Die Gründung der „Brauerei am Hahnengraben“ geht auf das Jahr 1858 zurück. Damals befand sich das Lichtenfelser Braugewerbe in einer Krise. Das städtische Brauhaus war überaltert und zu klein geworden. Die Güte des Stoffes ging notgedrungen zurück. Fremde Biere wurden bevorzugt.
Verantwortungsbewusste Bürger suchten, diesen Zustand zu ändern, an ihre Spitze Buchdruckereibesitzer Johann Schier. Der ursprüngliche Wille, das städtische Kommunenbraurecht kurzerhand zu übernehmen und in neuer Regie weiterzuführen, scheiterte an juristischen Begriffen.
Bestandteil des Bürgerrechts, deshalb nicht übertragbar
Das Lichtenfelser Kommunenbraurecht war ein Bestandteil des Bürgerrechtes und als solches nach Paragraph 11 und 12 des Gemeindedeliktes vom 1. Juli 1834 nicht übertragbar. Während zum Beispiel in Staffelstein, Marktzeuln und Redwitz an der Rodach das Braurecht auf dem Haus ruhte und so mit dem Haus veräußert und verpachtet werden konnte, war dies hier nicht der Fall. Mit dem Ableben des Bürgers erlosch auch sein gewerbliches Recht, im städtischen Brauhaus zu brauen.
Anfang Oktober 1859 vereinten sich einige wohlhabende Männer zur Bildung des „Konsortiums der Gesellschaftsbrauerei“. Ihm gehörten an der schon genannte Johann Schier, Maurermeister Carl Soehnlein und Korbhändler Georg Kraus sowie als fachmännische Kraft und weiterer Geldgeber der Bierbrauer Johann Fischer aus Mönchkröttendorf.
Zum Wohle des Biertrinkers zu unterbinden!
Beachtenswert sind die Erwägungen, die diese Männer leiteten. Seit langer Zeit, so äußerten sie, würden in Lichtenfels jährlich mehr denn 4000 Eimer fremdes Bier eingeführt. Ein Zustand, der im Interesse der Erwerbskraft der Stadt, aber auch zum Wohle des Biertrinkers unterbunden werden müsse. Der Name des erfahrenen Braumeisters Fischer biete die Gewährschaft für die Herstellung eines guten, bekömmlichen und vor allem um einige Kreuzer billigeren Bieres. Also müsse der Schritt gewagt werden, die Ehre und Leistungsfähigkeit der alten Bierstadt aufrechtzuerhalten.
Obwohl die Genehmigung der Regierung noch nicht vorlag, begann man Ende Oktober 1859 mit dem Bau der großen Kelleranlage unterhalb des Schulgartens am Stadtgraben. Dem Bamberger Tor gegenüber, in einem noch unbebauten Garten, erhielt das neue Brauhaus seinen Standort. Vorbereitend wurde dort, ebenfalls im Oktober 1859, eine Bauhütte mit Feldschmiede aufgestellt.
Genehmigung der Regierung mit Vorbehalt am 3. Januar 1860
Am 3. Januar 1860 teilte Landrichter Eschenbach der Stadt die Regierungsgenehmigung vom 21. Dezember 1859 mit. Den Gründern wurde der Austritt aus dem kommunalen Brauverband sowie Einrichtung und Betrieb einer Brauerei erlaubt. Allerdings mit dem einengenden Vorbehalt, dass das erzeugte Bier nur in einer bestimmten Lokalität verzapft werden dürfe und anderen Brauberechtigten das Brauhaus nicht zur Benutzung offenstehen sollte.
Viele Hände halfen zusammen, Brauerei und Keller unter Dach und Fach zu bringen. Ende Mai 1860 fand die Richtfeier statt. Im Jahre 1861 wurde die neu errichtete Gesellschaftsbrauerei samt den Nebengebäuden bereits in den städtischen Registern unter Hausnummer 41a geführt. 1862 folgte der Bau eines Kellerhauses, 1864 wurde der Bierausschank mit einer Küche versehen. 1866 erfolgte die Umwandlung des Bierausschanks in eine ordentliche Gastwirtschaft.
