Wie man sich einen FDP-ler klischeehaft vorstellt, erscheint Kevin Blechschmidt zum Interview: mit Anzug und Krawatte, die Frisur sitzt. Was der der Direktkandidat der Freien Demokraten für die Bundestagswahl am 23. Februar gleich zu Beginn erzählt, passt aber gar nicht ins Klischee: Der gebürtige Kulmbacher stammt aus einfachen Verhältnissen und hat nach einer „holprigen“ Schullaufbahn eine bemerkenswerte berufliche Karriere hingelegt.
Leidenschaft entfacht
Blechschmidt, Sohn einer Thailänderin und eines Deutschen, ist in Kulmbach geboren und auch in die Grund- und Hauptschule gegangen. „Ich war kein besonders engagierter Schüler.“ Aber der Systemadministrator der Hauptschule entfacht beim elfjährigen Kevin eine Leidenschaft: das Programmieren. Er gibt Interessierten IT-Unterricht. „Er hat uns abgeholt!“ Die Lehrkraft erklärt auch den Aufbau von Websiten, erzählt Unternehmensgeschichten, anderem von Microsoft und Apple. Der erste Kontakt zu Firmen. Nach dem Quali packt den Jugendlichen der Ehrgeiz, er geht an die Private Wirtschaftsschule in Bayreuth, besteht die Mittlere Reife. „Hier habe ich erstmals die Zusammenhänge von Wirtschaft und Politik erkannt.“ Er entwickelt ein Gefühl für die Soziale Marktwirtschaft. Er setzt das Fachabitur noch drauf, mit dem Schwerpunkt Pädagogik und Psychologie - also eine ganz andere Richtung. „Ohne Hilfe von daheim“, da in der Familie niemand einen höheren Abschluss als Mittlere Reife gemacht habe. In der Zeit an der Fachoberschule (FOS) Kulmbach absolviert Blechschmidt Praktika an Förderschulen, Behinderten-Einrichtungen etc.. Seitdem habe er größten Respekt für Lehrkräfte und Betreuer. Er habe aber auch gelernt: „Das ist nichts für mich.“

Während der Ausbildung zum Industriekaufmann bei Maja Möbel (Kasendorf) kommt der Kulmbacher zurück auf sein Hobby, das Programmieren. Er optimiert für das inzwischen geschlossene Werk die digitalen Prozesse, schreibt ein Programm für die Lagerhaltung. Der Software-Entwickler ist „geboren“. Der Autodidakt wechselt zum Software-Hersteller DC AG nach Kulmbach, wo er nach einem Jahr ein Projektteam übernimmt. Und er gründet mit einer ehemaligen Kollegin ein eigenes Start-up für Unternehmenssoftware, Bereich Digitalisierung. Seit dem 1. Januar 2025 arbeitet Blechschmidt für die Inuwat AG (Umwelttechnik) in Kasendorf, unterstützt den Ausbau der Digitalisierung.
Während der Flüchtlingskrise 2015 und dem Erstarken der rechtsextremen Kräfte erwacht bei dem Kulmbacher, der ja selbst einen Migrationshintergrund hat, das Interesse an gesellschaftlichen Entwicklungen, begreift er, „wie weit politische Entscheidungen greifen und dass in Berlin nicht alles funktioniert“. Damals hat er noch keine Präferenz für eine Partei. An der Fachoberschule, wo er während dieser zeit das Abitur abgelegt hat, sind die meisten Mitschüler eher links eingestellt. Er habe Verständnis für deren Meinungen aufgebracht, aber bei ihm reift die Erkenntnis: „Ich will nicht, dass der Staat alles reguliert.“
Erst wesentlich später mündet seine liberale Haltung in den Eintritt in die FDP (Ende 2022), wo er sowohl bei den Jungliberalen (Julis) als auch im Kulmbacher Kreisverband aktiv ist. Der Kulmbacher Kreisvorsitzende Thomas Nagel und weitere Mitglieder können ihn nach dem Zusammenbruch der Ampel für eine Bundestagskandidatur erwärmen (Nominierung 8. Dezember 2024).
