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LICHTENFELS: Eine pragmatische Kämpferin: Helga Prommer aus Michelau

LICHTENFELS

Eine pragmatische Kämpferin: Helga Prommer aus Michelau

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    Das Arbeitszimmer dient auch als Wohnraum und als Küche. Her flicht Helga Prommer ihre Korbwaren. Dazu gehören auch Reparaturarbeiten. Aktuell ist sie damit beschäftigt die Sitzfläche eines Stuhls aus Binsen zu fertigen
    Das Arbeitszimmer dient auch als Wohnraum und als Küche. Her flicht Helga Prommer ihre Korbwaren. Dazu gehören auch Reparaturarbeiten. Aktuell ist sie damit beschäftigt die Sitzfläche eines Stuhls aus Binsen zu fertigen Foto: Klaus Gagel

    Es gibt sie noch, die Korbmacher am Obermain. Es sind die Vertreter eines Handwerksberufes, der früher allein in der Korbmachergemeinde Michelau hunderten Menschen Lohn und Brot gab. Zu denen, die auch im 21. Jahrhundert noch dieses Handwerk ausüben, gehört Helga Prommer. Auf ihre Werkstatt mit Korbwarenverkauf am Krappenberg werden Vorbeifahrende durch ein großes Hinweisschild aufmerksam gemacht. Doch es sind vor allem die Märkte an der Nord- und Ostsee, die der Korbmachermeisterin ein Grundeinkommen sichern.

    Helga Prommer (geborene Backert) stammt aus einer Korbmacherdynastie, deren Geschichte mehr als einhundert Jahre zurückreicht. Schon ihr Großvater väterlicherseits war Korbflechter. Er war Anfangs des 20. Jahrhunderts am Aufbau der heutigen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung (Korbfachschule) beteiligt.

    Der Vater Paul Backert war Korbmacher aus Leidenschaft

    Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war die Flechterei der bedeutendste Wirtschaftszweig im Städtedreieck Lichtenfels-Coburg-Kronach. Mit der Feinflechterei (filigrane Körbchen aus gespaltener Weide) und Kleinkorbwaren anderer Materialien verdienten damals Tausende Menschen ihren Lebensunterhalt. Hierbei musste in der Regel die ganze Familie mitarbeiten. Oftmals wurde das Korbmacherhandwerk auch als Nebenberuf betrieben.

    Ihr Vater Paul Backert war Korbmacher aus Leidenschaft und brachte es bis zum Bundesinnungsmeister. Er hatte wesentlichen Anteil daran, dass die Deutsche Korbstadt alljährlich durch ihren Korbmarkt bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt. Und Helga Prommer ist die einzige Korbmacherin, die bisher an jedem Lichtenfelser Korbmarkt teilgenommen hat.

    Gerd Backert ist ihr Bruder, Waldemar Backert ihr Onkel

    Natürlich wurden auch im Familienbetrieb Backert Körbe geflochten. „Als Kind mussten wir alle mitmachen. Es gab ja damals kein Kindergeld, also mussten die Kinder alle mit anpacken“, erinnert sich Helga Prommer. Zu den acht Kindern (sechs Buben und zwei Mädchen) gehörten neben ihr der allseits bekannte singende Korbmachermeister Gerd Backert. Waldemar Backert aus Michelau, der sich auf Feinkorbwaren spezialisiert hat, ist ihr Onkel.

    Schon als Gesellin hat sie die Werkstatt des Vaters übernommen

    Fünf der Kinder besuchten die Korbfachschule, so auch Helga Prommer, die eigentlich Kindergärtnerin werden wollte. Doch der Einfluss des Vaters war stärker. Abend für Abend drängte er seine Tochter zum Besuch der Korbfachschule.

    Drei Jahre lang besuchte sie die Berufsfachschule. Auf die erworbenen Kenntnisse konnte sie aufbauen, als ihr Vater erkrankte und sie am 1. Mai 1990 als Gesellin die heimische Korbmacherwerkstatt übernahm. Für sie war es ein Sprung ins kalte Wasser. „Ohne Vorkenntnisse hab ich auch etliches in den Sand gesetzt“, bekennt sie, zumal ihr der Vater nach seinem Tod auch einen Berg Schulden überlassen hatte.

