Mit dem Mausrad scrollt Lorenzo Reinhardt auf seinem Laptop von einem Bild zum nächsten. Beiläufig erwähnt der technische Mitarbeiter den Titel seiner Masterarbeit: „Sie heißt ,Untersuchung der Ressourceneffizienz eines Elektromotorrades‘.“ Auf dem Bildschirm erscheint vor der Kulisse des mondänen Monaco und neben einer luxuriösen Yacht sein Untersuchungsgegenstand. „Das hier ist das ,Novus One‘, ein speziell handgefertigtes, ultraleichtes Vollcarbon-Motorrad mit Elektromotor des Braunschweiger Start-Up-Unternehmens Novus“, erklärt der junge Mann fachmännisch.
Im vergangenen Jahr flimmerte das mit dem German Innovation Award in Gold ausgezeichnete E-Motorrad über die deutschen Fernsehbildschirme. Die Sendung „Die Höhle der Löwen“ (siehe Infobox) macht es möglich. Dass der heiße Elektroofen mit dem futuristischen Design demnächst über die Straßen flitzen darf, macht ein heimisches Unternehmen möglich – das Ingenieurbüro Krug.
Mitarbeiter Lorenzo Reinhardt bringt den Stein ins Rollen
Es betreibt in Lichtenfels eine Prüfstelle der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ). Zum Kerngeschäft des Unternehmens, das seit 2016 existiert, gehören Haupt- und Abgasuntersuchungen, Unfallgutachten und Typgenehmigungen, aber auch Einzelabnahmen für Importfahrzeuge.

Szenenwechsel. Firmenchef und Diplom-Ingenieur Marco Krug hat es sich in einem Sessel bequem gemacht. In Gedanken ist er bei seinem Mitarbeiter Lorenzo Reinhardt, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Er ist seit 2018 neben seinem Maschinenbaustudium als technischer Mitarbeiter in dem Lichtenfelser Unternehmen tätig.
Beratung in allen zulassungsrechtlichen Fragen
Reinhardt habe, erzählt der 40-Jährige, seine Masterarbeit bei der Novus GmbH geschrieben. Seit 2020 berate die GTÜ-Prüfstelle Lichtenfels den Motorradhersteller in zulassungsrechtlichen Fragen, wie dem Einhalten von Geräuschwerten oder dem Erfüllen von Abgasnormen. Das Zauberwort heißt für ihn und die Firma Novus Typgenehmigung. „Es ist die Überprüfung des Fahrzeugs im Hinblick auf alle europäischen Richtlinien, die die Sicherheit im Straßenverkehr betreffen.“ Das Ingenieurbüro Krug sorgt somit für eine europaweit gültige Zulassung des neuen Motorrads. Bis Ende des Jahres soll das motorisierte Zweirad zugelassen sein.
Darauf angesprochen, ob er sich durch die Zusammenarbeit mehr Renommee und Kunden erhoffe, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „selbstverständlich.“ Für den Prüfingenieur, der in Untersiemau wohnt, ist die Zulassung eines Produktes aus einer beliebten Fernsehsendung ein Prestigeprojekt und ein Riesenprivileg zugleich.
„Elektromotorräder zeichnen sich durch einen sparsamen Verbrauch und eine extreme Leistungsentfaltung in der Startphase aus.“
Marco Krug, Diplom-Ingenieur
Bei Elektromobilität denkt man zumeist an Autos. Für Krug ergibt die Antriebsart aber auch bei heißen Öfen Sinn. „Elektromotorräder zeichnen sich durch einen sparsamen Verbrauch und eine extreme Leistungsentfaltung in der Startphase aus. Man kann in wahnsinnig schneller Zeit beschleunigen“, zählt er die Charakteristika eines E-Motorrads auf.

Das 40 PS starke Zweirad der Novus GmbH verfügt zudem über ein geringes Eigengewicht. Mit nur 80 Kilogramm (inklusive Batterie) ist es um die Hälfte leichter als vergleichbare Fahrzeuge. Für den Prüfingenieur ist das ein Pluspunkt. Die Masse eines Fahrzeuges müsse beschleunigt werden, erklärt er. Das koste Energie, die zu Lasten des Verbrauchs oder der Leistung gehe. „Je leichter ein Motorrad, umso verbrauchsärmer und leistungsstärker ist es“, stellt der Experte klar.
Von Kamelen auf dem Anhänger und Wespen im Oldtimer
Ob Hauptuntersuchung, Typgenehmigung oder Einzelabnahmen für Importfahrzeuge – Marco Krug hat schon etliche Fahrzeuge gesehen. Über einige davon kann er Anekdoten erzählen. Einer seiner Kunden brachte seinen Anhänger zur Hauptuntersuchung – beladen mit Kamelen. „Auf den Rüttelplatten und dem Bremsenprüfstand wäre es für die Tiere zu holprig gewesen. Sie mussten den Anhänger verlassen und wir hatten einen Streichelzoo vor der Werkstatt“, schmunzelt Krug.
In einem anderen Fall steckt ihm noch heute der Schreck in den Gliedern. In der Tür eines aus Spanien importierten Oldtimers hatten sich Wespen eingenistet. „Als die Tür geöffnet wurde, fing es plötzlich an zu summen und zu brummen. Die Tiere fühlten sich gestört.“ Insektenstiche trug keiner der Mitarbeiter davon. Sie hatten sich blitzschnell geduckt und die Insekten waren über sie hinweggeflogen.
Das E-Bike aus der „Höhle der Löwen“ „Die Höhle des Löwen“: In der gleichnamigen Fernsehshow des privaten Fernsehsenders VOX bekommen Menschen mit Erfindungen oder Geschäftsideen die Chance ihres Lebens. Sie präsentieren ihr Vorhaben fünf erfolgreichen Unternehmern, den sogenannten „Löwen“. Zu ihnen zählen unter anderem der Formel-Eins-Gewinner Nico Rosberg und der bekannte Unternehmer Carsten Maschmeyer, Ehemann von Schauspielerin Veronica Ferres. In der Fernsehsendung wollten die Gründer der Novus GmbH, René Renger und Marcus Weidig, 1,6 Millionen Euro für zehn Prozent Firmenanteile haben. Die Löwen sagten nein, lobten aber das Produkt. Niemand Geringeres als Tesla-Gründer Elon Musik wollte 2019 auf der weltweit größten Elektromesse in Las Vegas den Prototyp des E-Bikes kaufen. Das Duo aus Braunschweig lehnte dankend ab. „Weil wir eine Vision haben, weil wir aus Novus eine wirklich große Mobilitätsmarke machen wollen“, erklärte Renger im Interview mit der Kölner Tageszeitung Express. Welchen Führerschein benötigt man? Die Zehn-PS-Ausführung kann mit dem Autoführerschein gefahren werden. Für die 15- beziehungsweise 40-PS-Versionen benötigt man einen Führerschein der Klassen A1, A2 und A. Quellen: VOX/Express/Novus GmbH. (stö)