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MARKTGRAITZ: Joachim Andraschke über die Burgunder am Obermain

MARKTGRAITZ

Joachim Andraschke über die Burgunder am Obermain

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    Ein bei Krögelhof gefundener Truhenschlüssel (Kaiserzeit, 4. bis 5. Jahhundert. Bei dem Namen Krögelhof handelt sich hierbei mit Verweis auf die Herkunft der Burgunder aus dem skandinavischen Raum um einen ostgermanischen Ortsnamen. Der auf der Gemarkung gefundene Truhenschlüssel hat seine Entsprechung etwa in der Lausitz, von wo aus die Burgunder im 4. Jahrhundert abgewandert waren.
    Ein bei Krögelhof gefundener Truhenschlüssel (Kaiserzeit, 4. bis 5. Jahhundert. Bei dem Namen Krögelhof handelt sich hierbei mit Verweis auf die Herkunft der Burgunder aus dem skandinavischen Raum um einen ostgermanischen Ortsnamen. Der auf der Gemarkung gefundene Truhenschlüssel hat seine Entsprechung etwa in der Lausitz, von wo aus die Burgunder im 4. Jahrhundert abgewandert waren. Foto: red

    Sie kamen einst vom schwedischen Grodha bis nach Graitz: die Burgunder. Historiker Dr. Joachim Andraschke berichtet in zwei Gastbeiträgen für OTverbindet über eine Zeit, in der ganze Völker auf Wanderschaft waren. Er hat sich die fränkische Namensforschung als Forschungsschwerpunkt gesetzt.

    „Wenn man sich mit der frühen Geschichte Frankens beschäftigt, so begegnen einem zwei Schlagwörter: Kelten und Slawen. Doch wie verhält es sich mit deren Erbe tatsächlich in unserer obermainländischen Heimat? Stammen wir Oberfranken denn wirklich von Kelten und Slawen ab? Wie sicher ist das denn, und wo finden da die ollen Germanen ihren Platz? Dem wollen wir hier einmal faktisch nachspüren.

    Abgesichert ist, dass die Kelten über Jahrhunderte hinweg unser Gebiet besiedelten. Sie hatten einen hohen Grad an Staatlichkeit erreicht, was sich an der Anlage von sogenannten Oppida zeigen lässt. Ein solches Oppidum (= stadtähnliche Anlage) existierte auf dem Staffelberg. Es hätte nicht viel gefehlt und die Kelten hätten ihre präurbane Kultur zu einer den Römern ebenbürtigen Zivilisation ausgebaut. Doch es kam anders.

    Um 80 vor Christus wurde der gesamte fränkische Raum bis zur Donau von den Kelten geräumt. Wir wissen das, weil uns der süddeutsche Raum antik als ,Helvetiereinöde' überliefert ist. Dieser historische Befund wird durch die Archäologie bestätigt, denn die über 2000 bekannten Siedlungsnachweise der Spätlaténezeit in Oberfranken brechen an Ort und Stelle ab. Das heißt, die dort zum Teil seit Jahrhunderten ansässige Bevölkerung gibt diese Plätze schlagartig auf. Dies konnte auch jüngst durch Ausgrabungen im Oppidum Manching bestätigt werden.

    Die Kelten gaben ihre Siedlungen auf

    Der Archäologe W. Stöckli wies nach, dass um 80 vor Christus ein gewaltiger Ausräumungsprozess stattgefunden hatte. Was war passiert, was veranlasste die Kelten dazu den Siedlungsboden aufzugeben, den sie seit Jahrhunderten kultiviert hatten? Dazu muss man circa eine Generation zurück blicken, um zu erkennen, was die Unruhe auslöste. Um 120 vor Christus wanderten große Teile der Kimbern und Teutonen aus Dänemark und Norddeutschland ab. Zu jener Zeit setzte in Nordeuropa eine Kaltphase ein, die viele Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwang. Zwischen 120 und 100 vor Christus durchzogen diese Stämme auf Landsuche nun Keltenland, unter anderem das Gebiet der Bojer in Böhmen, aber auch der süddeutsche Raum wurde tangiert. Diese Unruhe hatten sich dann bis zur Expansion des Imperium Romanum unter Caesar nicht gelegt, was in dem Untergang der keltischen Kultur in Gallien und der heutigen Schweiz geführt hatte. Unter diesem Eindruck ist die Abwanderung der Kelten aus unserer Heimat zu sehen.

    Doch wie ging es danach weiter in dem nahezu menschenleeren Frankenland? Wir wissen aus der römischen Überlieferung, dass sich im Mainland die Markomannen festgesetzt hatten. Mancher Kinogänger wird ihren Namen aus dem Film „Dder Legionär“ kennen, wo sie zu Filmbeginn als wilde Krieger aus den Wäldern hervorpreschen und den Kopf eines römischen Unterhändlers den Legionären entgegenschleudern.

    Die Ahnen der Markomannen

    Die Ahnen jener Markomannen werden mit den Trägern der sogenannten Großromstedt-Kultur gleichgesetzt, die ihren Schwerpunkt in Thüringen und der Börde hatte und um 50 vor Christus ins Main- und Regnitzgebiet ausgriff. Um 8 vor Christus wichen diese Markomannen jedoch nach Böhmen aus, weil sie sich dem Zugriff der Römer entziehen wollten. Das heißt also, dass unsere Heimat einen zweiten großen Ausräumungsprozess sah. Es waren turbulente und kriegerische Zeiten, denn Rom blickte am Rhein gen Osten. Ziel war es nach der Unterwerfung der Elbestämme das Imperium an die Oder und nach Böhmen auszudehnen. Durch die Niederlage dreier römischer Elitelegionen im Teutoburger Wald musste das Imperium seine Expansionsziele in Germanien aufgeben und zog sich im Nordwesten hinter den Rhein zurück, im Süden bildete später der sogenante rätische Limes die Grenze. Infolge der germanischen Siege und durch die Verfestigung der Grenze kam es zu erneuten Zuwanderungen in das nun ruhigere Maingebiet aus dem rhein-weser- und elbgermanischen Bereich. Es entstand bei der Verschmelzung dieser beiden germanischen Kulturgruppen ein neuer Stamm, die Alamannen, die überwiegend den swebischen Stammesverbänden angehörten und im Namen der Schwaben fortleben (vergleiche Schwebheim und Schwabthal). Die Alamannen besiedelten nun rund 350 Jahre die Mainlande.

