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LICHTENFELS: Colloquium Historicum Wirsbergense wird 100 Jahre alt

LICHTENFELS

Colloquium Historicum Wirsbergense wird 100 Jahre alt

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    Dr. Eduard Margarie begründete durch sein Engagement das "Colloquium Historicum Wirsbergense" und fungierte fast vier Jahrzehnte als CHW-Vorsitzender.
    Dr. Eduard Margarie begründete durch sein Engagement das "Colloquium Historicum Wirsbergense" und fungierte fast vier Jahrzehnte als CHW-Vorsitzender. Foto: CHW Archiv Weismain Repro

    Bräuche, Siedlungshistorie, heimische Mundarten, von humorvoll bis zu den dunklen Kapiteln der Vergangenheit – wer sich für die regionale Geschichte interessiert, hat immer einen wachen Blick auf das aktuelle Programm des „Colloquium Historicum Wirsbergense“

    Nun feiert das CHW, wie der Verein von den Geschichtsinteressierten kurz genannt wird, einen „Runden“. Das CHW ist in diesem Jahr genau hundert Jahre jung, hat seine Grundintention beibehalten, aber sich immer wieder neu erfunden. Der heutige Vorsitzende des CHW und Bezirksheimatpfleger, Prof. Dr. Günter Dippold, freut sich über die Beliebtheit der Veranstaltungen des Vereins. Im Gespräch mit ihm wird aber auch deutlich, dass die überaus positive Entwicklung des CHW kein Selbstläufer war.

    Dr. Eduard Margarie als Initiator

    Man schrieb das Jahr 1924, als die damals unbefriedigende Pflege der Heimatgeschichte Dr. Eduard Margarie dazu animierte, zehn Männer ins Wirsberger Hotel Post einzuladen. Die Geburtsstunde des CHW an jenem 29. Juli war getragen vom „hehren Anliegen, eine ernsthaft zu betreibende heimatgeschichtliche Unterweisung und Forschung zu unterhalten“, wie es in früheren CHW-Chronikschriften heißt. Rückenwind erhielt das Vorhaben durch den wissenschaftlich ausgerichteten wie leidenschaftlich für die Sache agierenden Geistlichen Rat und Dekan Johannes Schlund.

    Margarie, der selbst in 39 Jahren als Vereinsvorsitzender einen unschätzbaren Beitrag geleistet hatte und durch den das anfangs zarte Pflänzchen CHW kräftige Wurzeln bekam, beschrieb den verdienten Geistlichen Schlund als „unvergesslich mit seinem gesunden Humor, seinem unverfälschten oberfränkischen Dialekt und seinem blauen Schnupftabakstaschentuch.“

    Schon in den 1920er-Jahren war beim noch jungen Verein eine Aufwärtsentwicklung zu beobachten. Das im Vereinsnamen enthaltene „Colloquium“ bedeutet Gespräch. Das Bestreben, dieses zwischen all jenen zu fördern, denen die regionale Historie etwas bedeutet, wurde praktisch in die Tat umgesetzt. In den frühen Chroniken finden sich Berichte über einen organisierten Besuch der Meranierburg Fürstenau bei Altenplos im Landkreis Bayreuth oder einen Ausflug nach Veitlahm und Wernstein mit Besichtigung der Künßberger Burg. Schließlich bat der Bauunternehmer Hans Diroll die engagierten CHW-Macher darum, auch den Lichtenfelser Raum einzubinden, da man dort in der Mitte zwischen Bamberg und Bayreuth liege und keine Verbindung zu geschichtlich interessierten Kreisen habe.

    Darauf abzielend und quasi eine neue Stufe in der Weiterentwicklung des CHW einläutend fanden am 13. Juni 1938 ein Vortrag von Oskar von Schaumberg über den Kastenhof und die alte meranische Burg von Lichtenfels sowie am Nachmittag eine Besichtigung der Reste des einstmals so bedeutsamen Meranier-Klosters Langheim statt. Genannter Diroll sowie als weiterhin in früheren Jubiläumsschriften genannte Mitstreiter Martin Kuhn, ein Kunstmaler Max Schnös sowie Oberlehrer Andreas Dück entwickelten in der Folge ein selbstständiges CHW-Programm mit Vorträgen und Führungen. Die Mischung aus Theorie, Anschauung und Praxis bewährte sich und bestimmt bis heute die Arbeit des CHW.

