Markus Häggberg schreibt für OTverbindet augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute berichtet unser Autor über die Bedeutung eines guten Charakters bei Männern für Frauen. Oder so ähnlich.
„Liebes Corona-Tagebuch, wenn man mit einem Psychiater rumhängt, dann können sich Begegnungen erinnerungswürdig gestalten. So ein Psychiater ist dem Karsten irgendwann mal zugelaufen. Seitdem weiß Karsten, dass das Pathologische nicht unüblich ist, dass es sich in der Welt eingerichtet hat und einem durchaus Komfort bieten kann. Vor allem weiß er, dass Humor keine Grenzen kennt – nicht nach oben, aber auch nicht nach unten. Kurzum: Die Welt ist bunt, und auch Seelenklempner verfügen über eine ordentliche Farbskala beziehungsweise Meise. Aber Karstens befreundeter Nervendoktor ist nur die halbe Miete eines jüngsten Erlebnisses, die andere Hälfte ist Bianca. Sie ist eine ausgesprochen hübsche Frau und erzählte Karsten mal vor vielen Monden, dass sie vor noch viel mehr Monden etwas für ihn übrig gehabt habe.
Karsten hatte natürlich nie auch nur ansatzweise was davon gemerkt, weil er für so etwas einfach keine Antennen besitzt. Jedenfalls erzählte ihm Bianca früher auch mal, wie wichtig ihr Charakter ist. Charakter sei bei einem Mann ja das Al-ler-wich-tigs-te, viel besser als gutes Aussehen und sogar besser als Geld. Also Charakter ist einfach der Hit. Na, und wie Klemens so mit seinem befreundeten Psychiater gestern im Eiscafé war, da geriet Bianca freudestrahlend an deren Tisch. Es folgte das übliche Hallo und Gefloskel, bis der Psychiater etwas Tiefsinnigeres ins Gespräch einbrachte: „Bist du noch inkontinent?“, fragte er den Karsten in Biancas Beisein und hatte den Schalk im Nacken. „Ja, das geht leider einher mit meiner Impotenz“, antwortete ihm Klemens lachend. Irgendwie war das ein Begriff, zu dem Bianca stutzig zu werden schien. Und so fragte sie bei Karsten nach, ob es wirklich so schlimm um ihn stünde.
Um die Situation zu retten, erzählte ihr Karsten, dass das nicht das Schlimmste wäre. Viel ärger setze ihm seine senile Bettflucht zu. An dieser Stelle musste der Psychiater heftig glucksen, und irgendwie wirkte das Gespräch so ein bisschen wie an einem toten Punkt angelangt, obwohl Karsten sich wirklich Mühe gab, es am Laufen zu halten.
Bald saß jede Partei für sich am Tisch und am Ende verließ Bianca mit ihrer Freundin den Ort, ohne Karsten und seinem Kumpel noch eines Blickes zu würdigen. Kommentar einer der beiden grinsenden Männer dazu: ,Ich bin mir nicht sicher, dass Charakter für Frauen wirklich dass Allerwichtigste an einem Mann ist, denn ich habe den Eindruck, Ehrlichkeit kommt nicht gut an.'“