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LICHTENFELS: Jugendsprache: „Ich tu fei chillen, Alter“

LICHTENFELS

Jugendsprache: „Ich tu fei chillen, Alter“

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    Die Sprache der Jugendlichen ist derzeit übersäht mit Dialekt und Anglizismen. Tut das der Schriftsprache gut?
    Die Sprache der Jugendlichen ist derzeit übersäht mit Dialekt und Anglizismen. Tut das der Schriftsprache gut? Foto: Corinna Tübel

    „Ich mache viel Sport, dass ich gesund bleibe.“ Oder „Ich mache viel Sport, damit ich gesund bleibe.“ Was ist richtig? Das ist schwierig, gell? Oder no chance?

    Umgangssprache, Dialekt und Anglizismen gehören zum Alltag der Erwachsenen ebenso wie zu dem der Jugendlichen – unabhängig von ihrem soziokulturellen Hintergrund. Die Herausforderung besteht nur darin, diese Einflüsse im mündlichen Gespräch dem Gegenüber anzupassen sowie in der Schriftsprache einzusparen – und das ist in den letzten Jahren schwieriger geworden.

    „Dialekt ist in allen Klassen komplett präsent. Zu den hier in Franken geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen kommen mittlerweile viele dazu, die noch nicht so lange in Deutschland sind und über den mündlichen Sprachgebrauch die Sprache gelernt haben. Die ist dann auch voll mit Dialekt und Umgangssprache“, erzählt Anna Friedrich.

    Die 33-Jährige unterrichtet seit zwei Jahren an der Herzog-Otto-Mittelschule in Lichtenfels und leitet eine 5. Klasse. Zusätzlich steht sie noch in den Jahrgangsstufen 8 und 9 vor heranwachsenden Schülern.

    Sie ist in Bamberg aufgewachsen und verwendet eine moderne, lockere Sprache – bunt gespickt mit allerlei neuartigen Ausdrücken. Sie weiß diese jedoch der jeweiligen Situation anzupassen. „Viele meiner Schüler nennen sich zum Beispiel gegenseitig Alter und Bruder, eine ganz normale Sache für sie. Viele tun das auch zu Hause mit älteren Personen. Wenn sie das aber mit – älteren - Respektspersonen außerhalb ihres privaten Umfelds machen, handeln sie sich Ärger ein – wegen vermeintlicher Respektlosigkeit.“

    Es kann auch zu Missverständnissen und Nachteilen kommen

    Doch es gibt auch andere Nachteile: Wörter wie „fei“ und „gell“ fänden sich auch in der Schriftsprache. In Schulaufsätzen oder Bewerbungen zum Beispiel. Viele Jugendliche kennen laut der Pädagogin eine Trennung zwischen mündlicher Gebrauchssprache und Schriftsprache gar nicht.

    Eine Unterrichtseinheit zu den trennbaren Verben habe beispielsweise selbstverständlich zu Tage gefördert: „Er tut den Tisch abwischen.“ Wie man es eben in lockeren Situationen sagt. Woran liegt dieses fehlende Verständnis?

    Die Sprache der Jugendlichen ist derzeit übersäht mit Dialekt und Anglizismen. Tut das der Schriftsprache gut?
    Die Sprache der Jugendlichen ist derzeit übersäht mit Dialekt und Anglizismen. Tut das der Schriftsprache gut? Foto: Corinna Tübel

    Anna Friedrich nennt mögliche Ursachen: Der Grammatikunterricht husche an vielen Schülerinnen und Schülern einfach vorbei. Ein anderer Faktor sei eine schwach ausgeprägte Lesefähigkeit Jugendlicher. „Ich stelle fest, dass viele wenig bis gar nicht in ihrer Freizeit lesen, und dass ihnen aber scheinbar auch nicht vorgelesen wurde zu Hause“, so Anna Friedrich.

    Sie habe im vergangenen Jahr in der 5. Klasse beispielsweise eine Buchvorstellung geplant, zu der viele Mädchen und Jungen jedoch das gleiche Buch aus dem Vorjahr gewählt hatten – „weil sie kein anderes kennen!“

    Schulen versuchen dieser Entwicklung durch gezielte Leseinitiativen entgegen zu wirken. An der Herzog-Otto-Mittelschule beispielsweise mit der in dem Schulgebäude befindlichen Außenstelle der Stadtbücherei Lichtenfels.

    „Du bist voll lost“ oder „Du bist voll krinch“

    Es sind aber nicht nur „fränkische Ausrutscher“, denen man in Klassenzimmern begegnet: „Du bist voll lost.“ – heißt so viel wie: „Du hast keine Ahnung, was wir da gerade machen.“ oder „Du bist voll krinch“ – übersetzt: „Du bist voll peinlich!“

    Für viele Jugendliche seien englische Wörter längst keine „englischen“ mehr. Sie sind in ihren normalen Sprachgebrauch übergegangen. Das gelte für Jungen und Mädchen gleichermaßen, unterschiedlich seien oftmals nur die Quellen.

