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LICHTENFELS: Fränkische Familiennamen: Die Hügerichs kommen vom Kordigast

LICHTENFELS

Fränkische Familiennamen: Die Hügerichs kommen vom Kordigast

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    Blick vom Kordigast auf Altenkunstadt. In den Orten um den Berg sind die frühesten Erwähnungen des Namens Hügerich zu finden.
    Blick vom Kordigast auf Altenkunstadt. In den Orten um den Berg sind die frühesten Erwähnungen des Namens Hügerich zu finden. Foto: Christa Schröder

    Und wieder gehen wir der Frage der Herkunft und Bedeutung der fränkischen Familiennamen auf den Grund. Heute wollen wir uns dem obermainfränkischen Familiennamen Hügerich widmen.

    Wie schon beim Namen Seubold festgestellt, existierte ursprünglich die Einnamigkeit, das heißt, dass jede Person nur einen Namen führte, der dann etwa durch Nachbenennung auf den Sohn überging. Eine andere Möglichkeit der Benennung der Nachkommenschaft bestand in der Variation, etwa dass die zweigliedrigen Personennamen der Eltern in ihren vier Bestandteilen variieren konnten. Ein Ehepaar Kunimund und Adelgunda konnte dann etwa Kinder namens Kunigunda und Adelmund haben. Diese germanische Bildungsweise aber starb im 9./10. Jahrhundert ab, so dass lediglich durch Nachbenennung ein gewisser Teil dieser altdeutschen Namen sich erhielt und zusehends durch christliche Namen wie Martin, Andreas oder Markus verdrängt wurden. Diese sind hierzulande zu den Familiennamen Martin, Endres und Marx geworden. Auch Hügerich beruht auf einem solchen alten germanischen Rufnamen.

    Die Familiennamen setzten sich erst im Mittelalter durch

    Durch die allmähliche Reduktion altdeutscher Namen und häufiger christlicher Modenamen war aber eine Unterscheidung von gleichnamigen Personen in den Märkten und Städten schwierig geworden. So setzte sich im 11. bis 13. Jahrhundert die Sitte der Beinamen und Familiennamen durch. Etwa, dass die beiden in einem Stadtviertel lebenden Ullrichs mit dem Beinamen unterschieden wurden. So gab es dann etwa einen Ullrich (genannt) der Schmied und Ulrich von Kranach. Wenn dann ein solcher Beiname vererbt und für eine Familie zur Kennzeichnung fest wurde, spricht man von einem Familiennamen.

    Der Familienname Hügerich ist heute vorzugsweise im Landkreis Lichtenfels (26 Mal) verbreitet, aber auch im Stadt- und Landkreis Bamberg (fünfmal) ist er zu finden (insgesamt 44 Telefonanschlüsse, Stand 2004). Vermutlich leben in diesem Raum circa 100 Namensträger. Er ist damit in der Region relativ selten, landesweit jedoch als ausgesprochen selten anzusprechen. Er kommt außerhalb Frankens nur einzeln vor, die Namensträger stammen vermutlich aus dem Kernraum des Obermaingebietes (siehe Karte 1).

    Bestätigung findet diese Annahme, wenn wir uns die Gefallenenlisten des Ersten Weltkriegs näher anschauen. Die Kartierung der gefallenen Namensträger (Jahrgänge um 1890) zeigt deutlich die ursprüngliche Verbreitung im Obermaingebiet (Karte 2).

    Ein exklusiver Name der Obermain-Region

    Doch wie sieht es in der historischen Überlieferung aus? Bestätigt diese den ersten Eindruck, dass es sich bei dem Familiennamen Hügerich um einen exklusiven Namen der Obermainregion handelt? So wollen wir uns die Überlieferung näher anschauen:

    • Burgheim: 1419/20 Cuntz Hügreich (Geldner, Ferdinand: Das älteste Urbar des Cistercienserklosters Langheim. Würzburg 1952, S.52),

    • Pfaffendorf: 1419/20 Ott Hügrich, der jung Cuncz Hügrich (Geldner, S.50), 1450/70 Hans Hugrich (StABa: Stb.4070, f.88),

    • Köttel: 1521 Hanns Hügerich von Kottel (StABa: Stb.8825, f.11´),

    • Woffendorf: 1555 Hans Hügerich (StABa: Stb.721, f.369),

    • Eichig: 1555 Mertein Hügerich (StABa: Stb.721, f.377´).

