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LICHTENFELS: Hartes Ringen um Arbeitsplatzerhalt bei Colibrium Additive

LICHTENFELS

Hartes Ringen um Arbeitsplatzerhalt bei Colibrium Additive

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    Der 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels.
    Der 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels. Foto: M. Drossel

    Hinter Volker Dumsky liegen harte Wochen. Das Unternehmen Colibrium Additive hatte aufgrund der Auftragsflaute einen massiven Stellenabbau angekündigt, der Betriebsratsvorsitzende und sein Gremium hatten zusammen mit Reinhard Schmid, Fachanwalt für Arbeitsrecht, intensivste Verhandlungen mit der Unternehmensleitung führen müssen. Nun aber ist Dumsky überzeugt: „Wir haben das Bestmögliche für die Mitarbeiter erreicht.“

    Colibrium Additive, vormals GE Additive und gegründet als Concept Laser, hat nach Unternehmensangaben über 300 Mitarbeiter. Seit November hatte es Verhandlungen mit der Geschäftsleitung am Standort über den Abbau von Arbeitsplätzen gegeben. Seit kurzem ist klar: Rund 90 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden den 3D-Druck-Pionier verlassen müssen. Ursprünglich, so Dumsky, seien 120 im Gespräch gewesen. Und dennoch: Es bleibt bei Massenentlassungen – rund 30 Prozent der Belegschaft muss gehen. Und damit muss es laut Betriebsverfassungsgesetz einen Sozialplan geben, der von Betriebsrat und Arbeitgeber gleichberechtigt verhandelt wird.

    Nachtschichten inklusive

    „Wir hatten teils Nachtschicht-Sitzungen, nun aber ist eine vernünftige Einigung für alle Beteiligten in Sicht“, sagt der Reinhard Schmid, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Der Bamberger Experte hat schon viele Restrukturierungen in Unternehmen begleitet und Sozialpläne mit ausgehandelt. Nun unterstützt er den Betriebsrat von Colibrium Additive. „Die Agentur für Arbeit ist von viel Schlimmerem ausgegangen.“ Also von weit höheren Entlassungszahlen. „Ganz klar, dass der Standort erhalten bleibt, ist ein Riesenerfolg.“

    „Es war das gemeinsame Ziel von Betriebsrat und Unternehmen, zügig zu verhandeln“, so Schmid. „Es geht hier schließlich um Menschen.“ Und dennoch ist noch immer nicht hundertprozentig klar, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen müssen. Die Geschäftsführung, so Schmid und Dumsky unisono, sei aber von Anfang an sehr offen gewesen, habe den Betriebsrat frühzeitig in die Pläne eingeweiht und eingebunden.

    Gegenvorschläge unterbreitet

    Der Betriebsrat zählt neun Personen, quer durch alle Abteilungen von Colibrium Additive. „Wir sind ein sehr gutes Gremium“, bekräftigt Dumsky. „Da wir in allen Abteilungen sind, hatten wir großes Hintergrundwissen und konnten der Unternehmensleitung Gegenvorschläge unterbreiten.“ Diese seien auch oft angenommen worden. Die gemeinsame Prämisse sei immer gewesen, einen Betrieb zu hinterlassen, der besser dasteht wie vorher. Der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze habe, so Dumsky und Schmid, ganz klar im Fokus gestanden, daneben der Erhalt guter Arbeitsbedingungen – und, für diejenigen, die es mit einer Kündigung treffen würde, eine möglichst sozialverträgliche Lösung zu schaffen.

    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels.
    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels. Foto: M. Drossel

    „Ich habe noch nie erlebt, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat so gut eingebunden hat wie hier“, lobt Schmid. „Außerdem arbeitet der Betriebsrat hier auf einem Niveau, wie man es nur sehr selten findet, nämlich realistisch und hoch professionell. Mit dem, was wir erreicht haben, könnten wie zufrieden sein – für die Menschen, für die Firma und für die Region.“ Schmid wehrt sich im Namen des Betriebsrats gegen Behauptungen von Gewerkschaftsseite: „Es ist kein Ja-Sager-Betriebsrat, er hat genau so hart verhandelt, wie es eine Gewerkschaft getan hätte.“ Jedoch sei es immer ein Spagat, wenn eine amerikanische Muttergesellschaft hinter einem Unternehmen stehe, in diesem Fall General Electric.

