
Heimische Firmen investieren derzeit über 200 Millionen Euro in den Bereich Additive Fertigung, also das Drucken von Bauteilen. Nun setzen die Stadt Lichtenfels, der Landkreis und die Hochschule Coburg ihrerseits ein Ausrufezeichen: Gemeinsam mit dem Lichtenfelser Unternehmer Frank Herzog etablieren sie in der historischen Kirschbaummühle das „Forschungs- und Anwendungszentrum für digitale Zukunftstechnologien“ (FADZ). Profitieren sollen davon Handwerk, Industrie und Ausbildungseinrichtungen gleichermaßen.

„Der Impuls kam vor drei Jahren von Bürgermeister Andreas Hügerich“, holte Frank Herzog, Gründer und Gesellschafter des 3D-Metalldruckpioniers Concept Laser, ein wenig aus. Damals stellte sich die Frage, wie man das Innovationszentrum Lichtenfels (IZL) weiter voranbringen könne. Hügerich holte Vertreter aus Industrie, Handwerk und Forschung an einen Tisch und diskutierte mit ihnen über die zukünftige Ausrichtung. „Die Digitalisierung ist für die Gesellschaft die zentrale Herausforderung und deswegen auch unser Kernkriterium.“ Digitalisierung solle greifbar gemacht werden, kein theoretisches Konstrukt bleiben.
„Wir möchten im FADZ den ansässigen kleinen und mittleren Betrieben den Zugang zur digitalen Fertigungstechnologie ermöglichen.“
Frank Herzog, Unternehmer

„Wir haben fast 30 Jahre Erfahrung mit additiven Fertigungstechnologien in Lichtenfels“, legte Herzog dar. Kein Wunder also, dass der 3D-Druck im Mittelpunkt des Forschungs- und Entwicklungsinteresses im FADZ steht. „Zirka 800 in Lichtenfels angemeldete Patente sprechen eine deutliche Sprache.“ Über Jahren sei eine Struktur gewachsen, auch zwischen Wirtschaft und der Hochschule. Das „additive metal printing“, der 3D-Metalldruck, wie es bei „Concept Laser“ betrieben wird, sei eine „game changer technology“, die viele Teile der Wirtschaft revolutionieren werde.
„Drucken geht schneller, ermöglicht leichtere Bauteile und Geometrien, die mit Gießen nicht erzeugt werden können“, so Professor Markus Stark vom Lehrstuhl der Maschinenbau und Automobiltechnik an der Hochschule Coburg. Werkzeuglos und individuell könne rein mit digitalen Daten gefertigt werden. Und das nicht nur im Bereich Metall, sondern auch mit Kunststoff oder mit Polymerbeton.

Im FADZ will man künftig alle Bereiche des Bereichs „additive manufacturing“ beleuchten, erforschen und entwickeln, von der Idee und der Datengenerierung über die Umsetzung selbst bis hin zu Qualitätssicherung und Emissionen, die dabei entstehen. Sprich: die gesamte Prozesskette ist im Fokus. Und die Ergebnisse und Erkenntnisse könnten dabei auch für andere Fertigungsbereichen von hohem Interesse sein.
Den Betrieben den Zugang zur digitalen Technologie ermöglichen

„Als Technologieexperte wird selbst mir manchmal schwindelig von der Geschwindigkeit, in der Technologien über uns kommen“, so Herzog. „Wer auf diese Reise nicht mitkommt, wird Schwierigkeiten haben, zu überleben.“ Doch wie sollen kleinere und mittlere Betriebe da mithalten? „Genau da möchten wir mit dem FADZ unterstützen, damit der ländliche Raum nicht abgehängt wird.“
„Wir möchten im FADZ den ansässigen kleinen und mittleren Betrieben den Zugang zur digitalen Fertigungstechnologie ermöglichen“, so Herzog. Dies gelte für Handwerker ebenso wie für Wirtschaftsunternehmen.

Drei Säulen soll es geben: „angewandte Forschung für regionale Unternehmen“, „Anwendungsberatung und Wissenstransfer“ sowie „Aus- und Weiterbildung“. Vor allem letzter Bereich ist für junge Menschen überaus interessant. Denn: „Und letztlich soll es auch ein Anreiz sein für junge Leute, wieder in die Region zurückzukehren oder sie erst gar nicht zu verlassen.“ Das sei sehr wichtig, so Helmut Fischer, der Stellvertreter des Landrats. „Wir stellen übrigens gerade einen Antrag, um als digitale Bildungsregion anerkannt zu werden.“ Übrigens sollen im FADZ auch Fachkräfte aus- und weitergebildet werden.
„Wir werden unsere Stärken einbringen und gemeinsam Forschung betreiben und Machbarkeitsstudien sowie öffentlich geförderte Projekte umsetzen“, versprach Professorin Christiane Fritze, die Leiterin der Hochschule Coburg. Geplant sei, einen Masterstudiengang für Additive Fertigung und Leichtbau zu etablieren, für zunächst 30 und irgendwann bis zu 120 Studierende.
Im Meranier-Gymnasium wird bereits dreidimensional gedruckt

Um junge Menschen für die zukünftigen disruptiven Technologien zu sensibilisieren, entstehe das „FADZ Lab“. Dank dreier Spender konnten drei 3D-Drucker angeschafft werden, die im Meranier-Gymnasium bereits getestet werden. Auch die Herzog-Otto-Mittelschule, das Heilpädagogische Zentrum und sogar Grundschulen sollen mittelfristig eingebunden werden.

Gabriele Hohenner von der Industrie- und Handelskammer sowie Kreishandwerksmeister Mathias Söllner lobten das Projekt und sicherten Unterstützung zu. Am 26. September soll darüber hinaus ein Förderverein gegründet werden.
Zahlen und Fakten • Die Kirschbaummühle in der Coburger Straße hat eine 600-jährige Geschichte. Das heutige Gebäude stammt von 1880. • Für Grund- und Immobilienerwerb sowie Instandsetzung sind 4,9 Millionen Euro veranschlagt. • Bis zu 80 Prozent der Kosten könnten über die Städtebauförderung übernommen werden. • Der Einzug des Forschungs- und Anwendungszentrums kann frühestens in den Jahren 2022 oder 2023 erfolgen. • Die Nutzfläche beträgt 2300 m2. • Die Erstausstattung der benötigten Labore wird rund 3,5 Millionen Euro kosten. • die Kosten für die Hochschulaktivitäten inklusive des Studiengang sind mit jährlich 0,65 Millionen Euro kalkuliert. • Jährlich dürften im FADZ Betriebskosten von rund 0,35 Millionen Euro anfallen.