Ausnahmezustand herrscht am ersten Juniwochenende in ganz Bayern und auch der Landkreis Lichtenfels bleibt nicht verschont vom verheerenden Hochwasser. Das Extremwetter ruft zwischen Samstagnachmittag und Sonntagmittag die Floriansjünger und die Mitglieder des Technischen Hilfswerks im Kreisgebiet zu rund 450 Einsätzen auf den Plan und verlangt diesen viele ihre Kräfte ab. Am Sonntagnachmittag erhielt die Redaktion folgenden Bericht des 2. Kommandanten Florian Helmbrecht sowie von Holger Reinlein von der Feuerwehr Lichtenfels, der eindrücklich das in der Ausnahmesituation Erlebte widerspiegelt:
„Wo fang ich an? Wo höre ich auf?“ – Dieser Gedanke kam sicherlich vielen Kameradinnen und Kameraden in den Sinn, die gestern bei uns im Stadtgebiet eingesetzt waren.
Auch wenn das Ganze für uns eine extreme Unwetterlage war, die viele in ihrem Leben so noch nie erlebt haben, so sind wir doch demütig, dass wir keine derartig gravierenden Zustände wie noch weiter im Süden, wie im Allgäu oder Augsburg, hatten, wo tragischerweise auch ein Feuerwehrmann bei einer Rettungsaktion ums Leben kam (Ruhe in Frieden!).
Auch viele unserer Feuerwehrleute waren bei sich zuhause früher oder später selbst von den Wassermassen betroffen, setzten sich jedoch selbstlos lieber erst einmal für andere Menschen ein.

Alleine schon die Szenen zu Beginn des Einsatzes haben sich vielen von uns ins Gedächtnis gebrannt. Manch einer zweifelte ob man das Feuerwehrhaus überhaupt noch mit dem eigenen Fahrzeug erreicht. Die Zustände die sich dann aber beispielsweise in der Bamberger Straße zutrugen, waren nur schwer vorstellbar. Millionen Liter Wasser setzen diese Hauptverkehrsader vom Güterbahnhof bis zum Kriegerdenkmal in Seubelsdorf fast einen halben Meter unter Wasser.

Die Auswirkungen des gestrigen Unwetters zogen sich aber letztlich durch das ganze Stadtgebiet, mit Schwerpunkt Kernstadt, Seubelsdorf, Wallenstadt und dem Stiftsland. Die örtliche Einsatzleitung hierzu befand sich in unserem Gerätehaus.
Letztlich konnten wir in Zusammenarbeit mit unzähligen Feuerwehren aus dem Landkreis und 300 Einsatzkräften knapp 200 Einsätze abarbeiten. Die Dunkelziffer an tatsächlichen Ereignissen dürfte jedoch noch deutlich höher gewesen. Viele Bürger mussten sich aufgrund der unterschiedlichen Prioritäten der Einsätze weit hinten anstellen und konnten sich zunächst nur selbst helfen.

In Fahrzeugen und Wohnungen in Gefahr eingeschlossene Personen und Objekte, die bis zur Decke unter Wasser standen, hatten einfach gegenüber zehn Zentimeter hoch stehenden Wasser im Keller Vorrang. Dafür möchten wir um Verständnis bitten, alle Feuerwehrleute haben ihr bestes gegeben, um möglichst allen gerecht zu werden.“
Holger Reinlein führt aus, dass der Einsatz von Samstag, 16 Uhr, bis nachts um 4.30 Uhr anhielt. Mit kurzer Unterbrechung war man aber bald ab 6 Uhr wieder mit Einsätzen bis in den späten Sonntagnachmittag hinein beschäftigt: "Eine absolute Material- und Personalschlacht". Das Hochwasser ging auch nicht spurlos am technischen Equipment der Wehr vorbei:
„Zwei unserer Großfahrzeuge sind aufgrund von Problemen mit der Elektrik vorübergehend nicht mehr einsatzbereit. Unser Kommandowagen, welcher nicht zuletzt bei solchen Lagen ein essenzieller Bestandteil unserer Alarm- und Ausrückeordnung ist, wurde durch die schieren Wassermassen, wie aus dem Nichts überrollt und wird ein wirtschaftlicher Totalschaden sein, von sonstigen kleineren Gerätschaften und Ausrüstungsgegenständen die gestern an ihre Belastungsgrenze gekommen sind ganz zu schweigen.

Glücklicherweise sind unsere Einsatzkräfte im wahrsten Sinne des Wortes mit einem blauen Auge davon gekommen, genauer mit einem blauen Auge, einem abgebrochenen Zahn, Schürfwunden, leichten Erschöpfungszuständen und zahlreichen Blasen an den Füßen.
Wir sagen Danke an alle beteiligten Einsatzkräfte und Unterstützer! Danke an unsere Familien die uns im Hintergrund den Rücken freigehalten haben. Danke an alle verständnisvollen Bürgerinnen und Bürger.
Jetzt sind wir, neben den einzelnen immer noch laufenden Einsätzen, einige weitere Stunden damit beschäftigt wieder klar Schiff zu machen und unsere Einsatzbereitschaft wieder herzustellen.
Zum Schluss hat uns dieser Einsatz mal wieder eines gezeigt: Auch wenn unser Equipment sicherlich nicht bei jedem kleinen Einsatz über das Jahr sein volles Potenzial ausschöpfen muss, so haben wir werden am eigene Leib erfahren müssen, wie wichtig die richtige Ausrüstung ist. Wir hoffen, dass bei all den lobenden Worten, die wir erhalten, zukünftig die Diskussionen hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit von bestimmten Einsatzmitteln oder einzelner Austattungsmerkmale (Stichwort: Allradfahrgestell, Wat-Tiefe) sich erübrigt haben. Aber, wo fang ich an und hör ich auf….“