    Es zeigt sich deutlich eine Herkunft der Hügerichs aus dem Einzugsgebiet des Kordigast. Dort muss der Namen lange schon heimisch gewesen sein. Im Laufe des 16. bis 17. Jahrhunderts verbreitete er sich dann über diese Kleinregion hinaus im Lichtenfelser und Bamberger Raum. Einen größeren Radius hat er bis dahin nicht gewonnen, wie die folgenden Nachweise zeigen:

    • Bamberg: 1592 Hanns Hügerich Zimmerman zu Bamberg (StABa: A.231/I, Nr.3814, f.8),

    • Rothmannsthal: 1629 Hans Hügerich Weber (StABa: Hochstift Ba Obereinnahme Nr.510),

    • Isling: 1663 der Hügerichs Acker (StABa: Stb.4073, f.153a´),

    • Scheßlitz: 1773 Peter Lorentz Hügerich Metzger (StABa: A.231/V, Nr.45498, f.11´).

    Es gibt aber auch einen unabhängigen Zweig bei Ottowind/Landkreis Coburg, der aber später ausgestorben und mit einem im Jahre 1484 erwähnten Cuntz Hügerich (StaBa: A.232/IV, Nr.38534, f.3´) nachweisbar ist.

    Der Familienname Hügerich ist heute vorzugsweise im Landkreis Lichtenfels (26 Mal) verbreitet, aber auch im Stadt- und Landkreis Bamberg (5) ist er zu finden (insgesamt 44 Telefonanschlüsse, Stand 2004). Außerhalb von Oberfranken kommt er kaum vor.
    Der Familienname Hügerich ist heute vorzugsweise im Landkreis Lichtenfels (26 Mal) verbreitet, aber auch im Stadt- und Landkreis Bamberg (5) ist er zu finden (insgesamt 44 Telefonanschlüsse, Stand 2004). Außerhalb von Oberfranken kommt er kaum vor. Foto: Joachim Andraschke

    Wie aber ist der Name nun zu deuten? Der Name findet sich im Hinblick auf den gesamten deutschsprachigen Raum nur in unserer Region und ist deshalb in keinem der gängigen Familiennamenbücher behandelt. Immerhin erwähnt ihn Konrad Arneth in seiner Arbeit zu den Familiennamen des ehemaligen Hochstifts Bamberg, übrigens die einzige Arbeit zu oberfränkischen Familiennamen überhaupt, die einem Lexikon allerdings nicht Genüge tut. Ein solches müsste erst geleistet werden. Arneth erkennt jedenfalls, dass es sich ursprünglich um einen nicht nachweisbaren Rufnamen *Hugrīch handeln muss. Dem kann man sich nur uneingeschränkt anschließen.

    Der Namenbestandteil Hug- kann in drei fränkischen Personennamen des 9. Jahrhunderts. nachgewiesen werden, nämlich in Hugideo, Hugifrid und Hugimunt.

    Die bei Ernst Förstemann verzeichneten altdeutschen Personennamen kennen ebenso einen Wortstamm Hugu-; er listet zahlreiche Rufnamen wie Hugibald, Hugipert, Hugold, Hugimar, Hugirat und Hugiwolf auf, allerdings ist kein Hugirich darunter.

    Er scheint also im Althochdeutschen (gesprochen im 7. Jahrhundert, circa 1050) bereits nicht mehr existiert zu haben, muss aber von seinem Wortmuster her durchaus einmal lebendig gewesen sein.

    Da auch bei Goten und Skandinaviern kein solcher Personenname nachweisbar ist, kann es sich kaum um einen gewöhnlichen altgermanischen Rufnamen gehandelt haben. Und hier gibt der bezeugte Personenname Hugideo einen ersten Aufschluss. Die -deo-Namen sind ostgermanischer Herkunft (speziell in Franken burgundisch) und bezeichneten ursprünglich den priesterlichen Diener eines Gottes oder eines Weihetums. Das heißt nun, dass der erste Namenbestandteil Hug- einem Götterbeinamen zuzuschreiben ist.

