Seit dem 18. Jahrhundert dürfte in jedem römisch-katholischen Kirchenbau ein Kreuzweg, meist in Bildform, vorhanden sein. Die heutige Andachtsform dazu spannt sich in weitem Bogen.
Der Kreuzweg, die Via Crucis, wird seit alter Zeit von den Gläubigen in der alljährlichen Fastenzeit begangen. Besonders in der Karwoche der katholischen Kirche und in den vergangenen Jahren im Zeichen der Ökumene wird dieser gebetet und ist zum Teil neu gestaltet worden.
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ugend-Kreuzwege zeigen der nachwachsenden Generation die Aktualität, schweres im Leben auf sich zu nehmen und auf ein Ziel hin zu tragen. Ökumenische Kreuzwege weisen auf das verbindende des christlichen Glaubens hin. Versöhnungskreuzwege erinnern an früheres Leid und heutige Versuche der Wiedergutmachung.
Der Brauch ist im 14. Jahrhundert entstanden
Der Brauch, den Kreuzweg zu beten beziehungsweise mitzugehen, entstand im 14. Jahrhundert. Ursprünglich waren es die Prozessionen der Franziskaner in Jerusalem, die die Stationen des Leidensweges Jesu beschrieben und festlegten. Anfangs gab es sieben Stationen, gemäß den sieben Hauptkirchen in Rom.

Für die Christen der damaligen Zeit war es kaum möglich, nach Jerusalem ins Heilige Land zu pilgern, um diesen Kreuzweg symbolisch auch zu gehen. Deshalb verbreitete sich spätestens seit dem 18. Jahrhundert die Volksandacht des Kreuzweggebets in den eigenen Kirchen oder deren Umgebung über die ganze katholische Welt.
Den Franziskanern ist die Einführung der Kreuzweg-Andacht zu verdanken, die die Volksfrömmigkeit der „Daheimgebliebenen“ widerspiegelt. Zunächst an wichtigen Wallfahrtsorten und seit dem 18. Jahrhundert obligatorisch in jeder Kirche wurden meist 14 Stationen des Leidensweges Christi anhand von typischen Bildern im Gebet betrachtet. Die Kreuzweg-Andacht ist in Europa entwickelt worden und findet sich in der Via Dolorosa in Jerusalem verwirklicht.
Die Via Dolorosa in Jerusalem führte zum Hügel Golgota
Nach der geschichtlichen Überlieferung ist die Via Dolorosa die Straße, die vom Sitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus zur Hinrichtungsstätte am Hügel Golgota führte. Diesen Weg musste Jesus vor seiner Kreuzigung zurücklegen, wobei er auf einem Großteil der Strecke das Kreuz selbst tragen musste. Diese Straße ist heute als Kreuzweg ausgestaltet.

Von den 14 Stationen des Kreuzweges befinden sich aber nur acht auf der Via Dolorosa selbst. Die Stationen und damit die Darstellung des Kreuzwegs sind darin wie folgt aufgegliedert.
• I. Jesus wird zum Tod verurteilt
• II. Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern
• III. Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz
• IV. Jesus begegnet seiner Mutter
• V. Simon von Cyrene hilft Jesus, das Kreuz tragen
• VI. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
• VII. Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
• VIII. Jesus begegnet den weinenden Frauen
• IX. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz
• X. Jesus wird seiner Kleider beraubt
• XI. Jesus wird an das Kreuz genagelt
• XII. Jesus stirbt am Kreuz
• XIII. Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt
• XIV. Jesus wird in das Grab des Joseph von Arimathäa gelegt
9. Station auf Dach der Grabeskirche, die letzten drei befinden sich darin
Die neunte Station befindet sich auf dem Dach der Grabeskirche, die letzten drei befinden darin.
Da sich sicherlich der Straßenverlauf und auch das Gesicht der Stadt Jerusalem über die vergangenen 2000 Jahre stark verändert haben, ist dieser Weg mehr als Verbindung von Gedenkstätten als eine Wanderung in Jesu Fußstapfen zu sehen.