    „Noch nicht ganz durch“

    Seit der Betriebsversammlung vom 13. Dezember ist klar, dass es Kündigungen geben wird (diese Redaktion berichtete). Nicht bekannt ist jedoch, wen konkret es treffen wird. „Wir sind noch nicht ganz durch“, sagt Volker Dumsky. Vor wenigen Tagen wurde zu einer weiteren Betriebsversammlung eingeladen, die Ende Januar stattfindet. Dann sollen mehr Details bekannt gegeben werden, auch zum Sozialplan.

    Transfergesellschaft geplant

    „Ich bin überzeugt, dass wir einen Sozialplan verhandelt haben, der sich für diese Region sehen lassen kann“, bekräftigt Betriebsratsvorsitzender Dumsky. Fachanwalt Schmid ergänzt: „Der Sozialplan liegt deutlich über dem, was andernorts üblich ist.“ Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit wird eine Transfergesellschaft gebildet. Man habe sich, so Schmid, für ein Transfer-Unternehmen entschieden, das regional besonders gut vernetzt sei und eine von sich selbst sage, in der Regel 70 bis 80 Prozent der Personen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezögen, wenn sie sich für die Transfergesellschaft entscheiden, ein so genanntes Transfer-Kurzarbeitergeld, das wohl zwischen 80 bis 90 Prozent des regulären Arbeitslohns liegen werde. Das geschehe zusätzlich zur Abfindung, „die vermutlich aufgestockt wird, wenn sie in die Transfergesellschaft wechseln und auf eine Kündigungsklage verzichten.“ Familien mit Kindern oder von Personen mit Schwerbehinderung erhalten besondere Unterstützung. Fachanwalt Reinhard Schmid bilanziert: „Es ist ein Konstrukt, das für die betroffenen Mitarbeiter sozial, sehr gerecht und fair ist.“

    Kündigungswelle bleibt aus

    Nach wie vor, so betont Dumsky, sei das Arbeitsklima bei Colibrium Additive gut: „Wir wissen, dass unsere Mitarbeiter sich wohlfühlen.“ Nach der Hiobsbotschaft im Dezember habe es deshalb auch keine Welle an Kündigungen gegeben.

    „Wir hoffen, dass der Standort noch lange erhalten bleibt“, betont Reinhard Schmid. Übrigens: „Wir haben die Zusage der Unternehmensführung, dass wir, wenn die Auftragslage sich verbessert, wieder nach oben schauen“, so Dumsky Gemeint ist die Zahl der Arbeitsplätze.

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    Additive Fertigung: Wie es um die Branche bestellt ist Volker Dumsky leitet das Betriebsratsgremium bei Colibrium Additive seit eineinhalb Jahren als freigestellter Vorsitzender, ist seit siebeneinhalb Jahren im Unternehmen - und war im Jahr 2020 schon da, als Colibrium Additive schon einmal 90 Leute entlassen musste (diese Redaktion berichtete). Dumsky ist zudem Mitglied des europäischen Betriebsrats des Konzerns. „Wir haben eine Firma, die für uns vom europäischen Betriebsrat den Markt sondiert“, erläutert er. Frühzeitig sei erkennbar gewesen, dass die Branche in große und immer größere Probleme gerät. „Weltweit hat die additive Fertigung nicht die Umsatzzahlen wie erhofft.“ Auch das Firmengebäude von Colibrium Additive in Lichtenfels – der 3D-Campus – wurde einst für mehr als 700 Mitarbeitende errichtet. Für die Automobilindustrie nebst Zulieferer seien die hochwertigen Werkstücke aus dem 3D-Drucker schlichtweg für die Serienfertigung nicht preisgünstig genug. Die Luftfahrtbranche in Deutschland und Europa habe sich nach Corona nur schleppend erholt und sei noch lange nicht auf dem Niveau vor der Pandemie, was wiederum die Flugzeughersteller in Not bringt. Ein dritter für Colibrium Additive wichtiger Sektor ist die Medizin. „Hier gibt es hohe Qualitätsanforderungen, aber es ist ein sehr regulierter Markt“, so Dumsky. Die Folge aus den Entwicklungen in der Branche: „Viele Unternehmen verkaufen ihre Maschinen längst unter Marktwert“, so Dumsky. Eine Abwärtsspirale mit fatalen Folgen. Das Fazit von Branchenkennern daher ist ernüchternd: Es werde in 2025 mutmaßlich eine Marktbereinigung geben. „Es wird wohl für viele schwierig, am Markt zu bestehen“, mutmaßt Dumsky.

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