    Im späten 3. und 4. Jahrhundert sickern dann aber zunehmend Burgunder in Oberfranken ein. Um 370 setzt dann eine stärkere Stammesabwanderung aus dem östlichen Siedlungsgebiet hierher ein. Der Siedlungsschwerpunkt liegt nun deutlich in Franken. Die dort vorher siedelnden Alamannen hatten das Dekumatenland von den Römern abgerungen und in diesen südwestlichen Sog wurden die Burgunder hineingezogen, die nun zunehmend als Gegner der Alamannen und als Verbündete der Römer auftraten.

    Die Einwanderung der Burgunder in den mainfränkischen Raum ging mit der weitgehenden Vertreibung der einheimischen Alamannen einher, die nun Baden-Württemberg besiedelten. Der römische Historiker Ammianus überliefert uns, dass sie „danach trachteten, ihre alten Wohnsitze von den Burgundern zurückzuerobern“. Dies aber gelang ihnen nicht, die Burgunder wurden die Herren des Landes. Seitdem herrscht in Franken eine anhaltende Siedlungsdauer. Wenn man also nach dem fränkischen Wurzelvolk fragt, so ist die Antwort eindeutig: Es sind die Burgunder.

    Von Norwegen an den Rhein

    Doch woher stammten diese ursprünglich, bevor sie von der Lausitz kommend unsere Heimat in Besitz nahmen? Und bei dieser Frage müssen wir abermals zum skandinavischen Klimaeinbruch zurückkehren, der etwa auch die norwegischen Haruden an den Rhein führte.

    Dr. Joachim Andraschke
    Dr. Joachim Andraschke Foto: red

    Denn ebenso wie die Haruden stammte die Kerngruppe der Burgunder aus Norwegen, die dann durch südschwedische Gruppen aufgefüllt wurde. Um 150 vor Christus besiedeln die Burgunder dann die Küstenregion Hinterpommerns. Deren Kultur wird als Oxhöft-Kultur bezeichnet, die sich klar aus Skandinavien ableitet. Die Burgunder werden dann im Laufe von hundert Jahren von Goten und Gepiden südwestwärts abgedrängt, wo sie im südlichen Brandenburg und in der Lausitz die sog. Lebus-Lausitz-Kultur ausprägen. Von dort wanderten sie schließlich über die Hochstraße Plauen-Hof kommend nach Oberfranken ein. Diese Einwanderung lässt sich dann archäologisch etwa mit dem Kriegergrab von Scheßlitz belegen, wo ein typisch ostgermanischer Krieger bestattet ist, dessen Axt etwa ein Vergleichsstück aus Litten (Lausitz) zur Seite hat. Wir fassen damit hier die erste Generation der Burgunder.

    Sie werden dann im 4. bis 5. Jahrhundert mehrfach für den Mainraum erwähnt. Entgegen der gelegentlich zu lesenden Fehlinfo, die Burgunder seien 406 über den Rhein abgezogen, wurde ihnen erst im Jahre 412 ein römischer Föderatenvertrag zur Sicherung der Rheingrenze angeboten, was eben zu einer teilweisen Abwanderung führte.

    Mainländische Burgunder

    Aber Prokop überliefert uns um 420/40 nach Christus die mainländischen Burgunder als starken Stamm südlich der Thüringer und östlich der Alamannen. Und auch im Heeresaufgebot Attilas im Jahre 451 finden wir sie noch. Ihren größten Sieg aber feierten sie, als 430 ein hunnisches Heer unter der Führung Optars, eines Onkels Attilas, vollständig von ihnen aufgerieben wurde. Es war dies der erste große Sieg über eine hunnische Streitmacht dieser Größenordnung, was Eindruck auf andere Germanen gemacht hatte und später den Stoff für das Nibelungenlied bot.

    Denn die hunnischen Drachenstandarden wurden zum Symbol des Drachen. So schreibt uns Sokrates Scholasticus, ein Zeitgenosse der Ereignisse, dass die Burgunder, nach seinen Worten ein recht friedliches Volk, das bei den Römern für ihre hervorragenden Zimmerleute beliebt war, und kürzlich zum christlichen Glauben bekehrt wurde – übrigens der erste Missionshinweis für Franken – , arg unter hunnischen Raubscharen zu leiden hatte, die deren Dörfer niederbrannten. Das burgundische Heer aber schlug die gewaltige hunnische Streitmacht von 10 000 Kriegern.

    Nach der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern wurde die burgundische Kriegerelite ausgelöscht, so dass in der Folge die Alamannen das Machtvakuum ausnutzten und Franken eroberten. Nach einem kurzen thüringischen Intermezzo von etwa 496 bis 531 nach Christus wurde Oberfranken in das Merowingerreich eingegliedert. Doch hatte sich die burgundische Bevölkerung freilich nicht im Nichts aufgelöst, sie lebte unter neuen Herrschern fort und wurde im 6. und 7. Jahrhundert frankonisiert.

    Eine weitere Folge gibt es in der morgigen Ausgabe.

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