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LICHTENFELS: CHW-Vortrag: Der Aufstieg der Nazis in Oberfranken

LICHTENFELS

CHW-Vortrag: Der Aufstieg der Nazis in Oberfranken

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    Der CHW-Vorsitzende, Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold, befasste sich in einem Online-Vortrag mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Oberfranken.
    Der CHW-Vorsitzende, Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold, befasste sich in einem Online-Vortrag mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Oberfranken. Foto: Alfred Thieret

    Im Rahmen der Online-Vortragsreihe des Geschichtsvereins Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) referierte dessen Vorsitzender, Bezirksheimatpfleger Prof. Günter Dippold, über den Aufstieg des Nationalsozialismus in Oberfranken. Sage und schreibe 278 interessierte Zuhörer hatten sich zugeschaltet.

    Anlässlich der Machtergreifung Adolf Hitlers durch die Ernennung zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 errichtete der Lichtenfels Bauunternehmer Hans Diroll (1871-1949) und Landtagsabgeordneter (BVP) im März 1933 dieses Denkmal.
    Anlässlich der Machtergreifung Adolf Hitlers durch die Ernennung zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 errichtete der Lichtenfels Bauunternehmer Hans Diroll (1871-1949) und Landtagsabgeordneter (BVP) im März 1933 dieses Denkmal. Foto: red

    Der Aufstieg begann bereits wenige Wochen nach Ende des Ersten Weltkrieges im Januar 1919 mit der Gründung der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) in München, die sich 1920 in NSDAP umbenannte, seit 1921 stand Adolf Hitler an deren Spitze. Reichsweit bekannt wurde die Partei durch den Hitlerputsch vom 9. November 1923, wobei Hitler General Erich Ludendorff zur Seite stand. Hitler wurde lediglich zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt, seine Partei verboten, aber schon im Februar 1925 wieder gegründet. Errang die NSDAP 1928 lediglich zwölf der 491 Reichstagssitze, so wurde sie während der Weltwirtschaftskrise zur Massenpartei. Schon 1930 entsandte sie 107 Abgeordnete in den Reichstag und wurde im Juli 1932 mit 230 Mandaten zur stärksten Fraktion. Endpunkt des verhängnisvollen Aufstiegs bildete der Auftrag des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zur Regierungsbildung an Adolf Hitler am 30. Januar 1933.

    Der Aufstieg verlief nicht überall gleich

    Der Aufstieg war zwar ein reichsweites Phänomen, aber er verlief nicht überall gleich. Oberfranken gehörte zu den für die NSDAP erfolgreichsten Regionen, obwohl es auch hier erhebliche Unterschiede gab, stellte Prof. Dippold klar. Nach dem Krieg zersplitterten die politischen Parteien, ebenso auch die republikfeindlichen Kräfte, der NSDAP gelang es aber, die anderen zu verdrängen. Die demokratischen Kräfte hatten es von Anfang an nicht leicht, lastete doch auf der Weimarer Republik mit der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches, mit Reparationen, Gebietsverlusten und wirtschaftlichen Krisen eine gewaltige Hypothek.

    Zwei interessante Wahlplakate aus Michelau zur Reichspräsidentenwahl 1932, deren abgedruckte Wünsche kurzzeitig in Erfüllung gingen: „Wählt unsern Besten (Hindenburg)“ und „Schlagt Hitler - Deshalb wählt Hindenburg“.
    Zwei interessante Wahlplakate aus Michelau zur Reichspräsidentenwahl 1932, deren abgedruckte Wünsche kurzzeitig in Erfüllung gingen: „Wählt unsern Besten (Hindenburg)“ und „Schlagt Hitler - Deshalb wählt Hindenburg“. Foto: red

    Die junge Republik wurde von zwei Lagern angefeindet, von den äußersten Linken und von den Rechten. Auf der extrem Rechten stach zunächst der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund hervor, geleitet von General Konstantin von Gebsattel. Die reichsweite aktive Organisation wurde im Frühjahr 1919 in Bamberg ins Leben gerufen und war geprägt von nationalistischen Ideen. Die Coburger Gruppe organisierte am 14./15. Oktober 1922 einen Deutschen Tag, zu dem auch Hitler mit einer Musikkapelle und rund 650 SA-Leuten erschien, die linke Proteste niederprügelten.