    Einkaufskörbe, Holzkörbe und Wäschetruhen

    Doch Helga Prommer ist ein sehr pragmatischer Mensch, der sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Sie machte nachträglich ihre Meisterprüfung und verzichtete, nachdem Rattan als Verarbeitungsmaterial inzwischen recht teuer geworden war, auf die Herstellung von Rattan-Möbeln, zumal das Brennen und Biegen von Rattan für eine Frau eine körperlich sehr schwere Tätigkeit ist.

    Der Corona Lockdown hatte auch seine  guten Seiten. Endlich hat es Helga Prommer geschafft ihren großen Ausstellungs- und Verkaufsraum fertigzustellen.
    Der Corona Lockdown hatte auch seine guten Seiten. Endlich hat es Helga Prommer geschafft ihren großen Ausstellungs- und Verkaufsraum fertigzustellen. Foto: Klaus Gagel

    Am liebsten arbeitet sie mit Weiden, Vollweide als geschlagene Arbeit, darauf versteht sie sich, wobei sie gern helle und dunkle Weiden miteinander kombiniert. So entstehen Einkaufskörbe, Holzkörbe und Wäschetruhen. Dabei arbeitet sie frei, ohne Formen. Als einfache Hilfen dienen allenfalls ein Kreis oder die Holzpfosten an einem Rechteck.

    „Ich möchte einfach vernünftig leben. Ich möchte gern, dass die Kunden wieder kommen.“

    Helga Prommer, Korbmachermeisterin

    Der größte Raum in ihrem Haus am Krappenberg ist Arbeitszimmer, Wohnzimmer und Küche gleichzeitig. Helga Prommer ist eben eine Pragmatikerin und kompromissfähig. Entscheidend ist für sie der Kundenwunsch, egal, um welches Material es sich dabei handelt. „Ich arbeite mit allem, was sich flechten lässt. Ich flechte mit Rattan und Weide ebenso wie mit Binsen.“ Und wenn es gewünscht wird, verarbeitet sie auch Plastik. Das Flechten mit derartigen Kunststoffen wäre für einen traditionsbewussten Korbmacher ein No-Go.

    „Ich möchte einfach vernünftig leben. Ich möchte gern, dass die Kunden wieder kommen“, bekennt sie. Doch reich wird man im Korbmacherhandwerk ohnehin nicht.

    Die Importe aus den Billigländern und der Lockdown

    Da sind zum einen die Importe aus Billigländern. „Das hat uns viel weggenommen aber es gibt immer noch Kunden, die auf Qualität Wert legen.“ Darauf setzt sie. Doch das hindert sie nicht daran, zweigleisig zu fahren. „Ich mache sehr viele Sachen selber, aber ich kaufe auch schöne Sachen aus dem Ausland. Die werden dann von mir aufgewertet, damit sie top aussehen und verkauft werden können.“

    Zum anderen ist der Lockdown auf Grund der Corona-Pandemie nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Corona hat ihr 2020 ihr wichtigstes Standbein genommen, die Märkte an der Ost- und Nordsee von März bis Oktober. Jetzt in der Vorweihnachtzeit wäre sie normalerweise auf dem Weihnachtsmarkt in Xanten an der niederländischen Grenze. Es sind 30 bis 40 Märkte, die sie im Laufe eines Jahres besucht, 2020 waren es gerade mal eine Handvoll.

    Was wird aus der Werkstatt, wenn die B 173 ausgebaut wird?

    So hat sie gelernt, mit einer Vorplanung von wenigen Wochen zu leben. „Was langfristig passiert, interessiert mich weniger“, bekennt sie. Das gilt auch für den weiteren Ausbau der B 173. Dadurch werden wohl auch die Gebäude am Krappenberg verschwinden. Wie es mit der konkreten Entschädigung aussieht, ist noch ungewiss.

    Kommt Zeit, kommt Rat, heißt es offensichtlich für sie, und diese Einstellung hat sich auch während der Corona-Pandemie bisher bewährt. Zwar stört sie auch die Ungewissheit, doch immerhin hat sie vom Staat Geld bekommen für ihren Verdienstausfall. Gleichzeitig hatte sie genügend Zeit, ihren großen Ausstellungsraum herzurichten. „Das Auge kauft schließlich auch mit“, weiß sie, und so stapeln sich in dem großen Raum unzählige Flechtarbeiten, die der Kunde an Ort und Stelle auswählen und mitnehmen kann. Die Auswahl ist wirklich gigantisch, zumal in zwei weiteren Räumen und auch im Freien Körbe und andere geflochtene Arbeiten auf ihre Käufer warten.

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