Lichtenfels Es war voll in der Aula des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels. Und es ist eine Tradition. Autorenlesung stand auf dem Programm für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 12. Dieses Mal hatte man einen Autoren zu Besuch, der vor über 20 Jahren bereits einmal zu Gast war: Ingo Schulze, gebürtiger Dresdner, in Berlin wohnend und seit November 2023 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Sein Lebenslauf ist so interessant wie seine Bücher. 1962 geboren, studierte er an der Universität in Jena von 1983 bis 1988 unter anderem Germanistik. Danach war er knapp zwei Jahre Schauspiel-Dramaturg am Landestheater Altenburg, erlebte dort die Wende mit. 1990 gründete er mit anderen die Zeitung „Altenburger Wochenblatt“, bevor er 1993 in St. Peterburg das Anzeigenblatt „Priwet Petersburg“ mitbegründete.
33 Augenblicke des Glücks
Und von dieser Zeit erzählte er in einem Ausschnitt aus seinem Roman „33 Augenblicke des Glücks“, seine erste Begegnung mit der russischen Lebensart und den völlig anderen Lebensumständen. Seine Sprache: ausdrucksvoll, beschreibend, mitreißend. Humorvoll, aber dennoch mit Stil beschreibt er, wie er auf einem Marktplatz einer armen Frau einen Geldschein in die Hand drückt und er so zum ungewollten Helden der Menschen dort wird. Blumig erzählt er, wie sein ganzer Körper mit Adressen und Telefonnummern vollgeschrieben wird, über die immense Anzahl von Geschenken, für die man ein zweites Taxi benötigt.
Ein Ausschnitt nur, der aber die Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert. Auch beim zweiten Stück aus dem Buch „Handy“ nimmt er sich selbst nicht allzu ernst. Eine Beschreibung eines Sommertages, zwischen Diät-Kartoffelsalat, Prosecco und Bier, mit Frau, Schwiegermutter, Töchtern und Freunden. Skurrilitäten des Alltags.
Verständnisproblem
Ernster wurde es beim letzten Ausschnitt. Dieser Text war ein Auszug einer Rede, die er vor den „Linken“ im Jahr 2014 in Erfurt hielt – aus dem Buch „Der Amerikaner, der Kolumbus entdeckte“. Ein Rückblick auf sein Leben, auf seinen schulischen Werdegang, seinen Grundwehrdienst bei der NVA und das Leben in der DDR, vor, während und nach der Wende.
Und hier merkte man, dass die Jugendlichen doch ein gewisses Verständnisproblem hatten, liegen diese Ereignisse doch alle weit vor ihrer Geburt. Ein Streifzug auf privater Ebene in Zeiten einer Weltpolitik, die den Jugendlichen nur aus dem Fernsehen oder Erzählungen bekannt ist.

Dennoch hingen sie an den Lippen Schulzes, verstand er doch, das Interesse an den Texten hochzuhalten. Geduldig ging er auf die Fragen ein, manchmal etwas weitschweifig, doch immer wieder auf den Punkt kommend. „Ich hatte mit 14 oder 15 schon den Wunsch, zu schreiben“, erzählte er, „aber gelungen ist es mir erst mit rund 30.“ Inzwischen ist die Anzahl der Bücher aus seiner Feder gewachsen, sein Roman „Adam und Evelyn“ wurde verfilmt. Die Liste der Auszeichnungen ist lang, seit 2020 ist er Träger des Bundesverdienstkreuzes.
„Ich bin, wenn ich schreibe, eigentlich mehr Leser. Und der Stil, der muss sich der Geschichte anpassen“, gab er unumwunden zu. „Es macht mir Spaß, Geschichten zu erzählen. Ich wollte eigentlich nur berühmt werden, so schnell wie möglich“, sagte er lachend, um dann wieder ernst zu werden. „Jeder braucht Geschichten. Die einen sind aus Musik, die anderen aus Bildern, wieder andere aus Worten. Jeder hat seine eigene Art, eine Geschichte zu erzählen.“
„Jeder hat seine eigene Art, eine Geschichte zu erzählen.“
Das Interesse, so merkte man immer wieder, war groß. Viel zu schnell verstrichen die 90 Minuten, schnell entstand eine lange Schlange vor seinem Tisch. Viele wollten sich eines oder sogar mehrere seiner Bücher signieren lassen, stellten Fragen, die man sich öffentlich nicht zu stellen getraut hatte. Und geduldig beantwortete und schrieb Ingo Schulze.
„Normalerweise kommen zu Lesungen Leute freiwillig, die zahlen sogar Eintritt. Ihr habt heute keine große Alternative“, hatte er zu Beginn gesagt. Doch es hatte nicht den Anschein, als ob die Schülerinnen und Schüler überhaupt eine solche in Betracht gezogen hatten.
Glückliches Händchen
Deutschlehrerin Stefanie Rödel hatte mit der Einladung Ingo Schulzes, die durch die finanzielle Unterstützung des Elternbeirates möglich war, wieder ein glückliches Händchen bewiesen. Mit kleinen Geschenken verabschiedete sie den Autoren, der betonte, dass er sehr gerne wieder nach Lichtenfels gekommen ist.