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LICHTENFELS: Die dunkle Seite des Sonnenhauses in Lichtenfels

LICHTENFELS

Die dunkle Seite des Sonnenhauses in Lichtenfels

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    Die Villa Bamberger in der Kronacher Straße in Lichtenfels.
    Die Villa Bamberger in der Kronacher Straße in Lichtenfels. Foto: Markus Drossel

    Über 13 Stufen geht es im 90-Grad-Winkel vom Erdgeschoss hinunter. Wer groß gewachsen ist, sollte sich vorsehen, um aufgrund der niedrigen Deckenhöhe keine Beule davonzutragen. Alles wirkt wie ein normaler Keller. Alles, bis auf einen Raum, der mit einer schweren Eisentür verschlossen ist. Hier geht es in den Luftschutzkeller des „Sonnenhauses“.

    Die wuchtige Tür inmitten der hellgrünen Kacheln im Souterrain führt in einen weiteren kleinen, gekachelten, fensterlosen Raum. Der Betrachter steht vor einer weiteren massigen Metalltür: Es ist eine Gasschleuse. Erst dann geht es in den Hauptraum, der mit Eichenparkett und Holzdecke versehen ist. Eine hölzerne Wohnungstür ist nach innen der Eisentür vorgelagert.

    Spärliches Licht fällt durch die langgezogenen, nach oben hin bogige Zwillingsfenster mit ihrem stabilen Metallrahmen. Auch dieses lässt sich noch heute mit massiven Metallplatten verriegeln.

    Durch diese Gasschleuse geht es in den Schutzraum.
    Durch diese Gasschleuse geht es in den Schutzraum. Foto: Markus Drossel

    Das „Sonnenhaus“ in der Kronacher Straße 21 ist vielen Lichtenfelsern besser bekannt als Villa Bamberger, benannt nach dem einstigen Bauherrn. „Wir haben das Gebäude im August 1989 gekauft, mein verstorbener Kollege Goller und ich“, sagt Rechtsanwalt Peter Schmauser. „Bis Ostern 2019 war hier unsere Kanzlei.“ Er erinnert sich noch gut an die Besichtigung der Villa, als er erstmals den besonderen Raum im Keller sah. „Ich hatte schon zuvor irgendwann mal gelesen oder erfahren, dass in der NS-Zeit Bauherren von Neubauten entweder verpflichtet wurden oder ihnen geraten wurde, Schutzräume einzurichten.“ Die „Bamberger-Villa“ aber war zur NS-Zeit kein Neubau, bestand da schon zwei Jahrzehnte. Schmauser hatte vor der Besichtigung des „Sonnenhauses“ schon einmal einen ähnlichen Raum gesehen, in einem Privatanwesen in Ebensfeld.

    Hier geht es im Sonnenhaus in den Keller.
    Hier geht es im Sonnenhaus in den Keller. Foto: Markus Drossel

    „Das war aber längst nicht so ausgeführt wie der Kellerraum in Lichtenfels. Da ich ein historisch sehr interessierter Mensch bin, wusste ich aber, dass es so etwas gibt. Außerordentlich überrascht war ich nicht, aber solche massiven Schutztüren hätte ich nicht erwartet.“ Die Gasschleuse zwischen den massigen Metalltüren lässt vermuten, dass der Raum wohl irgendwann nach dem Ersten Weltkrieg eingebaut wurde. „Im Ersten Weltkrieg wurde ein Gaskrieg geführt, im Zweiten Weltkrieg dagegen war Gas als Kampfmittel nicht relevant.“

    Es war der Architekt August Berger, der das „Sonnenhaus“ im Jahr 1913 entwarf. Unter Experten gilt Berger als einer der wichtigsten Vertreter des späten Jugendstils in Oberfranken. Auftraggeber war der Lichtenfelser Kaufmann Otto Bamberger. Der Kunstsammler und seine Familie bewohnten die Villa bis 1933, bis zum Tod des Hausherrn. Der Bau erfolgte im Jahr 1914.