    Ein Götterbeiname wurde gegeben, weil man eine Scheu und Ehrfurcht hatte, den eigentlichen Namen eines Gottes auszusprechen. Man nennt das einen Tabunamen. Das Landvolk hat diese Scheu in dem Spruch „wenn man den Teufel dreimal (beim Namen) nennt, dann kommt er gerennt“ bewahrt.

    Wotans Rabenvögel verkörpern die Aspekte des Denkens

    Doch zurück zum Namenelement Hug-, dieses findet sich bei einem der beiden Rabenvögel Wotans namens Hugin „Gedanke“, die den Himmelsgott begleiteten. Der andere hieß Munin „Erinnerung“. Sie verkörperten die Aspekte des Denkens, des Sinnens, des Geistigen.

    Die Gefallenenlisten des Ersten Weltkriegs (Jahrgänge um 1890) zeigt deutlich die ursprüngliche Verbreitung der Hügerichs im Obermaingebiet .
    Die Gefallenenlisten des Ersten Weltkriegs (Jahrgänge um 1890) zeigt deutlich die ursprüngliche Verbreitung der Hügerichs im Obermaingebiet . Foto: Joachim Andraschke

    Im Althochdeutschen ist das Wort als hugi/hugu /Sinn, Geist), huggen (erinnern an), gihuggen (bedenken, im Gedächtnis behalten), mittelhochdeutsch hügen (denken, sinnen) bewahrt.

    Entsprechend dazu hieße Hugirich „Herrscher über das Denken, den Geist“ und müsste als Pendant einen weiteren Beinamen Munrich zur Seite haben. Tatsächlich kann dieser in den Ortsnamen Nieder- und Hohenmirsberg nachgewiesen werden: 1129 Munrichisperch (StABa: BU 182).

    Da Bergeshöhen, Quellen, Bäume und Schluchten nach Gottheiten zwecks Verehrung oder Weihe benannt wurden, ist hier auch ein Quellflurname der Gemarkung Laineck/Landkreis Bayreuth von Interesse: 1480 am Hügersbrun (StABa: Stb.6004/1, f.256). Dieser enthält nun den Götterbeinamen Hügrich (Hügersbrunn verhält sich mundartlich so wie der Ortsname Dittersbrunn zu älterem Dietrichsbrunn).

    Halten wir also fest: der Familienname Hügerich (entstanden im 12. bis 13. Jahrhundert) ging aus einem germanischen Rufnamen Hugirich (entstanden wohl im 3./4. Jahrhundert) in der Bedeutung „der die Herrschaft über die Denkfähigkeit ausübt“ hervor. Durch Nachbenennung erhielt er sich in einem Namenpool innerhalb der Region um den Kordigast.

    Der Rufname beruht dabei auf einem Beinamen des Gottes Wotan. Die Vergabe dieses Namens an eine Person entsprach dem Wunsch nach Schutz und Weihe als Widmung an diesen Gott. Vergleichbar ist dieser Vorgang mit der Vergabe des Namens Jesus im lateinamerikanischen Bereich.

    Dass ein Götterbeiname zum Rufnamen wird, ist einmalig

    Dass dieser Götterbeiname zu einem germanischen Rufnamen wurde dürfte einmalig im gesamten deutschen Sprachraum sein. Er ist in der germanischen Siedlungskammer Altenkunstadt-Weikendorf (†)-Woffendorf-Burgheim-Isling entstanden.

    Als ursprüngliche Verehrungsorte des Gottes Wotan dürfte hier der Bohnberg (1308 in monte dicto Babenberg) oder der Wolfsberg (1422 auf dem Wolfsberg) bei Altenkunstadt zu benennen sein (nach den Götterbeinamen Babbo und Wolf). In der Siedlungskammer Meeder-Mirsdorf-Ottowind ist dies der Simmersberg (nach dem Götterbeinamen Sintheri).

    Hier sind die Entstehungszentren für den Rufnamen und in der Folge für den Familiennamen Hügerich zu sehen.

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