    Was folgte, war eine Entwicklung, welche die Gründungsväter seinerzeit wohl nicht für möglich gehalten hätten. Beim „40-Jährigen“ 1964 zählte das CHW 250 Mitglieder, heute kratzt man bereits an der 2000er-Marke. Auch die Zahl der entstandenen regionalen Schwerpunkte, die heutigen Bezirksgruppen, wuchs stetig bis zu den heutigen 19, darunter mit Bad Staffelstein, Lichtenfels, Burgkunstadt/Altenkunstadt, Ebensfeld/Zapfendorf, Redwitz und Weismain sechs im hiesigen Landkreis.

    Bezirksgruppen als Erfolgsfaktor

    Diese strukturelle Aufteilung nennt Dippold, der seit 1997 die Geschicke des CHW leitet und vor zwei Jahren zu dessen Ehrenvorsitzendem ernannt wurde, als wichtigen Schlüsselfaktor dafür, dass der Verein einen so guten Ruf genieße und die Vorträge und Exkursionen sich sehr guter Resonanz erfreuen. „Es sind 19 gleichberechtigte Gruppen. Es gibt also nicht ,den‘ CHW-Verein. Und jeder Bezirksgruppenleiter ist eine eigene Persönlichkeit mit eigenen Vorlieben, was eben unserem Programm seine Heterogenität verleiht.“ Der Vorsitzende bringt noch einen weiteren Trumpf des CHW ins Spiel: „Anders als bei vielen anderen Vereinen finden die Veranstaltungen nicht an einem zentralen Punkt statt, sondern das CHW ist an über 30 Orten präsent.“

    Referenten und Exkursionsleiter des CHW lassen die Teilnehmer beim Eintauchen in die Geschichte staunen, Aha-Effekte erleben oder auch einmal schmunzeln. Im CHW-Programm sowie in den ergänzend vom CHW seit 1951 herausgegebenen Publikationen („Geschichte am Obermain“, „Geschichte in Franken“, „Streifzüge durch Franken“) werden aber auch die dunklen Kapitel der Vergangenheit nicht ausgeblendet. So setzte sich Peter Zeitler etwa in einer „Fallstudie zum Aufstieg des Nationalsozialismus in Oberfranken“ auseinander mit den Anfängen der NSDAP in Kulmbach 1922/23.

    „Wer sich mit Geschichte befasst, hat eine Verantwortung.“

    CHW-Vorsitzender Günter Dippold

    „Wer sich mit Geschichte befasst, hat eine Verantwortung“, betont in diesem Zusammenhang CHW-Vorsitzender Dippold. Und in diese Verantwortung schließt er auch die Tatsache ein, dass einem der zehn Gründungsväter des CHW rechtsradikales Gedankengut nachgesagt wird, wie sich später herausstellte. „Einer der Gründer war eine sehr unappetitliche Gestalt – das gehört zur Wahrheit dazu, und dem muss sich das CHW auch stellen“, unterstreicht er unmissverständlich. Anfang 2020 kam dann Corona. Nach einem letzten Vortrag mit Kunsthistoriker Robert Schäfer in Bamberg war es dann bekanntermaßen erst einmal Essig mit Präsenzveranstaltungen. Doch statt wie das Kaninchen vor der Schlange regungslos zu erstarren, war das CHW – der Verein hatte schon immer sein Ohr am Puls der Zeit – keineswegs untätig, im Gegenteil: Zum einen wurde ein Videokanal des CHW auf der Online-Plattform Vimeo ausgearbeitet. Die darauf eingestellten CHW-Vorträge (siehe Info-Box) verzeichnen bis heute zahlreiche Aufrufe.

