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LICHTENFELS: Bohnberg: Die Solarlüge der AfD Lichtenfels

LICHTENFELS

Bohnberg: Die Solarlüge der AfD Lichtenfels

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    Für den „Raiba Solarpark Bohnberg“ ist der Anschlusspunkt bereits gesichert. Auch sonst kann eine Gemeinde nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden, denn der Anschlusspunkt ist alleinige Aufgabe des Betreibers. Fotomontage: Markus Drossel
    Für den „Raiba Solarpark Bohnberg“ ist der Anschlusspunkt bereits gesichert. Auch sonst kann eine Gemeinde nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden, denn der Anschlusspunkt ist alleinige Aufgabe des Betreibers. Fotomontage: Markus Drossel

    Auf einem Flurstück nahe des Weilers Bohnberg soll eine Photovoltaik-Freiflächenanlage entstehen: Der Stadtrat hat in seiner Februar-Sitzung mehrheitlich dafürgestimmt, den nächsten Schritt in Richtung Realisierung zu gehen. AfD-Stadträtin Heike Kunzelmann fand bei der Diskussion im Sitzungssaal des Rathauses II mahnende Worte: „Im Itzgrund“ habe eine Kommune eine solche Solaranlage genehmigt, aber nicht für den Anschlusspunkt gesorgt – und sei nun schadensersatzpflichtig. Doch stimmt das? – Ein Faktencheck.

    AfD verweigert Stellungnahme

    Disse Redaktion fragte bei AfD-Stadträtin Heike Kunzelmann nach, gab ebenso dem Kreisverband Lichtenfels der „Alternative für Deutschland“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu den getroffenen Aussagen im Stadtrat – zwei Mal. Eine Antwort erhielt das Obermain-Tagblatt jedoch leider nicht.

    Deshalb begab sich das OT selbst auf Spurensuche, zu allererst in der Gemeinde Itzgrund. Geschäftsleiter Niko Weidner, der erst seit wenigen Wochen im Dienst ist, reagierte überrascht. Er hielt auf die Anfrage hin Rücksprache mit seiner Chefin Nina Liebermann. Kurze Zeit später dann seine Antwort: „Der Fall ist weder Frau Bürgermeisterin noch mir bekannt“, sagt er. „Möglicherweise bezog sich die von Ihnen zitierte Aussage auf die geographische Region des Itzgrunds und nicht auf die politische Gemeinde.“

    Scheerbaum: nichts bekannt

    Möglicherweise war also Heike Kunzelmann nur unpräzise mit ihrer Aussage. Vielleicht also meinte Kunzelmann die Gemeinde Rattelsdorf, deren Musikverein gerne als besser als „Itzgrunder Musikanten“ bekannt ist? Hans-Jürgen Scheerbaum, Bürgermeister des Marktes Rattelsdorf, nimmt auf Nachfrage dieser Redaktion Stellung. „In der Gemeinde Rattelsdorf gibt es nur eine Freiflächen-PV-Anlage. Diese entstand allerdings durch eine Privatinitiative“, sagt er. „Der Betreiber hat sich damals um Alles selbst gekümmert und die Gemeinde hat lediglich Baurecht erteilt.“ Von etwaigen Schadensersatzforderungen sei nichts bekannt.

    Scheerbaum geht noch weiter: „Aus meiner Sicht ist das auch gar nicht möglich. Jeder Bauantrag wird, ähnlich wie bei uns, wohl eingehend vom Bauamt geprüft.“ Er gehe davon aus, dass jedes Bauamt beziehungsweise jede Bauabteilung die Voraussetzungen, auch für einen Einspeisepunkt, prüfe. „Da geht es ja auch um Bauleitplanung“, betont er. Vom Beschluss zur Aufstellung bis zum Feststellungsbeschluß gebe es etliche Schritte einzuhalten. „Es ist kaum anzunehmen, dass ein kommunales Bauamt oder die Rechtsaufsicht – mit Verlaub – ,so dämlich‘ ist, so etwas im Vorfeld nicht zu erkennen.“

    Kein Treffer in Großheirath

    Rattelsdorf also auch nicht. Vielleicht also Großheirath, ebenfalls im Itzgrund gelegen, etwa zwölf Kilometer südlich von Coburg? Diese Redaktion fragte auch dort im Rathaus nach. Die Antwort ist ebenso knapp wie eindeutig: „Von einem derartigen Vorfall ist mir weder in unserer noch in einer anderen Gemeinde etwas bekannt“, unterstreicht Bürgermeister Udo Siegel.