    Das Coburger Treffen war der entscheidende Durchbruch

    Für die NSDAP bedeutete das Coburger Treffen den entscheidenden Durchbruch. Schlagartig rückte sie in Franken zur wichtigsten völkischen Gruppierung auf. Einige Tage vorher hatte sich in Kulmbach eine Ortsgruppe gebildet, die schnell auf 300 Mitglieder anwuchs und am 12. August1923 zusammen mit anderen Verbänden einen „Deutsch-Völkischen Tag“ veranstaltete, zu dem 6500 Menschen strömten. Im September und Oktober 1923 fanden „Deutsche Tage“ in Hof, Bayreuth und Bamberg statt. In Hof erschienen 75 000 Menschen und Hitler nahm zusammen mit Admiral Reinhard Scheer eine Parade ab. Der Bamberger Bürgermeister Adolf Wächter versuchte dagegen die Durchführung eines „Deutschen Tages“ zu verhindern, allerdings erfolglos.

    Auch in anderen Ländern wie Italien, Spanien, Türkei und Bulgarien setzten sich nationale Tendenzen durch. Rückstände bei Reparationsleistungen boten Frankreich und Belgien 1923 den Vorwand, ins Ruhrgebiet, dem Zentrum der deutschen Schwerindustrie einzumarschieren, was die Volkswirtschaft schwächte. Die Geldentwertung steigerte sich zur Hyperinflation. Im Bürgertum wuchs die antirepublikanische Stimmung und steigerte sich noch, nachdem in Thüringen und Sachsen die SPD mit der KPD eine Koalition einging.

    Ein evangelischer Dorfpfarrer an der Spitze

    In Oberfranken zeigte sich die Vielgestaltigkeit nationalistischer, völkischer Bewegungen. Unter anderem etablierte sich hier der Jungdeutsche Orden. An der Spitze der Ballei Franken, die ihren Schwerpunkt im Raum Coburg hatte, stand der evangelische Dorfpfarrer Helmuth Johnson in Gauerstadt bei Rodach, dessen Ballei (Bezirk) einen antisemitischen, antikatholischen und völkischen Kurs verfolgte und im April 1923 1800 Mitglieder zählte.

    Die hohe Akzeptanz völkischer Bewegungen in und um Coburg war nicht zuletzt die Folge der Sympathie, die die herzogliche Familie für solches Gedankengut und seine Vorkämpfer an den Tag legte. Carl Eduard, der letzte Coburger Herzog, war in England geboren und aufgewachsen. Als er 1905 die Regierungsgeschäfte übernahm, war er zum flammenden Nationalisten geworden. In den frühen 1920er Jahren bildete das herzogliche Haus einen Kristallisationspunkt für republikfeindliche und antisemitische Kräfte.

    1930 gelang der NSDAP der reichsweite Durchbruch

    Kaum wieder zugelassen (im Februar 1925), vermochte es die NSDAP offenkundig die übrigen völkischen Gruppierungen weitgehend zu verdrängen, stellte Dippold fest. Bei der Reichstagswahl 1930 gelang der NSDAP der reichsweite Durchbruch. Auf kommunaler Ebene erzielte die Partei bereits früher Erfolge, wobei sich Coburg als Vorreiter erwies.

    Der Führer der Coburger Nationalsozialisten, der einstige Marinesoldat Franz Schwede suchte sich ständig Feindbilder, wobei ihm seit Juni 1926 ein eigenes Presseorgan, „Der Weckruf“, zur Verfügung stand. Daraus entwickelte sich 1930 mit der „Coburger National-Zeitung“ eine Tageszeitung voller antisemitischer Hetze.

    Saalschlacht in Schney

    Das hauptsächliche Hassobjekt Schwedes war Abraham Friedmann, der Generaldirektor einer Fleischfabrik. Im April 1931 wurde Schwede Zweiter Bürgermeister, im Oktober Erster Bürgermeister von Coburg, der erste braune Bürgermeister einer größeren Stadt. Reichsweites Aufsehen machte der Auftritt des oberfränkischen Gauleiters Hans Schemm in der roten Hochburg Schney am 30. September 1929. Durch seine demagogischen Angriffe auf die SPD provozierte Schemm eine Saalschlacht, bei der sich die Nationalsozialisten als kampferprobte Truppe erwiesen und viele SPD-Anhänger verletzten.

    Die NSDAP überragte die übrigen Parteien mehr und mehr an Aktivität. Selbst im Bezirksamt Lichtenfels, das keine braune Hochburg war, fanden 1932 unzählige Versammlungen statt, die meisten von der NSDAP. Schemm, der vor dem 1. Weltkrieg in Neufang bei Wirsberg an der einklassigen Dorfschule und später an der Volksschule in Bayreuth unterrichtete und seit 1928 im Landtag und ab 1930 zusätzlich im Reichstag saß, nahm Lehrerkollegen und evangelische Geistliche für sich ein, darunter die Pfarrer von Grafengehaig, Neudrossenfeld und Kasendorf.