Der erste Pächter des Ausschanks war Andreas Kühnlein. Er zog anfangs April 1866 ab und bedankte sie sich bei diesem Anlass öffentlich für das ihm seitens der Herren Aktionäre, der sämtlichen Herren Beamten, der Bürger der Stadt und aller Gäste der Umgegend geschenkte Vertrauen. Sein Nachfolger wurde ein Franz Bergner, der nun auch Mittag- und Abendessen anbot.
Die hohen Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht
Die weitgespannten Erwartungen, die die Gründer an den Bau der Brauerei knüpften, erfüllten sich allerdings nicht. Schier, der nebenher auch Bürgermeister war, gab die Leitung des Betriebes 1867 an den Korbhändler Georg Krauß ab. Ab 29. September 1873 musste infolge des Steigens der Preise der Rohmaterialien und der Arbeitslöhne der Hektoliterpreis des Bieres von neun Gulden auf neun Gulden 30 Kreuzer erhöht werden.
Auf dem Gebiet der Bierpreise verstanden die Lichtenfelser damals keinen Spaß. Das Wort, „Der Krauß und der Fischer sollen ihr Bier selber saufen!“, ging von Haus zu Haus.
Die Gesellschafter fanden keine Freude mehr an dem Unternehmen. Vier Wochen später, am 28. Oktober 1873, ging die Gesellschaftsbrauerei in den alleinigen Besitz des bisherigen Teilhabers Julius Jungk und dessen Bruder Adolf Jungk über. Als technischer Leiter wurde Braumeister J. Dürst gewonnen. Die neue Firma lautete „Exportbierbrauerei Gebrüder Jungk“. Die Blüte währte nicht lange. Am 20. August 1876 musste das Konkursverfahren eingeleitet werden und anfangs November gleichen Jahres wurde die Zwangsversteigerung des Unternehmens angekündigt.
Mit Beginn des Jahres 1877 übernahm als Hauptgläubiger die Coburg-Gothaische Creditgesellschaft unter Direktor Hermann Wekkel die Brauerei, welche nun den Namen „Bayerische Bierbrauerei“ führte. Ein außerordentlicher Antrieb setzte ein. Noch im gleichen Jahr wurde ein Maschinenhaus mit Dampfkesselanlage errichtet, dann wurden ein Kühlhaus und eine Fasshalle gebaut; 1878 folgte die Erweiterung des Eiskellers und Herstellung einer Waschanlage.
„Von den oberfränkischen Bieren ... verdient das lichte Bier der Bayerischen Bierbrauerei Lichtenfels ... rühmende Erwähnung.“
Gleichzeitig nahm die Güte des Bieres zu. Im Jahresbericht der Untersuchungsbehörde für Nahrungsmittel in Oberfranken 1878/79 wurde der Firma folgendes Lob zuteil: „Von den oberfränkischen Bieren, die dem Bureau zur Untersuchung übergeben wurden, verdient das lichte Bier der Bayerischen Bierbrauerei Lichtenfels wegen des richtigen Verhältnisses seiner Bestandteile und seines angenehmen mündlichen Geschmackes und guten Bekommens halber, rühmende Erwähnung.“ Der Absatz stieg von 1879 auf 1880 von 8954 auf 10733 Hektoliter.

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1881 ging das Unternehmen unter dem gleichen Namen „Bayerische Bierbrauerei“ um den Preis von 302 516.27 Mark an eine neugegründete Aktiengesellschaft über. Die Coburg-Gothaische Kreditgesellschaft hielt nach wie vor den größten Teil der Aktien in ihrem Besitz. Im Jahre 1830 übernahm der Engelhardt-Brauerei-Konzern Berlin das Hauptaktienpaket mit zwei Drittel des insgesamt 300 000 RM betragenden Aktienkapitals. 1882 stieg der Brauerei Umsatz auf 13.330 Hektoliter.
Erster roter Ziegelbau in Lichtenfels
Die Aktiengesellschaft stand von 1881 bis September 1911 unter Leitung von Direktor Adolf Spühler, der anfangs Oktober 1911 nach Coburg übersiedelte und dort Mitte Oktober 1919 im Alter von 70 Jahren starb. Unter seiner Leitung wurden große bauliche Veränderungen ausgeführt, so 1883 eine Gärkelleranlage, eine Malzdarre und eine Wasserleitung. Am 22. Mai 1883 wurde das mit der Brauerei verbundene Bankgeschäft niedergelegt. 1886 folgte der Bau eines Eisschachtes. Und 1888 wurde das vordere große Geschäftshaus gebaut, welches der erste rote Ziegelbau in Lichtenfels war.
