Die Natur ist wieder einmal der Verlierer. Sie ist zwischen die Fronten geraten und musste weichen, und zwar für ein Bauprojekt, das es nun nicht mehr geben wird. Die Rede ist vom Logistikzentrum der Firma CS Trans, das im Gewerbegebiet „Am Bahnhof“ in Michelau geplant war. Noch diesen Sommer sollten die Bauarbeiten starten, weshalb bereits im Februar rund 100 Bäume gefällt wurden und das – wie es nun scheint – umsonst. Denn CS Trans hat seinen Bauantrag überraschend zurückgenommen. Die bisher genutzten Hallen in Grundfeld wurden nach der Kündigung geräumt. Mittlerweile hat CS Trans sein Logistikzentrum nach Oberwallenstadt verlagert sowie weitere Hallen an verschiedenen Standorten im Landkreis gemietet.
Gemeinde Michelau kennt angeblich keine Einzelheiten
Von der Rücknahme des Bauantrages durch die Firma CS Trans will die Gemeinde Michelau erst „im Zusammenhang mit den jetzigen Anfragen der Medien“ Kenntnis erlangt haben, heißt es aus dem Rathaus. Der Bauantrag liege mit dem erteilten Einvernehmen der Gemeinde Michelau bei der Baugenehmigungsbehörde, also dem Landratsamt Lichtenfels. „Nähere Einzelheiten oder Gründe bezüglich der Rücknahme entziehen sich deshalb unserer Kenntnis“, so der Zweite Bürgermeister Hans-Georg Borchert.

Christian Schad, Geschäftsführer von CS Trans, begründet die Entscheidung mit unerwartet hohen Kosten, die für den naturschutzrechtlichen Ausgleich hätten gezahlt werden müssen. „Uns wurde bei den ersten Besprechungen im Winter letzten Jahres von Seiten der Gemeinde mitgeteilt, wir hätten umwelttechnisch nichts zu befürchten und nun ist doch ein Ausgleich zu leisten“, so Christian Schad. Er habe bereits für ein Umweltgutachten, die Baumfällungen und für Kartierungsmaßnahmen Geld in die Hand nehmen müssen und rechne nun insgesamt mit Kosten in Höhe von rund 700 000 Euro.
Ausgleichsflächen wurden in der Planung berücksichtigt
Nun stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Vorgespräche nicht bereits eine erste Bezifferung der zu erwartenden Kosten für eventuelle Ausgleichmaßnahmen erfolgt ist und warum diese – zumindest laut Aussage des Bauherrn – nun höher ausfallen als zunächst vermutet. Wie die Gemeinde Michelau mitteilt, wurden Ausgleichsflächen, die mit dem rechtsgültigen Bebauungsplan im Jahr 1987 festgesetzt wurden, sowohl im Zuge der Vorgespräche als auch beim Bebauungsplanänderungsentwurf berücksichtigt. „In dem mit der Firma CS Trans abgestimmten Erschließungsvertragsentwurf ist auch niedergeschrieben, dass diese Ausgleichsmaßnahmen vom Erschließungsträger mit umzusetzen sind“, so Hans-Georg Borchert.
Darüber hinaus wurde im sogenannten Erschließungsvertragsentwurf festgehalten, dass sich im Zuge des Bauleitplanverfahrens neue Gesichtspunkte ergeben können, die mitberücksichtigt werden müssen. „Der Erschließungsvertragsentwurf liegt der Firma CS-Trans seit Dezember 2020 zur Unterschrift vor“, führt Hans-Georg Borchert an. „Sicherlich haben sich in dem bisherigen Bauleitplanverfahren naturschutz- und artenschutzrechtliche Belange ergeben, die entsprechend beurteilt und abgewogen werden müssen und Kosten verursachen. Dieser Prozess und damit ein letztendliches Ergebnis war bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abschließend behandelt und ist noch offen.“
Eine Frage der Kosten: Naturschützer bezweifeln den genannten Umfang
Wie hoch aber sind nun die Kosten für den naturschutzrechtlichen Ausgleich? Fakt ist, dass der seit 1987 bestehende Bebauungsplan für das Vorhaben von CS-Trans geändert werden sollte, so dass auch eine neue naturschutzrechtliche Beurteilung erforderlich wurde. Wie das Landratsamt mitteilt, muss in einem ersten Schritt der durch das Bauvorhaben verursachte Eingriff ermittelt und bewertet werden. Hierfür seien teilweise Kartierungen des Ausgangszustandes und damit der Vorkommen von Tieren und Pflanzen auf dem Baugrundstück notwendig.
Wie sich bislang herausgestellt hat, wurden im Rahmen der Kartierungen Haselmäuse nachgewiesen. Zudem rechne man laut stellvertretendem Pressesprecher Helmut Kurz mit Vorkommen des Wiesenknopf-Ameisenbläulings, Fledermäusen und verschiedenen Vogelarten. Auch mehrere gesetzlich geschützte Biotope befänden sich im Vorhabensbereich. Aus Zeitgründen wurde allerdings auf umfängliche Kartierungen verzichtet und sogenannte Worst-Case-Betrachtungen vorgenommen.
Inwiefern sich die Ausgleichsmaßnahmen tatsächlich auf über 700 000 Euro belaufen, wie Christian Schad angibt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigen noch widerlegen. Wie es aus naturschutzaffinen Kreisen heißt, sei nur ein ganz geringer naturschutzrechtlicher Ausgleich zu erwarten, der sich mit Sicherheit nicht auf mehrere 100 000 Euro belaufe. Das Landratsamt wiederum kann nach eigenen Angaben keine Aussage zu den Kosten bestimmter Ausgleichsmaßnahmen treffen. „Die Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung ist in der Regel durch fachlich geeignete Planungsbüros zu erstellen. Die untere Naturschutzbehörde überprüft die Konzepte auf Plausibilität und fordert gegebenenfalls Nachbesserungen“, so Helmut Kurz weiter.
Wie es für CS Trans weitergeht, ist zu diesem Zeitpunkt noch offen. Aktuell hat das Unternehmen sein Logistikzentrum in die Schwabenstraße nach Oberwallenstadt verlagert sowie Hallen an diversen Standorten im Landkreis angemietet. Der Bauantrag in Bad Staffelstein wurde bislang nicht zurückgezogen, wie der amtierende Bürgermeister Hans-Josef Stich auf Nachfrage bestätigt. Er habe aber nach der Stadtratssitzung im April, bei der das Thema nochmals von den Stadtratsmitgliedern angesprochen wurde, Kontakt mit der Familie Schad aufgenommen und dabei die Aussage erhalten, dass Bad Staffelstein „vom Tisch“ sei. Zu diesem Zeitpunkt stand allerdings noch Michelau für CS Trans auf der Agenda. Lag es an den Ausgleichsflächen oder an den gestiegenen Baupreisen?
Ob der Logistikdienstleister nach dem Platzen des Michelauer Projekts nun wieder Gespräche mit der Stadt Bad Staffelstein aufnimmt, wird die Zukunft zeigen. Ein Blick in das Bundesnaturschutzgesetz zeigt, dass für Eingriffe in Natur und Landschaft überall in Deutschland ein naturschutzrechtlicher Ausgleich zu schaffen ist. Und ein Blick in die Baubranche offenbart dass die Baukosten hierzulande gerade explodieren.