    In Herreth wählten nur zwei nicht die NSDAP

    Vor allem wo die evangelische Bevölkerung überwog, war in der Regel der Stimmenanteil der NSDAP hoch. In Kulmbach errang sie bei der Reichstagswahl im Juli 1932 die Hälfte der Stimmen, in Wirsberg zwei Drittel. Bei der letzten halbwegs freien Reichstagswahl im März 1933 votierten in Lahm im Itzgrund 85 Prozent der Wähler für die NSDAP, in Gemünda 94, in Welsberg 96, in Gleußen 97 Prozent. In Herreth stimmten sogar 163 der 165 Wähler für die NSDAP. In den meisten katholischen Landorten dominierte dagegen weiterhin die Bayerische Volkspartei (BVP). Sie brachte es in Ebensfeld auf 52, in Uetzing und Seßlach auf 53, in Schwabthal auf 83, in Wolfsdorf auf 84 Prozent.

    Überhaupt war der Einfluss der Ortsgeistlichen auf die Wähler erheblich. So trat der katholische Pfarrer von Kleukheim als erklärter Feind der BVP für die DNVP ein, die ansonsten in katholischen Landgemeinden kaum gewählt wurde, bei der Reichstagswahl 1930 aber dort zwei Drittel der Stimmen erhielt.

    Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges errichtete der Lichtenfelser Bauunternehmer Hans Diroll ein Mahnmal für den Versailler Frieden.
    Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges errichtete der Lichtenfelser Bauunternehmer Hans Diroll ein Mahnmal für den Versailler Frieden. Foto: red

    Trotz allem herrsche kein Automatismus zwischen Konfession und Wahlverhalten. So erzielte im katholischen Staffelstein bei der Reichstagswahl 1930 die NSDAP rund 35 Prozent, fast doppelt so viel wie im Reichsdurchschnitt und im Juli 1932 entschieden sich dort mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten für die NSDAP. Der Grund war ein Richter am Amtsgericht Staffelstein, der als Respektsperson galt und wiederholt als Propagandaredner auftrat. Personen waren also hier entscheidend über Erfolg oder Misserfolg. So bestand im katholisch bestimmten Weismain eine überaus aktive Ortsgruppe der Nationalsozialisten, wobei der Kreisleiter Lorenz Kraus, Bruder und leitender Angestellter des größten Arbeitgebers am Ort, einem Wurstfabrikanten, eine wichtige Rolle spielte. Hier erreichte die NSDAP bei der Reichstagswahl von 1928 schon 33 Prozent, im Reich waren es damals knapp drei, in Oberfranken knapp elf Prozent.

    Der Schulterschluss mit den alten Eliten

    Was der NSDAP half war der Schulterschluss mit den alten Eliten, sowohl in der Frühzeit als auch in den ersten Monaten nach der Machtergreifung, hob der Referent hervor. Dies galt sowohl für Hindenburg als auch für Herzog Karl Eduard. Als das Regime fest im Sattel saß, verübten die Parteifunktionäre aus der Position der Macht heraus, gestützt auf eine willige öffentliche Verwaltung, Verbrechen, und sie geschahen für jedermann erkennbar, unterstrich Prof. Dippold.

    Man sah 1933 die blutig geschlagenen Sozialdemokraten oder BVP-Funktionäre. Später erfuhr man von Zwangssterilisierungen und von der T4-Aktion (Euthanasie). Die Entrechtung von Juden, ihre Verdrängung aus dem Wirtschaftsleben, die alltägliche Gewalt gegen sie, die Untaten der Pogromnacht im November 1938 geschahen vor aller Augen und der Abtransport zu den Gaskammern fand bei Tage statt, machte der Referent deutlich.

    Zum Schluss stellt sich die Frage: Wie geht man mit solcher Geschichte um? Es sei wichtig, das Geschehene zu erforschen, Mechanismen von Verführung und Verführbarkeit erkennbar zu machen. „Wir tragen alle Geschichte mit uns herum, ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht. Deshalb ist es wichtig, diese Geschichte zu durchdringen und ins Bewusstsein zu stellen“, verdeutlichte Prof. Dippold abschließend.

    Der Vortrag steht online unter dem Link vimeo.com.

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