    Viele Geschichtsinteressierte schätzen auch die im CHW-Programm enthaltenen Exkursionen. Hier wandelten Teilnehmer auf der Geschichte der Werra-Bahn.
    Viele Geschichtsinteressierte schätzen auch die im CHW-Programm enthaltenen Exkursionen. Hier wandelten Teilnehmer auf der Geschichte der Werra-Bahn. Foto: OT-Archiv / Sophie Röder

    Das CHW erkannte die Zeichen der Zeit und veranstaltete am 4. Dezember 2020 erstmals virtuell einen Vortrag. Dr. Günter Dippold referierte über Bräuche zu Advent und Weihnachten. Die Idee von Online-Vorträgen schwebte den Machern des CHW schon länger in den Köpfen. „Die Corona-Zeit hat uns sozusagen aus der Behaglichkeit des Konjunktivs geholt“, so der Vorsitzende. Aufgrund der erfreulichen Resonanz behielt man diese Ergänzung des ohnehin schon breiten Vereinsportfolios auch nach der Pandemie bei mit Initiierung der bis heute bestehenden und aktiven CHW-„Bezirksgruppe Online-Vortrag“. Die Vorteile überzeugen auch den Vorsitzenden: „Distanzen werden dadurch bedeutungslos.“

    „Wichtig ist uns auch, der jungen Generation niedrigschwellige Angebote zu machen.“

    Günter Dippold, CHW-Vorsitzender

    Dippold erinnert sich an eine bewegende Rückmeldung, die nicht nur ihn berührte: „Als die Schwester unseres 2. Vorsitzenden (Robert Schäfer, Anm. d. Red.), die Kirchenmusikerin Katharina Bereiter, online über die oberfränkische Orgelbauerfamilie Heidenreich referierte, meinte anschließend eine aus einem Bunker in der Ukraine zugeschaltete Zuhörerin, wie dankbar sie für die Abwechslung sei, die ihr der Vortrag bot.“

    Seit 1997 ist Prof. Dr. Günter Dippold, seines Zeichens auch Bezirksheimatpfleger, Vorsitzender des Vereins und beleuchtet auch selbst als Redner geschichtliche Themen.
    Seit 1997 ist Prof. Dr. Günter Dippold, seines Zeichens auch Bezirksheimatpfleger, Vorsitzender des Vereins und beleuchtet auch selbst als Redner geschichtliche Themen. Foto: Dieter Radziej

    „Wichtig ist uns auch, der jungen Generation niedrigschwellige Angebote zu machen“, so der Vorsitzende weiter. Er selbst habe sich zwar bereits als 17-jähriger für die Historie interessiert und freue sich, wenn auch einmal jüngere Zuhörer kommen. Dass die meisten Vortragsgäste und Exkursionsteilnehmer aber doch älter als 40 sind, könnte Dippold zufolge auch darin begründet liegen, „dass die Menschen vielleicht erst eine eigene Geschichte brauchen, um den Wert der Geschichte zu erkennen.“

    Die Online-Vorträge haben ihre Vorteile – andererseits vermissten in der Pandemie viele Geschichtsinteressierte das „Sahnehäubchen“. Dippold lässt die für viele waschechte Franken genauso bedeutsame „zweite Halbzeit“ nicht unerwähnt: „Ein Verein ist immer sozialer Kitt, lebt vom Zusammenkommen, vom Miteinander. Dazu gehört für viele eben auch, dass man im Anschluss an eine CHW-Veranstaltung im Vereinsheim oder im Gasthaus bei Bratwürsten und einem Seidla zusammensitzt und über alles Mögliche quatscht.“

    Modernes CHW 2024 • seit 2020 in Wintermonaten auch Online-Vorträge • auf Homepage chw-franken.de u.a aktuelles Programm und CHW Publikationen (viele im dortigen Shop bestellbar) • 19 Bezirksgruppen • CHW-Bibliothek verwaltet von der Kreisbücherei Kronach, Archiv im Stadtarchiv Weismain Andrea Göldner • rund 150 Videos online abrufbar über Link vimeo.com/user/110473539

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