    Die Gemeinde Untersiemau liegt am Ostrand des Itzgrunds. Vielleicht meinte AfD-Kreisrätin ja diese? – „Ich kann die Aussage von Frau Kunzelmann nicht nachvollziehen“, sagt Rolf Rosenbauer. Warum? „Es gibt keinerlei Rechtsanspruch, dass die Gemeinde für einen Anschlusspunkt zu sorgen hat. Das ist Sache des Netzbetreibers.“ Zwei Photovoltaikanlagen gibt r es im Gemeindegebiet Untersiemau: „Für die eine Anlage, zwischen Unterisemau und Obersiemau, wurde ein bestehendes Kabel der SÜC genutzt. Für die andere Anlage wurde ein neues, langes Kabel gezogen.“ Und: „Die Aufgabe einer Gemeinde ist es lediglich, das Bauleitverfahren zu betreiben, also ein Sondergebiet auszuweisen. Somit kann sie auch niemals für eine fehlende Anschlussmöglichkeit in Regress genommen werden.“

    Erstaunen im Landratsamt

    Nächster Anlaufpunkt: die Pressestelle am Landratsamt Coburg. Als den Städten und Gemeinden übergeordnete Behörde muss man dort doch etwas wissen... oder? Auch hier ist das Erstaunen groß. Berthold Köhler von der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit jedoch verspricht, sich kundig machen zu wollen.

    Nach wenigen Stunden dann das Resultat der hausinternen Recherche: „Im Geschäftsbereich Bauen und Umwelt am Landratsamt Coburg ist kein derartiger Fall aus dem Landkreis Coburg bekannt.“ Auch im Sachgebiet Kommunalwesen weiß man nichts dergleichen.

    Anschluss Bohnberg geregelt

    Zurück zum konkreten Fall „Raiba Solarpark Bohnberg“. Hier ist Oliver Partheymüller als Beauftragter für die Raiffeisenbank Küps-Mitwitz-Stockheim eG der zuständige Projektentwickler. Er legt dieser Redaktion ein Schreiben der Bayernwerk Netz GmbH Regensburg vom 17. Oktober 2023: Bereits zu diesem Zeitpunkt sind der Netzanschlusspunkt und die Einspeisezusage am Umspannwerk Redwitz vom geklärt.

    Mehr noch: „Mit dem Bayernwerk haben auch Ortstermine zur Trassenführung am und im Umspannwerk stattgefunden“, betont er. „Die technischen Einrichtungen zur Anschaltung im Umspannwerk Redwitz wurden aufgrund der heutigen Lieferzeiten bereits von der Raiffeisenbank Küps-Mitwitz-Stockheim eG bestellt.“

    Zur Aussage von AfD-Stadträtin Heike Kunzelmann merkt der Experte an: „Für die Stadt Lichtenfels gibt es hierzu keine Verpflichtungen beziehungsweise Risiken.“

    Meinung

    Nur ein Lapsus?

    Von Markus Drossel markus.drossel@obermain.de

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    Hat sich Heike Kunzelmann mit ihrer Aussage im Stadtrat einfach nur vertan, vielleicht in all der Aufregung – oder war es eine bewusste Lüge, die den Stadträtinnen und Stadträten um Bürgermeister Andreas Hügerich aufgetischt wurde? – Es wäre ein leichtes gewesen, sich auf Nachfrage dieser Redaktion zu rühren und für ein etwaiges Versehen zu entschuldigen: Fehler können jedem mal unterlaufen. Stattdessen schweigen Partei und Stadträtin – vermutlich, weil sie genau wissen, dass sie beim Lügen ertappt wurden. Ihre mutmaßlich bewusst gestreuten Unwahrheiten haben sie ja bereits an den Mann oder die Frau gebracht: Die Zuhörenden im Stadtrat haben ihre vermeintlichen Fakten ebenso vernommen wie die Mitglieder des Gremiums und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung.  Wenn zumindest der ein oder andere diesen nachweislich falschen Aussagen Glauben schenkt, hat die AfD ihr Ziel erreicht, hat einmal mehr erfolgreich gegen regenerative Energien agiert. Befremdlich wirkt in diesem Zusammenhang, dass die anderen Stadträtinnen und Stadträte nicht an den Behauptungen zu zweifeln schienen, dass sie nicht sogleich energisch interveniert haben, nicht ihre Skepsis darlegten und die Verwaltung nicht vehement mit der Überprüfung beauftragten. Ein beherzter Fakten-Check hat noch nie geschadet – vor allem nicht bei selbsternannten Alternativen.

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