Von einer Nische zur gelebten Wertschätzung gegenüber den Tieren: Tier-Physiotherapeuten wie Rebecca Gronau fördern die Beweglichkeit von Tieren bei chronischen Erkrankungen, Unfällen, Operationen oder falscher Haltung. Warum die ausgebildete Human-Physiotherapeutin mit ihrer mobilen Praxis heute lieber Pferde und Hunde versorgt.
Bandscheibenvorfälle, Kreuzbandrisse oder Arthrose gibt es nur bei Menschen? Weit gefehlt. Diese Erkrankungen mitsamt ihren Schmerzen treffen auch Tiere, insbesondere Pferde oder Hunde. Tier-Physiotherapeuten wie Rebecca Gronau behandeln diese, was mitunter ähnliche Techniken wie im Humanbereich, jedoch ein ganz anderes Gespür erfordert. Schließlich können sich die Tiere nicht sprachlich äußern, man muss ihre Signale deshalb zu deuten wissen. Rebecca Gronau, die die mobile Praxis Vetphysio erschaffen hat, helfen dabei sowohl ihre Erfahrung als auch ihre persönliche Hingabe für die Tiere. 2013 hat sie zunächst ihre Ausbildung zur Human-Physiotherapeutin mit dem Staatsexamen abgeschlossen, wenig später ihre Ausbildung zur Manualtherapeutin. Unzählige Fortbildungen, unter anderem in der Sportphysiotherapie, folgten, ehe sie sich 2016 dazu entschied, das Studium zur Tierphysiotherapeutin am Institut für Tierheilkunde in München zu absolvieren.
Methoden ähneln der Human-Physiotherapie

Manche Ansätze, Methoden und Therapien ähneln heute der einer klassischen Physiotherapie für Menschen: Rebecca Gronau massiert die Tiere, führt Übungen mit ihnen durch, ergänzt diese etwa durch osteopathische Techniken, manuelle Therapie, manuelle Lymphdrainage, Laser-Frequenz-Therapie oder Akupunktur. Seit kurzem verwendet sie auch ein Schröpfgerät. Ein Unterschied zum Humanbereich sei vor allem die Zeit: „Früher hatte ich 20 bis 25 Patienten an einem Tag, das hatte mit Therapie wenig zu tun.“ Heute dauert eine klassische Therapieeinheit 45 bis 60 Minuten. „Dadurch hat man Zeit und kann sich auf den Patienten und sein Krankheitsbild konzentrieren. Bei der intensiven Arbeit sehe ich dann auch das Ergebnis.“
Ganzheitliche Befunderhebung
Dem voraus geht dabei meist eine Empfehlung durch Tierärzte oder befreundete Tierhalter: Ein ausführlicher Ersttermin am Wohnort des Tieres beinhaltet eine Befunderhebung sowie Informationen zur Haltung, zur Ernährung, gegebenenfalls zur Ausrüstung sowie zum Halter oder zur Halterin. „Eben alle Faktoren, die der Gesundheit unserer Tiere dienen. Nur so kann ich ganzheitlich behandeln.“ Und zwar degenerative Erkrankungen von Turnier- aber auch Freizeitpferden wie Arthrose, Spondylosen oder operierten Bandscheibenvorfälle. Auch eine falsche Sattelposition oder falsche Belastung durch den Reiter oder die Reiterin können eine Rolle spielen.
Bei Hunden dagegen, ob Dienst-, Rettungs- oder Freizeithund, können vermehrt Kreuzbandrisse oder Verspannungen entstehen. „Auch Tiere nehmen oft eine Schonhaltung ein, wenn sie Schmerzen haben. Keiner hält sich zum Beispiel perfekt gerade. Das kann Folgen haben.“ Auf diese beiden Tierarten hat sich Rebecca Gronau spezialisiert, besitzt sie doch selbst zwei Hunde und ein Pferd und war jahrelang bei Sportturnieren mit diesen aktiv. Auch deshalb weiß sie: Jedes Tier und jede Behandlung ist anders.
Kunden in ganz Süddeutschland
Für die Therapien fährt sie oft weite Strecken: Einen Profi-Reitstall in der Nähe von Heilbronn etwa besucht die junge Frau in vierwöchigem Turnus. Dort behandelt sie dann bis zu acht Turnierpferde an einem Tag. Andere Kunden befinden sich in Oberfranken oder dem Landkreis Lichtenfels. Freizeitpferde und Hunde zur Stabilisierung und Erhaltung der Beweglichkeit behandelt sie durchschnittlich drei bis viermal im Jahr. Doch auch die Halter sind gefordert: Ohne deren Unterstützung und aktive Übungen im Alltag sei eine erfolgreiche Therapie kaum möglich, weiß die Tierphysiotherapeutin. Mit ihrer mobilen Praxis besucht sie bewusst ihre tierischen Kunden „zu Hause“. So fühlen sich die Tiere in gewohnter Atmosphäre wohl und können sich auf die Behandlung konzentrieren.
Vom Nutztier zum Begleiter
Für sie heute selbstverständlich, vor wohl 30 Jahren noch eine Seltenheit. „Früher haben Tiere, vor allem Pferde, ja noch als Arbeitstier gegolten. Hunde hatten den Hof zu bewachen. Heute hat sich ihr Nutzen verschoben“, blickt Rebecca Gronau zurück. „Viele Menschen legen heute mehr Wert auf deren Haltung, ihre Versorgung bis hin zum Futter. Und natürlich spielt der steigende Wohlstand in der Bevölkerung auch eine Rolle.“

Die neue Wertschätzung gegenüber den Tieren freut Rebecca Gronau sehr. Sie ist mit großer Profession und Leidenschaft bei der Arbeit, gleichzeitig mit ganz viel Geduld und Ruhe. Denn während man in der Humanphysiotherapie die Patienten mit der Aussicht auf ein baldiges Ende zu einer letzten Kraftanstrengung motivieren kann, sind bei Tieren andere Signale oder Methoden notwendig: „Bei Hunden funktioniert das meist über Leckerlis.“ Die Arbeit mit Pferden erfordert mehr Geduld sowie eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Tier, außerdem jegliche Freiheit von Stress: „Da reagieren Tiere ganz sensibel darauf.“
Bisher habe sie jedoch jede Therapie mit Erfolg geführt – außer in denjenigen Fällen, die aussichtlos waren. Wenn beispielsweise Hunde ein hohes Alter erreicht haben oder die Methoden nicht mehr vertragen, erzählt sie mit Traurigkeit in der Stimme. „Das sind die Momente, die schwer sind in meinem Beruf. Zu wissen, dass man nicht mehr helfen kann und das den Besitzern auch mitteilen muss.“

Auch die Pandemie habe ihre Arbeit beeinflusst: Nach einigen Wochen der Schließung ihrer Praxis ist sie nun wieder unter hohen Hygieneauflagen für die Tiere im Einsatz. Ihr Büro befindet sich in Lichtenfels, das ihr zur Heimat geworden ist. „Der Liebe wegen“ ist sie von Königheim bei Tauberbischofsheim in die Korbstadt gezogen und hat sich hier unter Tierhaltern fest etabliert: wegen ihrer Herzlichkeit und Fachlichkeit. Denn „Tierphysiotherapeut“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Neben ihrer Grundausbildung hat Rebecca Gronau weitere Zertifizierungen bei der IHK erfolgreich abgeschlossen und ist seit 2020 auch über die FEI als FEI Permitted Equine Therapist gelistet und international anerkannt. Gleichzeitig besitzt sie eine Zertifizierung zur Ernährungsberaterin für Hunde.