Markus Häggberg schreibt für OTverbindet augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute berichtet unser Autor von Comichelden, die verlassenen Ehefrauen Mut geben.
„Die Sylvia ist eine ganz liebe Frau. Sie hat mir irgendwann mal gesagt, wie sie sich schreibt, ich habe es aber vergessen. Jedenfalls ist die Sylvia gerade in einer Phase, in der sie bedauert, nicht richtig gelebt und keine Abenteuer erwischt zu haben. Aber jetzt, wo ihr Mann sie endlich verlassen hat, da möchte sie ein paar Dinge nachholen. 43 musste sie werden, bis er endlich ging, und als er ging, ging er übereilt, fast überstürzt. Das brachte mit sich, dass er manches zurückließ, vor allem seine komplette Comic-Sammlung, aus der besonders Asterix und Lucky Luke herausstachen. Sylvia fremdelte immer mit Comics, weil sie die für Schundliteratur hielt. Zeitweise überlegte sie gar, die Dinger wegzuwerfen, weil es für sie nur Altpapier war. Gut nur, dass die Sylvia meinem Kumpel in die Hände fiel, der sie dann über Asterix und Lucky Luke aufklärte. Er erklärte ihr sehr ausführlich und zartfühlend, dass René Goscinny eine Legende in der Comic-Welt war und an beiden Comics mitwirkte. Das bürgte ja eben für Qualität und das müsste sie doch einsehen. Sylvia schien gerührt, aber nicht wirklich einsichtig. Sie fragte meinen Kumpel, ob die Comics nicht vielleicht besser bei ihm aufgehoben wären. Nun besaß mein Kumpel die Comics allerdings schon selbst, sogar in der besseren gebundenen Ausgabe. Ich sag' nur: Sammleredition! Also beteuerte er Sylvia gegenüber die Besonderheit ihres Schatzes. Er bekniete sie, er flehte sie an, er appellierte an ihre Vernunft, ihre Menschlichkeit, ihre humanistische Gesinnung – mit Erfolg. Sylvia behielt die Comics und liegt jetzt neuerdings allabendlich vergnügt mit Asterix oder Lucky Luke im Bett. Und mit René Goscinny natürlich. Auf dem Nachtisch hat sie dazu einen Portwein und eine Schokolade oder Pralinen liegen. Liebes Corona-Tagebuch, es ist schön, wenn Kulturgut erhalten bleibt und wenn ein Mensch auch mit 43 noch zur Vernunft kommt. Aber so ist sie halt, die Sylvia.“