Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: Scheidender Schulleiter Werner Linder gab Zöglingen Heimat

LICHTENFELS

Scheidender Schulleiter Werner Linder gab Zöglingen Heimat

    • |
    • |
    Ein Abschied der schwer fällt: Werner Lindern vor seine St. Katharina Schule
    Ein Abschied der schwer fällt: Werner Lindern vor seine St. Katharina Schule Foto: Till Mayer

    Das Wichtigste ist zeitlos. Da ist sich Werner Lindner sicher. 42 Jahre als Pädagoge, Lehrer und Schulleiter war er im Einsatz. Jetzt räumt er sein Büro in der Sankt Katharina-Schule des Heilpädagogischen Zentrums der Caritas. Der 65-Jährige geht in den Ruhestand. Auf den Tisch legt er ein Buch. Fast 100 Jahre ist das Werk alt, gedruckt 1925. „Lebendige Krücken“ hat Gustav Lesemann geschrieben. Ein Reformpädagoge, der die Stärken und nicht die Schwächen bei Kindern und Jugendlichen sah, die eine besondere Förderung brauchten. „Das Buch hat mich mein ganzes Leben als Lehrer begleitet“, sagt Lindner nachdenklich. Dann packt er es in seinen Karton. „Eine Förderschule muss Heimat sein. Das ist der Kern für mich,“, sagt er.

    „Es gab Kinder, die sehr, sehr dankbar waren, wenn man ihnen die notwendige Zeit, auch nach Unterrichtsschluss oder mal am Wochenende, schenkte.“

    Werner Lindner, scheidender Rektor der Katharina-Schule

    Lehren, unterstützen und fördern, das ist bei Werner Lindner ein stimmiger Dreiklang. Pädagoge zu sein, vermutlich genetisch veranlagt. „Seit 1726 ist meine Familie väterlicherseits eine Lehrerdynastie. Und auch mütterlicherseits stamme ich aus einer Pädagogenfamilie“, sagt der frisch gebackene Pensionär. Auch seine Schwester und sein Bruder sowie seine Ehefrau Susi sind Pädagogen. Die beiden Söhne folgen dem Familienvorbild ebenfalls.

    Eine Linde haben die Kinder und Jugendlichen für ihren Schulleiter Werner Lindner gepflanzt.
    Eine Linde haben die Kinder und Jugendlichen für ihren Schulleiter Werner Lindner gepflanzt. Foto: Till Mayer

    Dabei ist das Erfrischende, dass Werner Lindner so gar nichts oberlehrerhaftes an sich hat. Wenn er von seinen Schülern spricht, strahlen die Augen. „Klar sind einige unserer Schüler schon verhaltensoriginell. Aber ich werde sie sehr vermissen“, sagt der scheidende Schulleiter augenzwinkernd.

    Schüler annehmen, wie sie sind

    Schüler, die aus den unterschiedlichsten Gründen Hilfe benötigen, gehören zum Alltag für einen Sonderschullehrer. Es gab Momente, da ging das Werner Lindner fast unerträglich an die Nieren. Es gab während der über 30-jährigen Tätigkeit an seinem Förderzentrum Suizidandrohungen und sogar auch einen Suizidversuch. Oder der achtjährige Junge, der immer wieder um eine Brotzeit oder ein Pausenbrot bettelte, weil er wieder mal nichts dabei hatte. „Es gab Kinder, die sehr, sehr dankbar waren, wenn man ihnen die notwendige Zeit, auch nach Unterrichtsschluss oder mal am Wochenende, schenkte. Hieraus ergaben sich tolle Energien. Kinder, die mehr Zeit und Liebe benötigen, gehören immer zu dem Klientel der Förderschule“, erklärt Lindner.

    Er ist niemand, der jemanden aufgibt. Der Pädagoge glaubt an Überzeugungsarbeit. An die Stärken und Kompetenzen seiner Schülerinnen und Schüler, aber auch der Eltern. „Es ist wichtig, Strukturen zu geben“, sagt der 65-Jährige. Er selber hat diese im Elternhaus, als Pfadfinder und Radballer erfahren. Als Radballer war er sogar im Nationalkader. Und das geht nur mit viel, viel Disziplin und mit Freude an der Tätigkeit.