Schon immer begründet die Kreuzweg-Andacht die Annäherung der Menschen zu Gott und der österlichen Botschaft. Dabei spielt das persönliche Schicksal der Menschen zu allen Zeiten, die meist ein nicht leichtes Leben ertragen mussten, eine Rolle. Die Andacht ist in der Kirche ein vielfach gemeinsam oder einzeln verrichtetes Gebet vor den Kreuzweg-Stationen geworden. Die Beter gedenken dabei auch der Leidenden der Gegenwart, die ungerecht verurteilt, gefoltert, getötet, ihres Lebensunterhalts beraubt oder verspottet werden, was sich jeweils wieder auf den Inhalt der einzelnen Stationen bezieht.
Die christliche Botschaft, dass Gott für die Menschen Untaten und Sünden auf sich genommen hat, stellt sich nicht nur im katholischen Glauben sondern auch im öffentlichen Leben immer wieder dar. Und nicht zuletzt ist es wohl auch die Hoffnung auf etwas Besseres nach dem Tod.
Durch die Botschaft der Auferstehung Christi in der Osterzeit wird dies untermauert. So heißt es in der bekanntesten Gebetsform an den einzelnen Stationen auch „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“
Die bekanntesten Darstellungen in der näheren fränkischen Umgebung
Die bekanntesten Kreuzweg-Darstellungen in der näheren fränkischen Region sind sicherlich in Vierzehnheiligen, bei Scheßlitz zwischen der Gügelkapelle und der Giechburg und sogar in Weismain zu sehen.
In Vierzehnheiligen stand der Kreuzweg früher nicht wie heute am kleinen Franziskaner-Friedhof. Vielmehr sind der Bau einer Kapelle beziehungsweise die Aufstellung eines Kreuzes im 15. Jahrhundert dafür verantwortlich. Waren die Kreuzweg–Säulen zunächst auf dem Weg vom Kloster Langheim zum heutigen Gnadenort aufgestellt, wurden sie nach dem Bau der Basilika an ihrem jetzigen Standort verlegt. Dies dürfte um 1690 gewesen sein.
Auch in Weismain gibt es noch einen Kreuzweg außerhalb der Kirche. Dieser führt mit sieben Stationen (woraus sich erklären würde, dass dieser ebenfalls sehr alt ist) von der alten Post hinauf zur Kreuzkapelle. Die ersten sechs Bildstöcke aus Sandstein (der erste wahrscheinlich 1703) wurden von Hans-Kasper Spengler (1670-1719), der Steinhauer in Weismain war. über mehrere Jahre angefertigt. Er lebte in der Von-Rudhardt-Straße. Die plastisch und aufwändig gearbeiteten Bildstöcke wurden von Bürgern gestiftet.
Auch besteht ein direkter Zusammenhang zum Bau der Kreuzkapelle aus dem Jahr1701. So wurden alljährlich Karfreitagsprozessionen mit der Einbeziehung des Kreuzweges hin zur Kreuzkapelle abgehalten. In seiner Gesamtheit stellt dieser erhaltene Kreuzweg mit der Kapelle als obersten Punkt ein bedeutendes kulturgeschichtliches Denkmal dar, urteilt Kunsthistoriker Dr. Peter Ruderich.
Parallelen zum Sein zwischen Gügel und Giechburg langsam begreifen
In ganz freier Natur steht der sandsteinerne Kreuzweg bei Scheßlitz, der etwa 200 Jahre alt sein dürfte. Unterlegt ist die Wanderung an den Kreuzweg-Stationen vorbei sogar mit einer Tafel, auf der der Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi geschrieben steht.
Sehr poetisch drückte Dr. Wolfgang Brendel seine Erfahrung damit aus. „Vor den mächtigen Sandsteinsäulen, auf welchen die neutestamentlichen Geschichten eingehauen sind, steht der Mensch vor Darstellungen einer sehr exponierten Geschichte, die fast greifbar wirkt, am Kreuzweg zwischen Gügel und Giechburg. Besinnlich stehen wir davor und begreifen nur langsam die Parallelen zum Sein und dem immer Wiederkehrenden im sich fortwährend drehenden Rad des Lebens. Dem Werden und Vergehen im Lauf der Jahreszeiten, Katastrophen, Wachsen und Gedeihen, Blühen und Welken sowie Geburt und Sterben.“
Und doch zeigt ein Kreuzweg auch die dunklen Seiten menschlichen Lebens wie Hass und Gewalt, aber auch wieder Verzeihen und Versöhnung. Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung, heißt es in einem kirchlichen Leitwort.
Wie eine Bestätigung klingen da die Worte vom verstorbenen Pfarrer und Schriftsteller Martin Seidenschwang: „Am Kreuz kommt keiner vorbei, an den vielen an Feldern und Wegen, errichtet der Dankbarkeit wegen, als Trost in der Not, uns zum Segen“
„Wer an mich glaubt, nehme sein Kreuz täglich auf und folge mir nach.“
Matthäus 16, 24
In diesem Jahr wird es keine Kreuzweg-Andachten wegen der Corona- Pandemie geben. Dennoch ist der Inhalt eines Bibelzitates (Matthäus 16, 24) auf das Kreuz auch hier sehr aktuell: „Wer an mich glaubt, nehme sein Kreuz täglich auf und folge mir nach.“ Trost, Hoffnung, Erduldung und gemeinsamer Aufbruch, und für einander Zusammenstehen sind hier deutlich aufgezeigt.