Geschützt hinter dem Zaun könnte man sie „süß“ und „flauschig“ nennen. Gemeinsam mit ihnen auf der Weide auf einer Anhöhe hinter Giechkröttendorf bei Weismain sind dagegen Respekt und Vorsicht vor den großen Tieren mit den langen Hörnern angesagt. Doch Jürgen Hügerich kennt seine zehn schottischen Hochlandrinder und beruhigt sie mit einem freundschaftlichen „Ach Sabine, geh weiter!“
Ganz bewusst hat er sich vor rund fünf Jahren für diese Rasse und eine extensive Beweidung entschieden. Das heißt: Die vier Mutterkühe und ihr Nachwuchs bleiben immer nur für eine begrenzte Zeit an einer Stelle, um frisches Gras zu fressen. Im Anschluss daran haben die Trockenmagerrasenwiesen wieder Zeit sich zu regenerieren und zu ruhen.
Für dieses System ist nur eine bestimmte Anzahl an Tieren möglich, da ansonsten Trittschäden überhandnehmen würden. Die schottischen Hochlandrinder von „Hügis Highlandfarm“, wie seine Freunde sein Anwesen betiteln, weiden das ganze Jahr hindurch draußen auf rund zwölf Hektar Fläche. Ihr dickes Fell und die Robustheit der Rasse ermöglichen dies.

„In einem Stall würden solche Tiere eingehen“, so Jürgen Hügerich. Dagegen fühlen sie sich an den steilen Hängen, die die Weiden der Familie Hügerich prägen, pudelwohl.
„Ich wollte etwas ganz anderes machen.“ Jürgen Hügerich
Damit hat er sich bewusst gegen die in seiner Familie traditionelle Milchkuhhaltung, wie sie schon sein Vater und sein Großvater betrieben haben, entschieden: Die Hochlandrinder werden nicht zur Milchproduktion gehalten, sondern um ihre Kälber aufzuziehen. Tatsächlich befinden sich die derzeit zwei Jungtiere, Matteo und Moritz, stets nah bei den Müttern.
„Nachdem mein Vater sich zur Ruhe gesetzt hat, war unser Hof eine Zeit lang verpachtet. Ich habe mich dann für die Bewirtschaftung entschieden, aber wollte etwas ganz anderes machen“, erklärt der ausgebildete Elektriker, der heute als Projektleiter für technische Projekte in einem großen Unternehmen tätig ist.
Weiderundgang am Morgen

Die Mutterkuhhaltung sei wirtschaftlich nicht sehr rentabel, erzählt der Nebenerwerbs-Landwirt.
Das Rindfleisch aus zwei vergangenen Schlachtungen habe er im Kreis der Familie und der Freunde verteilt. Derzeit überlegt er, in die Direktvermarktung einzusteigen oder neue Formen des Tier-Leasings auszuprobieren.
Doch bis dahin genießt er das Beisein mit den Tieren auf der Anhöhe, lässt diese nahe an sich herankommen und füttert sie mit Äpfeln. Die schwere körperliche Arbeit und der Zeitaufwand scheinen gerade vergessen. Denn jeden Morgen steht der rund einstündige Weiderundgang an. Sein Vater begleitet ihn dabei. Vor einigen Jahren habe er ihm geraten: „Überleg dir das gut. Auf dem Papier sieht es einfach aus, aber dann geht?s richtig los!“
Heute ist er sichtlich stolz auf seinen Sohn. Dabei werden etwa die Tiergesundheit und die Zäune überprüft, zusätzlich Wasser und Heu bereitgestellt. Jürgen Hügerich schafft eigene Wintervorräte an, denn ein erwachsenes Hochlandrind benötigt pro Tag rund zwölf Kilogramm Heu, im Sommer frisst es circa 50 Kilogramm Gras. „Alles, was auf der Wiese wächst“, lacht Jürgen Hügerich. Zur Pflege der Weide kann nicht an allen Stellen der Traktor eingesetzt werden, zu steil sind die Hänge am hinteren Ortsende von Giechkröttendorf, zu schmal so mancher Flurweg.
Unterstützung durch bayerisches Bergbauernprogramm
Diese besonderen Gegebenheiten und Herausforderungen hat auch der Freistaat Bayern erkannt: So erhält Jürgen Hügerich Unterstützung durch das bayerisches Bergbauernprogramm, das auf diese Weise die multifunktionale Weidehaltung unterstützt, erklärt Arno Eisenacher vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Coburg-Kulmbach.
Mit diesen finanziellen Mitteln hat er vor Kurzem beispielsweise eine Viehschutzhütte mit angrenzendem Futterplatz errichtet. Der schlichte Holzbau wirkt gemütlich. Zum ökologischen Ausgleich hat er eine Hecke gepflanzt. Ebenso wichtig war jedoch die Investition in einen Fangstand für die Rinder: Die Metallvorrichtung mit Wartebereich und Eintreibekreis ermöglich es, die Tiere sicher einzufangen, zu verladen oder tierärztlich zu behandeln – ohne dass Mensch oder Tier Gefahr laufen, dabei verletzt zu werden.

„Leider hat es bei diesen Tätigkeiten in Oberfranken in den letzten Jahren schon einige Todesfälle gegeben“, blickt Arno Eisenacher zurück. Auch er ist beeindruckt über die Ausrichtung des Hofs, gleichzeitig über den Beitrag zu Naturschutz. Die Offenhaltung von Flächen ist vielerorts Voraussetzung dafür, dass sich bestimmte Tier- und Pflanzenarten wieder ansiedeln und überleben. Sie wiederum fördern die Qualität des Grünlands.

In diesem Sinne hat Jürgen Hügerich auch einige Obstbäume auf der Weide gepflanzt. Zusätzlich spenden diese im Sommer Schatten für die Tiere.
Also Biobetrieb zertifiziert
Durch die extensive Wirtschaftsweise war es auch kein großer Schritt mehr, sich als Biobetrieb zertifizieren zu lassen. Der bürokratische Aufwand sei dafür sehr groß und nehme viel Zeit in Anspruch. Doch so trägt Jürgen Hügerich dazu bei, dass der Anteil der Biolandwirte im Landkreis Lichtenfels weiter ansteigt. Die ausbezahlte Förderung ist notwendig, um die wirtschaftliche Existenz der Mutterkuhhaltung zu sichern.
Die Ziele des Landwirts und zweifachen Familienvaters bleiben bescheiden: Natürlich möchte er einen guten Vertriebsweg für die Fleischvermarktung etablieren, gleichzeitig nennt er eine Herdengröße von 15 bis 17 Tieren als Wunsch, denn Futter zukaufen möchte er nicht.