    Werner Lindner steht stolz vor einer Skulptur, die Schülerinnen erstellt haben.
    Werner Lindner steht stolz vor einer Skulptur, die Schülerinnen erstellt haben. Foto: Till Mayer

    Nur Disziplin aus Zwang, davon hält Werner Lindner wenig. Seine Pädagogik baut auf Sog: Kinder und Schüler mitreißen. Ihnen Erfolge geben, an denen sie wachsen. Das fängt beim selbstverwalteten Brötchenverkauf in der Pause an und endet bei der Enthüllung einer selbstgefertigten Skulptur im Foyer.

    Vor der steht der scheidende Schulleiter ganz stolz. Kunst und Kreativität das ist für Werner Lindner etwas zutiefst Wertvolles. Er erzählt gerne zu jedem Kunstwerk etwas, das im Eingangsbereich der Schule hängt. Aber die Skulptur ist dann doch eine ganz besondere Erfolgsgeschichte. Eine der drei Künstlerinnen hat gerade ihren Master als Produktdesignerin abgelegt. Jetzt bewirbt sich die junge Frau bei den großen Autoherstellern der Republik. Und ihr ehemaliger Schulchef hofft, dass ihr die Krise in der Branche keinen Strich durch die Rechnung macht.

    Stolz auf jedes gemeisterte Leben

    Auch Unternehmensgründer wurden aus seinen Schülern, berichtet der scheidende Schulleiter. Er ist glücklich über jede absolvierte Lehre seiner Schützlinge, auf jedes gemeisterte Leben. Seit 33 Jahren ist er jetzt an der Sankt Katharina-Schule tätig, seit 19 Jahren als ihr Leiter. Seit seinem Studium haben die Förderschulen die unterschiedlichsten Namen gehabt: Hilfsschule, Sondervolkschule, Schule zur individuellen Lernförderung, Förderschule und Sonderpädagogisches Förderzentrum lauten die Namensetappen.

    „Lebendige Krücken“ ist ein fast 100 Jahre altes Refrompädagogik-Buch. Für Werner Lindner ist viel darin zeitlos gültig.
    „Lebendige Krücken“ ist ein fast 100 Jahre altes Refrompädagogik-Buch. Für Werner Lindner ist viel darin zeitlos gültig. Foto: Till Mayer

    Eine frisch gepflanzte Werner-Lindner-Linde

    Gut, dass es da auch einen Namen gibt, der unverändert bleibt: Sankt Katharina-Schule. Vor ihrem Eingang wächst nun eine frisch gepflanzte Werner-Lindner-Linde empor. Der Stamm braucht ein wenig Stütze. Aber Lindner ist sich sicher, die Linde wird gedeihen. „So wie die Sankt Katharina-Schule auch“, lacht er. Einiges wird er nicht vermissen: die wie überall zunehmende Bürokratisierung. Auch die Zunahmen von Depressionen bei jungen Menschen geben dem scheidenden Schulleiter zu denken.

    „Aber fehlen werden mir die Kinder und Jugendlichen, das Kollegen-Team, sehr“, seufzt der 65-Jährige. Und jetzt: Zeit für Großvaterpflichten, Reisen, Arbeit im heimischen Garten in Michelau. Oder doch noch mal nach Hawaii, die Insel, dessen ursprüngliche Lebensphilosophie ihn sehr geprägt hat. Werner Lindner kann sich jetzt als Ruheständler Zeit für Entscheidungen lassen. Und gemütlich auf der Veranda zurücklehnen. Vielleicht nimmt er dann die „Lebendigen Krücken“ zur Hand. Schmökert darin und denkt sich, dass da ehrenamtlich auch etwas zu tun ist. Es wäre fast unglaublich, wenn Werner Lindner das nicht machen würde.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden