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LICHTENFELS: Eine Kindheit im alten Lichtenfels: Erich Barnickel erzählt

LICHTENFELS

Eine Kindheit im alten Lichtenfels: Erich Barnickel erzählt

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    Erich Barnickel als Erstklässer an seinem Pult in der Volksschule in der Kronacher Straße. Repros: Peter Barnickel
    Erich Barnickel als Erstklässer an seinem Pult in der Volksschule in der Kronacher Straße. Repros: Peter Barnickel Foto: Peter Barnickel

    Allein 13 Gasthäuser gab es in den 1950-er Jahren rund um den Lichtenfelser Marktplatz. Dazu zahlreiche Betriebe vom Lebensmittelladen und Metzger über einen Schmied bis zu Korbwarenhandlungen. Daran erinnert sich Erich Barnickel, geboren am 20. Februar 1931, gerne im Kreis der Familie. Sein Sohn Peter hat seine Erzählungen über das Leben in Lichtenfels zwischen 1936 und 1958 zusammengetragen. Sie sind ein Zeitdokument des Lebens in einer Kleinstadt, erinnern an bekannte Personen und lustige Anekdoten.

    „Diese historische Sammlung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit“, betont Peter Barnickel. Es werden lediglich Ausschnitte aus dem persönlichen Lebensumfeld seines Vaters wiedergegeben. Meist handelt es sich um Vorfälle, die zum Schmunzeln Anlass geben. „Es scheint so zu sein, dass die Schattenseiten der Geschichten doch in den beliebtesten Erinnerungen erst einmal ausgeblendet werden. Sie waren aber sicherlich auch vorhanden“, erklärt er. Mit der Heirat Erich Barnickels im Jahr 1958 endet die Erzählung.

    Wir veröffentlichen die Erzählungen in loser Folge in den nächsten Wochen:

    Drei Familien in einem Häuschen

    Geboren wurde ich in Lichtenfels am Burgberg im „Rübensaal-Haus“. Das Haus existiert noch heute an der Fußgängerallee vom ehemaligen Kino steil hinauf zum Burgberg.

    Schon bald (im Alter von etwa zwei Jahren) erfolgte ein Umzug in die Lange Gasse am südlichen Burgberg zur Familie Müller. Die Wohnung befand sich im ersten Stock eines kleinen Häuschens. Hier wohnten insgesamt drei Parteien. Auffällig war das sehr kleine Küchenfenster, aus welchem man kaum den Kopf hinausstrecken konnte.

    Illegales Mähen für die Hasen

    Zur besseren Vorsorgung mit Fleisch hatte mein Vater eine kleine Hasenzucht aufgebaut (immerhin bis zu 70 Hasen). Die Besorgung von Hasenfutter gestaltete sich mangels eigener Anbauflächen etwas kompliziert: Das Futter musste halt auch in der weiteren Umgebung des Hauses „gemacht“ werden.

    Einmal wurden wir beim Mähen bei Seubelsdorf vom sogenannten „Flura“ angehalten. Er war von den Bauern zur Überwachung der Flurstücke bestellt worden. Beim Schneiden von Gras wurden wir deshalb gefragt: „Ihr Leut´ dürft denn Ihr des?“ Die Antwort „No, wenn wir es net dürften, macherten wir´s a net.“ war offenbar einleuchtend und gab zu keinen weiteres Nachfragen Anlass. Später erfuhren wir, dass der „Flura“ später bei den Bauern erhebliche Schwierigkeiten wegen seines Gutgläubigkeit bekam. Das Fazit der Bauern: „Warum bezohl´n wir Dich eigentlich?“ Weil manche Bauern auch Hunde zur Überwachung einsetzten, war die Mithilfe beim „Heumachen“ bei mir nicht sehr beliebt.

    Ein großer Tag für Erich Barnickel war die Einschulung in der Grundschule in der Kronacher Straße.
    Ein großer Tag für Erich Barnickel war die Einschulung in der Grundschule in der Kronacher Straße. Foto: Peter Barnickel

    Auch in den späteren Wohnungen wurden noch Kleintiere wie Hühner, Enten und zuweilen auch Gänse gehalten. Meine Aufgabe bestand auch darin, die Ställe auszumisten. Meine jüngere Schwester „Käte“ musste die Enten und Gänse „nunter die Leuchsn“ führen, was ihr den Namen „Gäns-Kätl“ einbrachte. Die ganzen Mühen mit den Viechern hatten aber merkbaren Erfolg: Auch in der „schlechten Zeit“ hatten wir meistens Fleisch auf dem Tisch.

    „Die Sulln“ und „Schienakitt“

    Als die Wohnung in der „Lang Gass“ um 1939 durch die Geburt eines weiteren Kindes zu klein wurde, zogen wir in die Vordere Sandstraße (in der Nähe des Friedhofes) zu den „Michels“. Auch hier wohnten in einem kleinen Einfamilienhäuschen zwei Familien, die später noch „Ausgebombte“ aufnehmen mussten (meist Verwandte aus größeren Städten). Um auf die Toiletten zu kommen, musste man das Haus verlassen und einen angebauten Holzschuppen aufsuchen. Kurz nach dem Krieg (etwa 1946) erfolgt ein Umzug in eine Drei-Zimmer-Wohnung in der „Neubäu“ durch Wohnungstausch. Als mein Bruder vom Krieg heimkehrte, war die Wohnung in der Sandstraße zu klein geworden. Im Gegensatz dazu suchten pensionierte Eisenbahner aus den früheren Bahngebäuden nun eine kleinere Unterkunft.

    Die „Neubäu“ beherbergte damals ausschließlich Mitarbeiter der Eisenbahn. Das Gebäude lag günstig zum Rangierbahnhof, zur Güterabfertigung und zum Bahnhof. Alle Eisenbahner hatten Garten-Parzellen in der Nähe der Gleise. Die Gärten wurden zur Selbstversorgung mit Gemüse genutzt. Meine Aufgabe bestand darin, ein großes Vorratsfass für Wasser stets über die Tiefbohrung im gefüllten Zustand zu halten.

    Ein Nachbar wurde „Schienakitt“ genannt, weil er bei der Bahn mit der Schmierung von Weichen beschäftigt, und war deshalb in der Regel mit einem Eimerchen mit Fett auf den Schienen unterwegs war. Der Herr „Wiemann“, der unter uns wohnte, wurde „die Sulln“ genannt. Er war als Rangierer tätig und musste häufig Bremsklötze (genannt „Sulln“) unter die Wagonräder schieben.

    Schläge vom Lehrer

    Zur Schule ging ich in die Volksschule in der Kronacher Straße bis nach dem Krieg 1945. Damals mussten acht Klassen absolviert werden. Kriegsbedingt war das Bildungssystem wohl nicht sehr effizient. Ein Herr Burmann ist mir noch in unangenehmer Erinnerung, da er bei den kleinsten Unregelmäßigkeiten „immer gleich g´schlong hot“. In den letzten Jahren, musste der Schulbetrieb (auch kriegsbedingt) mit einigen Aushilfslehrern aufrecht erhalten werden. Hierbei handelte es sich um noch nicht fertig ausgebildete jüngere Kräfte oder um Männer, die verwundungs- oder altersbedingt in den Schuldienst „abkommandiert“ worden waren.

    Durch häufige Stundenausfälle wegen fehlendem Personal oder bei Luftalarm hatten wir, trotz einiger in der Familie erwarteter Dienstleistungen, immer noch etwas Zeit für Spiele. Die hierfür erforderlichen Materialien konnten meist nicht fertig in Geschäften erstanden werden, sondern waren im städtischen Umfeld oder in der Natur vorhanden. Bis zu einem Alter von etwa 14 Jahren waren verschiedene Spiele angesagt.

    Kribbel Krabbel und Spechten

    Beim „Kribbel Krabbel“ wurde ein kleiner „Stecken“ über ein selbst gegrabenes Loch gelegt. Dieser musste dann mit einem größeren „Stecken“ hoch geworfen und mit diesem auch noch vor seinem Rückfall auf dem Boden noch weiter weggeschleudert werden. Sieger war, wer den kleinen „Stecken“ am weitesten vom Loch wegschleudern konnte.

    Beim „Spechten“ wurde ebenfalls ein Loch gegraben. Darin wurde ein „Matsch“ angemacht und ein „Stecken“ senkrecht hinein gesteckt, so dass dieser noch circa 30 Zentimeter herausstand. Mit einem anderen Stock musste der senkrecht stehende Stecken herausgeschleudert werden. Eine schmutzige Angelegenheit. Wenn kein Wasser zur Verfügung stand, musste das Loch „nass-gebrunzt“ werden.

    Beim „Bollern“ wurden Ton- oder Glaskugeln gegen eine Wand geschleudert. Beim Abprallen mussten sie in einem vorbereiteten Loch oder möglichst nahe bei einem anderen Ziel landen. Einmal entdeckten wir, dass in der Leimfabrik (wo heute der Lidl steht) aus Fässern schwere Eisenkugeln zu „holen“ waren. Diese waren zwar voller „Schmier“, eigneten sich aber sehr gut zum „Bollern“.

    Weitere Spiele waren „Blinde Kuh“, „Fangerles“, „Räuber und Schandarm“ oder Geländespiele über weite Gebiete hinweg, etwa bis zum „Staa“ oder zur Friedenslinde.

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