Liebe Leserinnen und Leser, natürlich wollte ich eigentlich nicht mit dem Corona-Virus anfangen, wo doch seit Wochen jeder und alles davon spricht … Aber dann muss ich daran denken, wie ich in den vergangenen Wochen versucht haben, mit Gemeindemitgliedern in Verbindung zu bleiben. Wie vor allem viele von Ihnen versuchen, „irgendwie über die Runden zu kommen“ mit der Betreuung der Kinder, dem (fehlenden oder unzulänglichen) Kontakt mit älteren oder ganz einfach „anderen“ Menschen. Welche Anstrengungen und Sorgen sich viele von Ihnen machen müssen, damit es mit der Arbeit klappt. Wie belastend vor allem die Ungewissheit wirkt, wie und wann es weitergehen soll.
Nun lese ich im Evangelium des kommenden Sonntags (Lukas 24, 13-35): Zwei Jünger Jesu sind auf dem Weg nach Emmaus. Doch nicht nur dorthin, sondern vor allem weg von Jerusalem! In ihrer Niedergeschlagenheit merken sie gar nicht, dass die Lösung, ja: dass der Erlöser ihnen ganz nahe ist.
Viele kompetente Leute überlegen zur Zeit, wann und wie ein „Neustart“ möglich ist. Das ist gut so. Ich überlege, wie mein Neustart aussehen kann, soweit ich das in der Hand habe: Ich möchte nicht einfach da weitermachen, wo und wie ich vor fünf Wochen abrupt aufgehört habe. Ich habe in diesen Wochen doch einiges dazugelernt: Was wirklich wichtig ist, worauf ich „auch danach“ verzichten kann und was ich mit der neuen Freiheit (über gute Vorsätze hinaus) nun wirklich und endlich konsequent tun will. Zumal ich überzeugt bin: Auch mir ist dieser Erlöser nahe. Selbst wenn ich ihn – wie die beiden – oft gar nicht wahrnehme.
Vielleicht haben auch Sie so manche Lehre aus dem gezogen, was über uns gekommen ist.
Die Emmausjünger sind bereits auf einem guten Weg, obwohl sie zunächst nur über das sprechen, was sie bedrückt. Ein Stück weit verarbeiten sie so, was ihnen zu schaffen macht. Uns allen tut es gut, nicht immer „die Starke oder den Starken zu spielen“, sondern auch einmal eigene Probleme zu „outen“. Bitte freilich ohne immer nur von unseren echten Sorgen und kleinen Wehwehchen zu sprechen.
Ob ich es schaffe, mich meinen Einsichten und Problemen ehrlich zu stellen statt sie wie gewohnt zu verdrängen?
Die beiden Jünger erzählen es nicht nur einander, sondern auch dem Anderen, dem Fremden, der mit ihnen den gleichen Weg geht. So erfahren sie auch die Sichtweise eines anderen, eines Außenstehenden. Sie erzählen einander und dem zunächst Unerkannten übrigens auch von ihren schönen Erlebnissen und von ihren sich darauf gründenden Hoffnungen. Vielleicht wird ihnen jetzt erst so richtig klar, wie reich beschenkt ihr Leben durch diesen Jesus war. Obwohl doch augenscheinlich nicht alles so lief, wie sie es für sich erhofft hatten.
Zurückblickend sehe ich – leider – so manches Defizit, auch an mir selbst. Aber doch auch viel Freude, Erfolg, Geschenktes. Das macht mich dankbar. Sie auch? Rufen wir uns doch überstandenes Schweres und erlebtes Gutes immer wieder ins Gedächtnis und erzählen davon zum Beispiel den eigenen Kindern. Auch das bringt uns einander näher.
Als die beiden Emmausjünger erfassen, was Jesus „jetzt erst Recht“ bedeutet und dass ihr Vertrauen in ihn nach wie vor begründet ist, kehren sie sofort um. Sie wollen die anderen Jünger durch ihre neue Lebensfreude und Glaubenshoffnung ermutigen, werden dabei aber selbst – unerwarteter Weise – von diesen ermutigt.
Natürlich wollte ich eigentlich nicht das Corona-Virus erwähnen. Doch es hat mir gezeigt: Auf Gott und auf Menschen zugehen, sich Gott und Menschen öffnen, tut mir gut. Nicht nur „wegen Corona“, nicht nur zu Corona-Zeiten. Es macht unser Leben vielleicht nicht einfacher, aber reicher.
Ich wünsche auch Ihnen diese nach-österliche Emmaus-Erfahrung!