Erleichterung bei den Gärtnern: Unabhängig von den aktuellen Corona-Zahlen dürfen ihre Betriebe in Bayern wieder öffnen. Erst vor kurzem haben Gärtnereibesitzer dem Landrat in Lichtenfels ihre außergewöhnliche Situation und das saisonale Problem ihrer Branche dargelegt. Warum die Entscheidung zur Öffnung den Handel entzerrt und die fränkische Kultur stärkt.
Ein 5000 Quadratmeter großes gut belüftetes Gewächshaus steht auf einer Wiese an einem beliebten Badesee in Oberwallenstadt mit hunderten Menschen in der Nachbarschaft – und darf erst ab Mittwoch, 28. April, wieder für seine Kunden öffnen. Dennoch sind die Gärtner im Landkreis Lichtenfels erleichtert: Blumenläden und Gärtnereien dürfen in Bayern wieder unabhängig von den aktuellen Corona-Zahlen öffnen. Damit setzt Bayern eine Ausnahmeregelung in der neuen bundesweiten Notbremsen-Regelung für Corona-Hotspots um.
Bislang war die Branche der inzidenzabhängigen Öffnungsregelung im Einzelhandel unterworfen. Lediglich der Verkauf von Gemüsepflanzen, Kräutern, Tomaten und Gurkenpflanzen war erlaubt. Wenn diese Sparte mehr als 50 Prozent des eigenen Verkaufs ausmacht, dann zählte diese zum Lebensmittelverkauf, und das Geschäft durfte vollständig öffnen. Allen anderen blieb nur das Click&Collect – oder in manchen Fällen ein Liefersystem übrig.
„Aber die Leute sind verunsichert“, so Joachim Mahler, der gemeinsam mit seiner Frau die gleichnamige Gärtnerei in Lichtenfels führt. „Sie wissen nicht, was sie kaufen können, was nicht und was sie bestellen müssen. Und viele kommen deshalb nicht.“ Das soll sich nun ändern.
Saisoneller Druck für Gärtnereien
Erst am vergangenen Montag hatte eine kleine Delegation von Vertretern aus der heimischen Gärtner-Branche bei Landrat Christian Meißner vorgesprochen. Denn „es ist nicht fünf vor zwölf, sondern eine Minute vor zwölf“, hatte Meinhard Stürke von der gleichnamigen Gärtnerei in Buch erklärt. Sein Kollege und oberfränkischer Obermeister der Gärtnerinnung, Christian Kunstmann, von der gleichnamigen Gärtnerei in Weismain legte die saisonelle Problematik der Situation für die Gärtnereien dar: Viele von ihnen erwirtschaften in den Monaten April, Mai und Juni die Hälfte ihres Jahresumsatzes, wenn nicht sogar mehr.

Viele der Betriebe seien in Familienhand, und bangen um ihre Existenz. Pflanzen wachsen jeden Tag und können nicht einfach eingelagert werden, wie manch andere Verkaufsgegenstände. Für zahlreiche Pflanzen gebe es zudem lange Vorlaufzeiten, alle Phasen seien getaktet. Dieses saisonale Problem gebe es in diesem Ausmaß in keiner anderen Branche. „Uns ist bewusst, dass die Situation im Landkreis gerade sehr angespannt ist,“ so Kunstmann. „Wir sind deshalb auch nicht hier um zu fordern, sondern um zu bitten.“
Ob der Landrat noch vor der Bayerischen Kabinettssitzung am Dienstag an entsprechender Stelle noch einmal appellieren könnte? Schließlich haben die Gärtnereien schon im vergangenen Jahr gezeigt, dass auf ihre Hygienekonzepte Verlass sei.
Fränkische Pflanzenvielfalt und Gärten als Kulturgut
Christian Meißner, der zu juristischen Überlegungen Kollegin Kathrin Bullmann, Leiterin der Abteilung Soziales, Jugend und Familie, Straßenverkehr und Tiefbau am Landratsamt Lichtenfels, zu Rate zog, zeigte Verständnis für die „Gärtners“, wie er diese begrüßte, und äußerte offen Kritik an den verschärften Maßnahmen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Deshalb versprach er auch noch am selben Tag zum Kabinettsmitglied Dr. Florian Herrmann Kontakt aufzunehmen.
Auch, wenn es keiner weiteren Argumentation bedurfte, da alle Anwesenden im Raum das gleiche Ziel verfolgten, verwies Kreisfachberater Michael Stromer noch auf die Bedeutung der Gärtnereien, der Pflanzenvielfalt und der wunderschönen fränkischen Gärten für die Region und den Tourismus, sollte dieser denn wieder anlaufen. „Man stelle sich mal diese Kultur ohne Blumen vor!“ Die traurige Alternative für viele Gartenliebhaber bestehe dann im Gang zum Supermarkt, der – wie auch schon im vergangenen Jahr – sein Pflanz- und Pflanzzubehörangebot stetig ausgebaut hat. Der Andrang dort grenze zu Stoßzeiten fast an „Wühltisch-Atmosphäre“, beobachten einige Gärtnerei-Inhaber. „Dann ist der Gärtner der Dumme, der sich regional orientiert hat. Das darf nicht sein“, so Stromer.
Christian Kunstmann freute sich am Ende des Gesprächs über die „Rückendeckung“ durch das Landratsamt Lichtenfels, Christian Meißner hatte für das Anliegen der Gärtner eine gute Chance in der jüngsten Kabinettssitzung gesehen – und behielt recht. Er selbst wünscht sich mehr bundeseinheitliche Regelungen. „Alles andere führt nämlich bei den Leuten zu Verdruss.“