Als seine Hauptthemen nennt der 28-Jährige Wirtschaft, Digitalisierung und Migration. Zum letzten Punkt betont er die Notwendigkeit einer gesteuerten Zuwanderung: „Wir brauchen schlaue Köpfe!“ Damit diese nach Deutschland kommen, müssten die Bedingungen verbessert werden, um im Wettbewerb mit anderen Ländern zu bestehen. Wie auch für andere Themen fordert er deshalb einen Bürokratieabbau, damit sie für ausländische Fachkräfte nicht abschreckt. Zudem müssten die Steuern („Wir haben die höchsten“) und Sozialabgaben gesenkt, nicht wie von Robert Habeck jüngst gefordert, erhöht werden. „Wir haben kein Problem mit dem Brutto-, sondern mit dem Nettogehalt. Das ist nicht attraktiv.“
Die irreguläre Migration will der Liberale bekämpfen, aber nicht mit Methoden, wie es die AfD fordert, sondern nach europäischen Regeln. Zum Beispiel hält er es durchaus für rechtens, dass Ausreisepflichtigen die Sozialleistungen gekürzt werden. „Dann würden auch viele gehen.“ Und beschlossene Abschiebungen müssten intensiviert werden.
„Nazikeule“ kein Argument
Was Kevin Blechschmidt besonders nervt, ist der Hass und die Spaltung die vor allem von der AfD auf die Straße (ins Netz) getragen werden. Aber auch die heutige gängige Praxis, dass andere Meinungen nicht akzeptiert, sondern mit der „Nazikeule“ runter gebügelt werden. Das schade der Kommunikationskultur, das schade der Demokratie.
In seinem Wahlkreis will der FDP-ler der Abwanderung der Menschen und Firmen entgegenwirken. Dafür bedürfe es einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit Universitäten und der Steigerung von Bildungsangeboten allgemein. Er wünscht sich mehr freie Hand für Schulleitungen bei der Unterrichtsgestaltung. „Das könnte den Unterschied ausmachen.“ Wichtig seien zudem Steuersenkungen, auch Kommunen könnten den Standort über die Gewerbesteuer attraktiver machen.
Der 28-Jährige appelliert, in der derzeitigen Wirtschaftskrise nicht nach Schuldigen zu suchen. Es seien bereits viele Reformen erfolgt oder angestoßen worden, aber der Staatsapparat sei zu groß, zu unbeweglich und somit zum Teil handlungsunfähig.
Um die Arbeitslosigkeit zu verringern, müssten die Unternehmen durch Steuersenkung und Bürokratieabbau, gestärkt werden wiederholt er gebetsmühlenartig. Deshalb positioniere sich die FDP gegen weitere lähmenden Richtlinien wie das Lieferkettengesetz. „Wir sind nicht alleine auf der Welt!“ Angesichts der Gefahren (USA, China, Ukraine-Krieg) für die Wettbewerbsfähigkeit müsse die EU selbstständiger werden.
Vehement tritt der Kandidat, wie zu erwarten, für die Schuldenbremse ein. Die Bundesrepublik nehme eine Billion Euro im Jahr an Steuern ein. „Der Staat schafft es aber nicht, damit auszukommen“. Der müsse aber nicht überall dabei sein!
Das Bürgergeld sei immer noch zu hoch. Wer arbeite müsse mehr verdienen als die Bürgeld-Empfänger bekommen. In Sachen Umweltpolitik fordert Blechschmidt die Unterstützung von erneuerbaren Energien, aber auch die Offenheit für neue Technologien (ohne Prioritäten), „sonst forschen unsere schlauen Köpfe künftig in anderen Ländern.“
Zum Schluss grenzt sich der Kulmbacher entschieden von der AfD: „Sie ist keine Alternative. Sie schadet unserem Land, parlamentarisch und außerparlamentarisch. Sie wollen nur Chaos stiften.“ Er ist gegen ein Verbot. Nicht alle AfD-Wähler seien aber Nazis. Man müsse den Leuten mit ihren Sorgen und Nöten zuhören und Lösungen anbieten.
Kevin Blechschmidt Geboren: 13. Juni 1996 Beruf: Software-Entwickler Familienstand: verlobt Partei: FDP, seit Ende 2022 Ämter: stellvertretender Vorsitzender des FDP-Kreis- und des Ortsverbandes Kulmbach sowie der JuLis Kulmbach; Vorstandsmitglied der Freunde der Plassenburg e.V. Hobbys: Programmieren, Spazierengehen (meist mit Hund) Lieblingsessen: Lasagne