Gunda hängt hinter Glas an der Wand. Um den kleinen Rahmen herum grau-blaue und gelbe Farbreste, die der Wand Patina geben. Von Jahrhunderten erzählen. Gunda war die letzte Bewohnerin des Heinachhofs zwischen Kösten und Weingarten. Sie hatte ihre Mutter gepflegt. Nach deren Tod blieb sie allein im Haus. So mittellos war sie, dass sie im Winter Teile des Holzbodens herausriss, Balken ansägte, um mit dem Holz heizen zu können.
1977 brach ein Großteil des Dachgestühls bei einem Sturm zusammen. Weil das Gebäude denkmalgeschützt war, bekam Gunda die Errichtung eines Notdachs gezahlt und lebte in einer halben Ruine bis zu ihrem Tod im Jahr 1982.

Jasmin Dean und Sebastian Hofmann sprechen mit viel Respekt von Gunda. Denn das Paar sind die ersten Menschen, die nach Gunda wieder in den Heinachhof zogen. Als sie die Alte Schäferei 2014 erwarben, war es eine Ruine auf einer Grundfläche von stolzen elf auf 20 Metern. Ein Teil der ersten Stockwerks fehlte. Kein fließendes Wasser, keine Toilette. Zum letzten Mal war der Gutshof um das Jahr 1871 grundlegend saniert worden.
Wie ein Geschenk

Für die beiden ist das Gebäude gerade deswegen ein Geschenk. Keine Bausünden der 1960-er Jahre, keine grobschlächtigen Sanierungen. „Alles völlig original“, sagt Sebastian Hofmann. Der 40-Jährige gerät dabei schnell in Schwärmen. Von Fenstern, die noch aus dem Jahr 1753 stammen. Von der Stärke des Hauses, das die Jahrhunderte überdauert hat. „Aber zuletzt nur noch aus Gewohnheit zusammenhielt“, wie er lachend sagt.
1432 urkundlich erwähnt

1753 wurde der Heinachhof errichtet. Zumindest in seiner heutigen Form. Schon 1432 wurde die Schäferei „Haynach“ erstmals urkundlich erwähnt. „Teile des Kellers sind älter als das Haus“, weiß Jasmin Dean zu erzählen. Sie berichtet von der schwarzen Küche, vom altdeutschen Kamin, der sich immer noch wie ein finsterer Schlund nach unten öffnet. Von Eichentreppen, die die Fußtritte von Menschen verschiedener Jahrhunderte geformt haben. Vom Hundeloch in der Außenwand nahe der Eingangstür. Wie viele Hunde dort an der Kette hingen? Offensichtlich mochten die Vierbeiner die Treppe vor der Tür. Denn ihre Kette hat Spuren im Sandstein-Türstock hinterlassen.
Der Heinachhof ist nun saniert. Weitestgehend. 3,5 Jahre wurde in und an ihm gearbeitet – bis in das Jahr 2023. So richtig fertig wird so ein großes historisches Gebäude aber wohl nie. Geschichte ist nie pflegeleicht. In dem Teil des Gutshofs, der einst nach dem Dacheinbruch abgetragen wurde, befindet sich jetzt die moderne Wohnung hinter wieder aufgebautem Mauerwerk. Das Fachwerk wurde so ausgefüllt, wie es seit jeher der Brauch war. Mit einem Astgeflecht und Lehm zwischen den Balken.

Das gehörte zu den Eigenleistungen, die die neuen Hauseigentümer mit Freunden und Verwandten selber stemmen konnten. Neben tonnenweise Schutt zu entfernen, beispielsweise. Ohne die tatkräftige Unterstützung der (Schwieger-)Eltern Ursula und Stefan Hofmann wäre das Projekt Heinachhof ein wohl ungleich steinigeres geworden – und ohne die Hilfe der vielen Freunde und Verwandten.
Ein echter Glücksgriff
Einen Glücksgriff, so sagen es die Heinach-Eigentümer, hätten sie auch mit den Architekten und Handwerkern gemacht. Die, so scheint es, von dem alten Gutshof offensichtlich auch verzaubert waren. Die Renovierung des Hofes fand äußerst behutsam statt. Nichts, was nicht unbedingt notwendig war, wurde von der Substanz entfernt. Keine neue Farbe übertüncht die Innenwände. Die Spuren der Zeit, ausgewaschner Sandstein, abgetretene Dielenböden, all das erzeugt etwas fast Mystisches.

Die „Haanicher Gunda“ hat den Gutshof nie in einem so guten Zustand erlebt, wie er jetzt da steht. Sie sah ausschließlich den schrittweisen Zerfall. Geliebt haben muss sie den Heinachhof trotzdem von ganzem Herzen: Kaufangebote schlug sie aus. Sie lebte bis zu ihrem Tod im Hof. Was sie wohl empfinden würde, das sanierte Haus heute so zu sehen?
Am Tag des offenen Denkmals, Sonntag, 10. September, hat die Alte Schäferei von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen gibt es um 14.30 und 16 Uhr (Dauer jeweils eine Stunde). Dabei erfahren die Teilnehmenden viel über die Hausgeschichte und die Sanierung von den Hausherren und Handwerkern.