Ein alter Spruch im Blick auf die Erntezeit lautet: „Vierzehn Tage blühts das Korn, vierzehn Tage kernts, vierzehn Tage zeitigts“. Das bedeutet, dass ungefähr sechs Wochen nach der Roggenblüte mit dem Beginn der Ernte gerechnet werden kann. Denn noch bevor Weizen und Gerste eingebracht werden, steht die Roggen-Ernte an.
Für den möglichen Erntetermin weiß der Volksmund: „Nach Peter und Paul werden beim Korn die Wurzeln faul“. Damit ist gesagt, dass um den 29. Juni herum der Wurzelstock allmählich austrocknet und das Korn auszureifen beginnt.
Wagen aufleitern, Achsen schmieren, Pferde neu beschlagen
Freilich begann die Getreideernte in früheren Zeiten wesentlich eher als heute. Wenn die Ernte vor der Tür stand, musste auf dem Hof allerlei gerichtet werden: Die Wagen wurden aufgeleitert, die Wiesbäume gerichtet, die Achsen geschmiert, die Zuggeschirre der Ochsen und Pferde durchgesehen. Die Stadel mussten geräumt und gekehrt werden. Und die Pferde erhielten neue Eisen.
Auch das Handwerkszeug für den Schnitter und die Schnitterin musste in einwandfreiem Zustand sein. Die Sense galt in früheren Zeiten zusammen mit der Sichel als das wichtigste Erntegerät. Die Schneide, die aus Stahl bestand, wurde häufig von Hausierern bis auf den Hof gebracht. Auch die Eisenwarenhandlungen hatten in der Zeit vor der Ernte genügend Material vorrätig.
Damit die Sense auch den richtigen Schneid besaß, kam rechtzeitig der „Wetzsteiner“ auf die Höfe; im Bayreuther Land trug er den Namen „Wetzstaa Görch“. Auch die Rechenmacher zogen von Hof zu Hof, um ihre Rechen und Sensenstiele an den Mann zu bringen. Sie stammten meist aus dem Fichtelgebirge oder dem Frankenwald und waren schwer bepackt, um mindestens drei oder vier Tage verkaufen zu können.
Wenn das Wetzen nicht mehr nutzte, musste gedengelt werden
Auch für die richtige Bekleidung hatten Bäuerin und die Mägde vorzusorgen. Schnitterkittel, Staubblusen, Leinwandhosen für die Knechte, dazu Strohhüte und genügend Schwitztücher. Bis in die 1860-er Jahre wurde das Getreide noch mit der Sichel geerntet. Zum Schärfen der Sichel verwendete man einen Wetzstein, der oftmals aus den Schieferbrüchen des Frankenwaldes stammte. Wurde die Sichel auch durch Wetzen nicht mehr scharf, musste sie zuhause auf dem Hof gedengelt werden, damit wieder eine Schneid zustande kam.

Vor der Ernte ging der Bauer ein letztes Mal hinaus, um zu sehen, wo man auf den Feldern mit der Ernte beginnen würde. Der nochmalige Kirchgang am „Vorerntsonntag“ war obligatorisch. Für den Erntebeginn gab es gewisse Regeln: „St. Kilian (8. Juli) stellt die Schnitter an“, hieß es zum Beispiel. Oder eine andere Bauernregel: „Die ersten Birn bringt Margaret, drauf überall die Ernt angeht“.
Nach Gerste und Korn folgten Weizen und abschließend der Hafer
Als Erstes wurden Gerste und Korn geschnitten, dann folgte der Weizen und abschließend der Hafer. Bei extrem trockenem und heißem Erntewetter musste man sich zusätzlich sputen: Das Ausfallen der Körner führte dazu, dass man fast rund um die Uhr erntete. Ein Erntetag konnte dann von 3 Uhr früh bis 22 Uhr abends dauern. Am Morgen, wenn es noch kühl und frisch war, ging die Arbeit leichter von der Hand. Immer wieder wurde bei der Mahd zum Verschnaufen innegehalten.
Bei heißem Wetter trocknete das abgelegte Korn rasch. Es musste jedoch öfter gewendet werden, wenn es durch Regen nass geworden war. War das Getreide ausreichend getrocknet, wurde es mit Strohbändern zusammengebunden. Je mehr man hinein band, umso größer und schwerer wurden die Garben. Diese lud man dann auf, was aber zusätzlich Kraft kostete, je höher das Fuder wurde.
„Bleibt's an Anna (26. Juli) klar und rein, wird?s Korn bald im Stadel sein“
„Bleibt's an Anna (26. Juli) klar und rein, wird?s Korn bald im Stadel sein“, hieß die Regel, an der man sich häufig orientierte. Neben dem Schneiden musste nun auch täglich eingefahren werden. Das war eine kräftezehrende Arbeit! Sorge bereitete dem Bauern, wenn die Ernte durch Regentage unterbrochen wurde, denn das geschnittene Getreide wuchs dann aus.

Wenn das Gespann aufgeladen war, wurde die Ernte eingefahren. Zuhause auf dem Hof angekommen, lud man das Fuder ab, wobei man sich auch hier einen Zeitverlust nicht leisten konnte. Bei größeren Gehöften waren oft mehrere Gespanne im Einsatz, um das Korn zügig einzubringen. Die Arbeit des Abladens und Stockens war durchaus schweißtreibend, da sich in den Scheunen die Sommerhitze staute.
Reiches Brauchtum rund um die Ernte in Oberfranken
In Oberfranken gab es rund um die Ernte ein reiches Brauchtum: Die erste Ähre war der Kornmuhme, einem guten Getreidegeist, geweiht und wurde aufbewahrt; im nächsten Jahr legte man sie in die erste Ackerfurche. In die erste Garbe wurde oftmals ein Stück geweihtes Brot gebunden. Die letzte Garbe ließ man häufig auf dem Feld. Sie war für die Mäuse und Vögel bestimmte und galt als Dank oder Bitte an Gott, der den Früchten des Feldes Wachstum schenkte. Mancherorts war diese Garbe auch eine Gabe an das Holzfraala, das dafür im Winter beim Spinnen des Flaches, beim Brotbacken oder bei Krankheiten half.
Gleich nach der Ernte begann man mit dem Pflügen, um die Felder für die Wintersaat zu bereiten. Wenn es das Wetter erlaubte, wurden die Ackerschollen auch gleich zerschlagen und das Feld geeggt, sodass man zügig wieder Säen konnte. So begann der Kreislauf von Säen, Wachsen und Ernten von Neuem.