1892 wurden neue Wagenremisen errichtet, 1898 im Februar wurde erstmals ein nach Münchener Art eingebrauter Bock ausgestoßen, 1911 baute man ein Kühlhaus. Der stattliche Kamin mit der alten Firmenaufschrift entstand in der Zeit vom 31. Juli 1909 bis 1. Juli 1910.
Nicht unerwähnt darf der große Gemeinsinn der Firma und ihrer Belegschaft bleiben. Als am 30. August 1892 die Heppsäge in der Bamberger Straße niederbrannte und mangels einer Wasserleitung sich Schwierigkeiten ergaben, stellte die Bayerische Bierbrauerei sofort ihren Fahrpark mit Bottichen zur Löschwasserzufuhr zur Verfügung. Dasselbe war der Fall am 3. März 1896 beim Brand im Eschenbacherschen Anwesen am Markt.
Zweimal selber vom „Roten Hahn“ bedroht: große Schäden
Zweimal war die Brauerei selber vom „Roten Hahn“ bedroht. Am 2. Januar 1886 brach in der Eishalle ein Feuer aus. Da dies durch die vorhandenen Sägspäne reiche Nahrung fand und der Brandherd schwer zu erreichen war, gestaltete sich die Abwehr recht schwierig. Am 30. März 1906 geriet in der Mittagsstunde die Malzdarre in Brand. Wenn auch dank der massiven Bauweise eine größere Ausdehnung der Flammen verhindert werden konnte, war der Schaden nicht unbeträchtlich.

Nachfolger von Adolf Spühler wurde Direktor Eugen Baer, der zuvor das Unternehmen Kloster Langheimer Urbräu führte. Unter ihm geschah 1926 der Einbau modernster Kühlräume, ferner 1927 ein Kellerei-Umbau. Auch eine neuzeitliche Abfüllanlage wurde im selben Jahr geschaffen. Am 28. April 1932 feierte die Aktienbrauerei ihr 50-jähriges Bestehen. Kurz darauf, am 1. Oktober 1932, trat Baer in den Ruhestand.
1970 kam das Ende der „Bayrisch Urbräu“
Die Familie Winterling (Gesellschafter: Ferdinand Winterling, Fabrikbesitzer in Schwarzenbach/Saale und Direktor Richard Kalbskopf) übernahm die Geschicke der Firma. Unter Direktor Kalbskopf erfolgte schließlich am 11. Februar 1953 der Zusammenschluss der Bayerischen Bierbrauerei A.G. sowie des Kloster Langheimer Urbräu zu einer Aktiengesellschaft unter der neuen wirkungsvollen Bezeichnung „Bayerisch Urbräu“. Direktor Kalbskopf legte am 1. Januar 1960 die Leitung nieder. Als sein Nachfolger waltete Theodor Rottammer im bewährten Betrieb am Bürger- und Pabstenweg. 1970 wurde das Unternehmen von der Brau AG Nürnberg übernommen, aus der später die Tucher Bräu hervorging. Das war allerdings auch das Ende die Bayerisch Urbräu, die kurz nach der Übernahme geschlossen wurde.
Hören wir zum Schluss die Stimme eines Altvorderen: „Wann immer auch von der Vergangenheit des Lichtenfelser Brauwesens die Rede sein mag, der Dreiklang Bayerische Bierbrauerei, Bürgerbräu und Bayerisch Urbräu zeigt für alle Zeiten den Weg vom bescheidenen Kommunbrauwesen zum modernen Großbräu. Durch eine dieser drei Säulen (Bürgerbräu, Kloster Langheimer, Urbräu) wird übrigens die heimische Geschichte der Bierherstellung zurückgeführt bis ins 12. Jahrhundert. Das Lichtenfelser Land rückt damit als einer der frühesten Stützpunkte der Bierherstellung zu historischer Bedeutung auf. Eine Tatsache die uns durchaus mit lokalem Patriotismus erfüllen darf.“