie soviel Chancen und Freiheit genommen hat. Für sein Kind sollen „Duldung“ oder „Aufenthaltstitel“ eines Tages Worte ohne Bedeutung sein, das ist Mohammed wichtig.
Seine Chefin Heidemarie Laborde würde das freuen. Sie glaubt an die Talente des 31-Jährigen. „Er passt gut zum Team und ist fleißig, bleibt immer höflich“, sagt sie. Die Gastronomin, das wird schnell klar, ist eine resolute Frau. Und jemand, der klare Ansagen macht. Das ist nötig, wenn es gilt, einen großen gastronomischen Betrieb zu führen. Zwei Syrer arbeiten ebenfalls für sie. Dass Mohammed eine Lehre in ihrem Haus antritt, das freut sie von Herzen. Weil sie davon überzeugt ist, dass er die Herausforderungen stemmt. „Die Arbeit in der Gastronomie verlangt viel“, erklärt sie.
Klare Ansage bei Fremdenfeindlichkeit

„Aber nicht jeder Gast begrüßt es, dass bei uns Flüchtlinge arbeiten“, fügt die Mühlen-Chefin hinzu. Gibt es dann dumme Bemerkungen, kontert sie mit einer klaren Ansage. Das weiß Mohammed. Bei einer über 70-jährigen Familientradition als Flüchtling gibt das unbezahlbaren Mut, wenn man endlich eine Heimat finden will.