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LICHTENFELS: Ein „Faust“ in Lichtenfels

LICHTENFELS

Ein „Faust“ in Lichtenfels

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    Für seinen Landesherrn Johann Ernst von Coburg schuf Ernst Friedrich Schneider eine Reihe von Münzen mit dessen Konterfei.
    Für seinen Landesherrn Johann Ernst von Coburg schuf Ernst Friedrich Schneider eine Reihe von Münzen mit dessen Konterfei. Foto: Museumdigital

    Goethes Faust war als Wissenschaftler und Experimentator ein Außenseiter in seiner Gesellschaft. Immer misstrauisch beäugt von seinem Umfeld, stets im Verdacht (nicht zu Unrecht), Kontakt mit dunklen Mächten zu haben.

    Ein wenig ähnlich mag es einem Bewohner von Lichtenfels um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegangen sein, nämlich dem Münzmeister Johann Friedrich Schneider.

    In Bamberger Diensten

    Mit dem Jahr 1597 war die religiöse Ordnung in Lichtenfels wiederhergestellt. Der Bamberger Erzbischof hatte die Gegenreformation mit voller Härte durchgesetzt. Wer nicht katholisch war oder werden wollte, der musste die Stadt verlassen. So waren Protestanten im 17. Jahrhundert in der Stadt wahre Exoten.

    Dass aber tatsächlich einer ab 1660 hier sogar eine eigene Experimentierstube einrichten konnte, lag an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. Der hatte das Hochstift in weiten Teilen verwüstet.

    Hoch verschuldet

    Bedingt durch das Kriegsgeschehen und die Anforderungen des Wiederaufbaus waren die Bischöfe der Folgezeit hoch verschuldet. Man nahm jede Gelegenheit wahr, um neue Geldquellen zu erschließen, eine davon war der Rückgriff auf die Bodenschätze des Territoriums. Unter Bischof Melchior Otto Voit von Salzburg (1642-1653) begann man sich um den Steinwiesener Hammer zu bemühen und schon 1650 hatte ein Rutengänger neue Erzlager gesucht und war auch fündig geworden.

    Für die genauere Untersuchung aber brauchte man einen Fachmann, und den fand man im Coburger Münzmeister Ernst Friedrich Schneider, einem überzeugten Protestanten. Schneider, um 1594 geboren, war seit 1631 im Dienst des Herzogs Johann Ernst von Sachsen als Münzmeister in Coburg tätig.

    1650 trat er nun in bambergische Dienste und erhielt zur Begutachtung erste Gesteinsproben, besuchte auch selbst die Fundstellen bei Baunach und Uetzing. Im Uetzinger Eisenstein fielen ihm dabei sogar Silberanteile auf.

    Wohl schon im folgenden Jahr wurde er der führende Mann für das Bamberger Montanwesen, zuständig auch für die Heranbildung dringend benötigter Fachkräfte. Für die Ausbildung eines Lehrjungen in „hamer-, bergwercks-, probir- und münzwesen“ erhielt er stolze 250 Taler.

    Laboratorium in Lichtenfels

    Der Versuch das Uetzinger Vorkommen wirtschaftlich ertragreich zu machen, fand aber schnell wieder ein Ende und 1660 ließ sich Schneider mit Zustimmung des Landesherrn in Lichtenfels nieder und gründete hier sogar ein Laboratorium. Platz genug war damals in der Stadt sicherlich vorhanden, hatte der Krieg doch über 30 Prozent der Bebauung zerstört, Noch 1660 gab der Stadtrat an Bauwillige Grundstücke unentgeltlich ab.

    Den Lichtenfelsern musste dieser Mann wohl in mehrfacher Hinsicht etwas suspekt erscheinen. Er kam aus Coburg, er war Protestant und was er in seinem Haus trieb, war zumindest seltsam, hatte es doch etwas Unheimliches und Unverständliches an sich. Sicherlich gingen wilde Gerüchte herum.

    Die Tätigkeit Schneiders war damals noch nah an der Alchemie, aber schon dabei sich vom magisch-mystischen Anteil zu trennen und sich ganz dem naturwissenschaftlichen Bereich zu widmen. Diesen Weg gingen damals nicht Wenige.

    Ein Zeitgenosse Schneiders war der aus dem unterfränkischen Karlstadt stammende Johann Rudolf Glauber, der seine Kenntnisse vor allem im medizinischen Bereich nutzte und in seinen Laboratorien in Wertheim und Kitzingen neben Weinprodukten auch Säuren und das „sal mirabilis“, Glaubersalz, herstellte, das als Abführmittel sich lange Zeit großer Beliebtheit erfreute.

    Von medizinischer Forschung ist bei Schneider nichts bekannt, es ist wohl anzunehmen, dass er auch in seinen Lichtenfelser Jahren der Metallurgie treu blieb und in diese Richtung hin Studien betrieb. Und auch wenn historisch abgesicherte Kenntnisse fehlen, kann doch mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sein Haushalt etwas anders aussah, als der eines Durchschnittbürgers.

    Er hatte wohl einen gewissen Bücherbestand in seinem Haus, darunter bestimmt Georg Agricolas „De metallica“, das Standardwerk in sieben Bänden für die analytische Chemie seiner Zeit, das Wissen bereit stellte über Nachweisreaktionen und zur Prüfung von Metallen. Daneben war wohl alles vorhanden, was zu einem Laboratorium gehört: Glaskolben, Mörser, Waagen, Destillationsapparate, Retorten usw.

    Vielleicht beschäftigte er sich in diesen Jahren mit den Möglichkeiten der Silbergewinnung, für die damals seit einigen Jahrzehnten ein neues Verfahren sich durchgesetzt hatte, das der Spanier Bartolome de Medina entwickelt hatte, war Spanien doch durch die gewaltigen Silbervorkommen in der Neuen Welt zur reichsten Nation Europas aufgestiegen.

    Vielleicht probierte auch Schneider das sogenannte „Patio-Verfahren“, nämlich mit Hilfe von Quecksilber Silber aus Erzverbindungen zu lösen. Wie lange der frühe Naturwissenschaftler in Lichtenfels tätig war, wissen wir nicht. Sicher ist, dass er seit 1673 in Burgkunstadt lebte, wo er drei Jahre später auch starb.

    Auch wenn sich gerade Kleinstädte durch ein gewisses zähes Beharrungsvermögen auszeichnen mögen, setzen sich doch auch in ihnen über kurz oder lang die Tendenzen der Zeit durch.

    Mit Schneider kam ein wenig naturwisssenschaftlicher Geist in die Stadt, nahezu zeitgleich wird auch wieder eine jüdische Gemeinde in Lichtenfels heimisch und 1660 konnte die Stadt nach dem Abzug der letzten Besatzungstruppen das „Generalfriedensfest“ feiern.

    Und auch wenn die wirtschaftlichen Sorgen und Nöte noch lange präsent blieben, kündigt sich doch schon ein wenig Aufklärung und Vernunft an.

    Gedicht „Der, in Gesellschaft von Adepten, Sich in die schwarze Küche schloss, Und nach unendlichen Rezepten, Das Widrige zusammen goss.“ (Goethe: Faust I)

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