    Männliche Jugendliche bezögen ihr Vokabular noch oft aus der Computerspielszene. Ein „Headshot aus Fortnite“ wird dann zum selbstverständlichen Begriff im Alltag auch für andere Gelegenheiten.

    Da es sich größtenteils um Online-Spiele handelt und die Kommunikation mit anderen Spielern auf Englisch stattfindet, seien hier viel mehr Berührungspunkte zu verzeichnen als noch vor zehn Jahren.

    Mädchen dagegen „kopieren“ viele Wörter und Ausdrücke aus ihren sozialen Netzwerken und den dortigen Kurz-Nachrichten. Eine „BFF“ ist dann eine beste Freundin für immer. Diese Abkürzung hat jedoch nichts in einem Schulaufsatz zu suchen. „Die richtige deutsche Bezeichnung kennen viele gar nicht mehr,“ so Anna Friedrich.

    „Früher“ sei es leichter gewesen, die Schriftsprache zu erlernen, denn es gab klare Vorbilder: Viele haben Bücher gelesen, deutsche Filme gesehen und dabei ganz natürlich gelernt, so Anna Friedrich.

    Heute sind Kinder in vielen Apps und sozialen Medien unterwegs

    Heute seien die Kinder in vielen verschiedenen Apps und sozialen Medien unterwegs. Diese unterlägen nicht nur unzähligen Spracheinflüssen, sondern seien gleichzeitig sehr undurchsichtig in Bezug auf die Fragen: Was ist noch gutes Deutsch? Was ist schon eingedeutscht? Was ist noch englisch?

    Die Pädagogin verweist auch auf sprachliche Einflüsse aus anderen Ländern. So stellt sie im Unterricht arabische Begriffe fest, welche aber auch etwa in ihrem privaten Umfeld bei gleichaltrigen Gymnasiasten im Teenageralter vermehrt auftreten: „Das arabische habibi zum Beispiel wird ganz oft als Koseform benutzt. Inschallah sagt man, wenn man hoffentlich meint.“

    Die Lehrerin glaubt weiter, dass auch solche Wörter, ähnlich wie anerkannte Anglizismen, in die deutsche Sprache hineinwachsen werden.

    Eine solche „Mehrsprachigkeit“ könne zur Chance werden – getreu dem Sprichwort „Je besser ich eine Sprache spreche, desto leichter kann ich andere Sprachen lernen“.

    Sprachvermischung kann auch Chance sein

    Aber es ist wichtig, zu wissen: Was ist die korrekte Sprache in der jeweiligen Situation? Notwendig sei, ein Bewusstsein für die eigene Sprache zu schaffen. „Es ist sehr wichtig, den Jugendlichen Wörter, die sie falsch verwendet haben, zu erklären und Alternativen zu geben – ohne Strafe. Wir sollten vermitteln, was eine korrekte Sprache in der jeweiligen Situation ist und das Stück für Stück.“

    Vieles, was Lehrkräfte oder Eltern als alltäglich erachten, habe für die nächste Generation schon keine Bedeutung mehr, keinen Berührungspunkt und folglich könne es auch kein Verständnis dafür geben, meint die Lehrerin.

    Deshalb gebe es inmitten dieser sprachlichen Entwicklungen die Chance, dass Lehrkräfte und Schüler von -und miteinander lernen. Sprache habe sich immer schon verändert und wird sich auch weiter verändern.

    Anm. d. Red.: Die Auflösung für das Einstiegsbeispiel lautet: „…damit ich gesund bleibe.“

    Ein Blick aus wissenschaftlicher Perspektive zu den Einflüssen auf die deutsche Sprache Professor Dr. Stefanie Stricker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Sie antwortet auf Fragen dieser Redaktion: OT: Wie ist „Muttersprache“ von „Dialekt“ und „Standardsprache“ abzugrenzen? Stricker: Muttersprache meint die vom Sprecher in der Kindheit in der Regel im Elternhaus erlernte Sprache. Dialekt meint dagegen die lokale Sprachvarietät. Man greift damit also eine bestimmte Sprachvarietät. Standardsprache ist im Unterschied zu Dialekt/Mundart oder Umgangssprache die gehobene Sprachvarietät, die standardisiert ist (erlernbaren Regeln folgt) und in offiziellen Kontexten verwendet wird (Nachrichtensprecher, Briefe an Behörden zum Beispiel). Welche Vermischungen von Standardsprache, Dialekt und anderen Fremdsprachen (Anglizismen zum Beispiel) beobachten Sie? Stricker: Anglizismen haben wir natürlich in großem Umfang in der Standardsprache, im Dialekt aber sehr reduziert. Natürlich ist auch da ein Einfluss nicht auszuschließen. Wie ist das zu bewerten? Welche Chancen und Risiken bewirken solche Vermischungen? Stricker: Diese Einflussnahmen würde ich nicht negativ bewerten. Sprachen verändern sich, nehmen fremden Wortschatz auf und geben ihn oft auch wieder auf. Die Sprache bleibt dennoch stabil. Durch Modeerscheinungen wie übertriebenen Gebrauch von Fremdwörtern wird sie nicht nachhaltig beeinflusst.

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