Im Jahr 1988 kam der Film „Rain Man“ mit Dustin Hoffmann und Tom Cruise in die Kinos, der das Thema Autismus zum ersten Mal auf die Leinwand brachte. Damals wusste kaum jemand, was sich hinter dem Begriff verbirgt.
Erst vor zehn Jahren wurde das Autismus-Kompetenzzentrum Oberfranken (Autkom) ins Leben gerufen. Seitdem werden Betroffene, Eltern und Fachkräfte oberfrankenweit beraten, auch in Form von Außensprechstunden in Hof, Bayreuth, Coburg und Bamberg. Am Freitag feierte das Team des Autkom Oberfranken sein zehnjähriges Bestehen und hatte dafür zahlreiche Gäste in die Alte Vogtei eingeladen. Gekommen waren Vertreter aus Politik und Kirche sowie Fachleute und Vertreter von Diensten und Einrichtungen für Menschen mit Autismus.
Weit mehr Menschen sind betroffen
Ging man in den späten 1990-Jahren noch davon aus, dass die Betroffenenrate bei 0,2 Prozent der oberfränkischen Bevölkerung liegt, gehen heutige seriöse Schätzungen davon aus, dass rund 11 000 Menschen (ein Prozent) von einem Autismus-Spektrum betroffen sind, erklärte Stefanie Stark, Pädagogische Autismus-Fachkraft. Zu den Betroffenen zählen auch 2140 Kinder und Jugendliche bis 21 Jahren, darunter auch 500 Kinder im Alter bis zum siebten Lebensjahr. 2018 nutzten 1350 Personen die Leistungen des Autkoms, 370 Personen erhielten eine Einzelfallberatung.
Das Autkom bietet auch ein Training für Eltern an
Eine autismusspezifische Beratung ist nach wie vor die zentrale Aufgabe des Zentrums. Dazu zählt eine individuelle Arbeit, die sich an den jeweiligen autistischen Symptomen der Klienten orientiert. Häufige Themenbereiche sind Diagnostik, Therapie und Förderung, Schule, Ausbildung und Arbeit, sozialrechtliche Fragen und Fragen zu entlastenden Hilfen sowie Freizeitangebote und Eltern-Kind-Kuren. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Vernetzung von autismusspezifischen Wissen. Das Autkom bietet auch ein Training für Eltern an, erläuterte Stefanie Stark. Des Weiteren bietet das Autkom auch Veranstaltungen von externen Experten an, wie beispielsweise die der Psychotherapeutin und Asperger-Autistin Dr. Christine Preißmann.

Was Autismus für einen Betroffenen bedeutet, darüber berichtete Silke Wanninger-Bachem. „Autisten haben eine andere Reizschwelle, außerdem haben sie häufig Schwierigkeiten mit der Filterung der Vielzahl an Reizen“, erklärte Wanninger-Bachem, Mutter eines autistischen Kindes und selbst Betroffene. Das autistische Gehirn muss mehr Informationen verarbeiten. Dadurch stauen sich mit der Zeit unverarbeitete Reize an, die nicht mehr zu sinnvollen Inhalten miteinander verknüpft werden können. Es entsteht ein Chaos im Gehirn. Irgendwann schaltet das Gehirn in den Angriffsmodus um.
Die Sensibilisierung für Entwicklungsstörungen ist gestiegen
Für viele Menschen mit Autismus ist die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erschwert. Dies zeigt sich bereits in der Schule, wie Silke Wanninger-Bachem aus ihrer Erfahrung als Mutter eines betroffenen Kindes zu berichten weiß. Fehlte früher den Lehrkräften das nötige Wissen um Autismus - das Asperger-Syndrom war in Fachkreisen erst ab den 1990er Jahren bekannt - ist heute eher eine Sensibilisierung für Entwicklungsstörungen vorhanden.

Auch Silke Wanninger-Bachem hatte schon in ihrer Kindheit das Gefühl anders zu sein, als die anderen. Um dazu zu gehören hat sie die anderen beobachtet und ihr Verhalten kopiert. Doch auch dies führte letztlich nicht zum gewünschten Ergebnis. Normalerwiese sei sie eher ein zurückhaltendes Kind gewesen. Aber bei Ungerechtigkeiten oder Unlogik reagierte mit einem der Situation nicht immer angemessenen Widerspruch. Nicht die einzige Schwierigkeit, deren Ursache im vorhandenen Autismus zurückzuführen ist. Vom Vorwurf nicht korrekt erledigter Hausaufgaben, über extrem langsames Arbeiten bis hin zu sozialen Schwierigkeiten reichte die Palette. Dieses „problematische“ Verhalten hielt noch in der Oberstufe an und zog sich durchs Studium und Ausbildung. Der Kollege „Asperger-Autismus“ bestimmte auch das Arbeitsleben.
Mehr Aufklärung und Verständnis nötig
Silke Wanninger-Bachem wünsche sich, eine altersgerechte Aufklärung von Schülern zum Thema Autismus und mehr Verständnis für die Betroffenen am Arbeitsplatz. Die Gesellschaft sollte einen stärkeren Fokus auf die autistischen Stärken eines Betroffenen richten. Diese Inselbegabungen seien es wert, das die Gesellschaft sie stärker annimmt, forderte Dieter Sauer, Vorsitzender des Vereins zur Förderung von Menschen mit Autismus.
Nach dem Festakt konnten sich Interessierte im Saal München bei Regens Wagner über die Angebote der einzelnen Organisationen und Verbände in Oberfranken informieren und sich zum Thema austauschen.