    Detail der Schutztür.
    Detail der Schutztür. Foto: Markus Drossel

    Die Baupläne der Villa sind erhalten geblieben und heute unter anderem bei der freien Enzyklopädie Wikipedia zu finden. Ein Schutzraum ist darin im Souterrain, im Kellergeschoss, nicht vorgesehen. Vermutlich war es auch nicht die Familie Bamberger, die den Schutzraum einbauen ließ. Die Bamberger waren jüdischen Glaubens, SPD-Mitglied Otto Bamberger starb im Alter von 48 Jahren in Baden-Baden, als er während eines geschäftlichen Aufenthalts in Frankfurt am Main von der SA in „Schutzhaft“ genommen und verhört worden war. Das war 1933, im Jahr der Machtergreifung Hitlers. Seine Witwe Henriette und ihr Sohn Klaus flüchteten vor dem Terror-Regime in die Vereinigten Staaten: In der Kronacher Straße, die bald Adolf-Hitler-Straße heißen sollte, waren sie nicht mehr sicher. In einer zu Ehren des Führers gewidmete Straße sollten sowieso keine Juden mehr leben.

    Wer hat den Schutzraum nachträglich einbauen lassen?

    „Unwahrscheinlich, dass jüdische Mitbürger sich so einen Schutzraum hätten einrichten lassen“, meint Peter Schmauser. Im Jahr 1939 wurde die Villa enteignet, also arisiert. Sie fiel an die Familie Conrad, Grete, Siegfried und Helga Wagner, Mitinhaber der Textilfabrik Striwa-Werke Striegel & Wagner. „Die Firma war auch Heeresausstatter, die Vermutung liegt nahe, dass diese Familie den Schutzraum einbauen ließ“, so Schmauser.

    Detail der Schutztür.
    Detail der Schutztür. Foto: Markus Drossel

    Zumal es im Jahr 1940 einen Führersoforterlass gab: Vorhandene Tunnel oder U-Bahnanlagen sollten zu bombensicheren Luftschutzräumen ausgebaut werden, die Keller aller öffentlichen und privaten Gebäude sollten sofort auf ihre Eignung als Luftschutzräume überprüft und bei Geeignetheit für die Bevölkerung in Anspruch genommen werden. „Eigentlich unvorstellbar, wie sich das Regime in den privaten, zivilen Bereich eingemischt hat und für die Kriegsvorbereitungen selbst private Räume erfasst hat“, sagt Schmauser. „Es ist schauderhaft, wie weit die Kriegsvorbereitungen in den privaten Bereich reichten.“ Vor allem, weil ein Luftschutzraum in einer derart massiven Ausführung wie in der Villa Bamberger sehr viel Geld gekostet haben dürfte.

    Blick in den Luftschutztaum.
    Blick in den Luftschutztaum. Foto: Markus Drossel

    Die Kanzlei Goller & Schmauser nutzte den Luftschutzraum als Registraturraum, lagerte dort ihre Akten ein. „Wir haben den Raum so belassen, wie wir ihn vorgefunden haben“, sagt Schmauser. Heute ist das Gebäude im Besitz der Stadt Lichtenfels. Es gab oder gibt Pläne, hier eventuell einen Hort einzurichten. Ob der Luftschutzkeller in dieser Ausführung im Souterrain der Villa wirklich im Fall eines Bombenangriffs seinen Zweck erfüllt hätte, darf bezweifelt werden.

    Das Fenster des Schutzraums von Außen.
    Das Fenster des Schutzraums von Außen. Foto: Markus Drossel
    Die metallene Schutztür wird im Innern von einer Wohnungstür aus Holz versteckt.
    Die metallene Schutztür wird im Innern von einer Wohnungstür aus Holz versteckt. Foto: Markus Drossel
    Die Villa Bamberger in der Kronacher Straße in Lichtenfels.
    Die Villa Bamberger in der Kronacher Straße in Lichtenfels. Foto: Markus Drossel
    Ob diese Fenster trotz der massiven Metallläden einem Luftangriff standgehalten hätten?
    Ob diese Fenster trotz der massiven Metallläden einem Luftangriff standgehalten hätten? Foto: Markus Drossel
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