Wenn es um fränkische Namen geht, kennt sich Joachim Andraschke aus. Der Historiker und Sprach wissenschaftler betreibt in Bamberg ein Institut für ostfränkische Namenforschung, Genealogie und Landeskunde. Für das Obermain-Tagblatt hat er Familiennamen aus der Region untersucht. Nachdem er sich mit den Hügerichs beschäftigt hatte, widmet er sich jetzt dem Familiennamen Sünkel.
Der Familienname Sünkel ist heute in Deutschland vornehmlich in Oberfranken verbreitet (insgesamt 307 Telefonanschlüsse, Stand 2004). Ungefähr 900 Personen dürften den Namen Sünkel führen, wobei der Verbreitungsschwerpunkt deutlich in den Landkreisen Lichtenfels (60 Anschlüsse), Kronach (51), Coburg (18) und Kulmbach (9) liegt.
In Lichtenfels gibt's 60 Einträge im Telefonbuch, in Kronach 51
Er ist damit in der Region relativ häufig anzutreffen, landesweit jedoch eher als durchschnittlich oft im Auftreten anzusprechen.
Schärfer grenzt sich die Verbreitung nach den Gefallenenlisten des Ersten Weltkriegs ab, denn die Geburtsjahrgänge um 1890 bilden damit gut die ursprüngliche Verbreitung im Kaiserreich ab, als die Mobilität und Vertreibungsgeschehen noch keinen so großen Einfluss auf die Verbreitung hatten.
Schauen wir uns nun die frühe Überlieferung des Familiennamens im Staatsarchiv Bamberg näher an.
Hier ist deutlich ein Schwerpunkt im Frankenwald zu erkennen, seit dem 16. Jahrhundert ist der Name aber auch im Landkreis Lichtenfels verbreitet. Der früheste Beleg erscheint in einer etwas abweichenden Form Sünkler im alten Bamberger Stadtteil Theuerstadt: „1353 auf dez Sünkelers Haus und Hofreyt bei der Stigeln gelegen“ (StadtABa: A.21, 1353 Juni 13 (BU 2803). Da Bamberg schon frühzeitig auch Einzugsgebiet für Menschen aus dem Frankenwald gewesen sein kann (Stadtluft macht frei), kann hier durchaus ein genealogischer Zusammenhang zwischen den Namensträgern bestanden haben. Möglich ist aber auch eine unabhängige Entstehung des Namens.
Der nächstälteste Beleg des Familiennamens tritt in einer Variante ohne die Endung -el auf und zwar in Kathragrub im Landkreis Kronach: „1450/70 Katergrub ein Hof Cuntz Sunck“ (StABa: Stb.4070, f.66).

Die nächst älteren Nachweise des Namens, die man in alten Lehenbüchern und Steuerrechnungen findet, sind solche zum Ort Reitsch: „1485 Hans Sonckel von Reitsch“ (StABa: A.231/IV, Nr.33301, f.3), „1487 von einem Rode das er umb Heintzen Sünckell umb x lb kauft hat“ (StABa: A.231/IV, Nr.33303, f.4?), „1507 Jung Hans Sunckel“ (StABa: Stb.1250, f.104).
Im Untertanenbuch des Hochstifts Bamberg wird dann im Jahre 1555 ein Jacob Sünckel aus Kronach genannt (StABa: Stb.721, f.199?).
In Marktgraitz findet man im Jahre 1592 schon einen Fritz Sunckel (StABa: A.231/II, Nr.18072, f.18). Aber auch in Hinterrehberg im Landkreis Kulmbach wird 1593 ein Contz Sunckel erwähnt (StABa: Stb.2199, f.48).
Erhard Sünkel aus Reitsch erwarb ein Gut in Lettenreuth
Die Sünkel in Lettenreuth etwa stammen von Erhard Sünkel (*1665 – 1718) ab, der in Reitsch geboren wurde und in Lettenreuth ein Gut erwarb und dort verstarb.
Die Überlieferung zeigt uns, dass der Familienname Sünkel wohl in einigen wenigen Zentren im Bereich des Frankenwaldes entstanden sein dürfte.
War der Rufname Suniko der Ursprung?
Doch wie ist der Name einzuordnen, was mag er bedeuten? Bei der Analyse müssen wir die alten historischen Belege Sünk(e), Sünkler und Sünkel nebeneinander stellen. Hier bieten sich zwei Deutungsmöglichkeiten an.
Der Familienname kann auf einem ursprünglichen Rufnamen beruhen. Dabei wäre ein altsächsischer Personenname Suniko anzusetzen. An diesen könnte dann kosend ein Verkleinerungsendung -el (wie in Friedel für Friedrich) angefügt worden sein. Das könnte die Belege Sünke neben Sünkel erklären. Der ursprüngliche Rufname Suniko beruhte auf dem gotisch bezeugten Wort sunja „Wahrheit“. Die Endung -iko ist ebenfalls kosend (vgl. etwa Anke „Ännchen“ zu Anna). Bei dem Familiennamen wären dann zwei Koseendungen miteinander verbunden worden. Das ist nicht ungewöhnlich und gibt es auch bei anderen ähnlichen Endungen wie etwa Heinzel und Kunzel für Heinrich und Konrad.
Ein ähnliches Muster können wir bei einem Familiennamen Penickel zu Marktzeuln aus dem Jahre 1430 nachzeichnen (StABa: Stb.1379, f.105?), der zu einem altsächsischen Personennamen Bennico gestellt werden muss.
Solche altsächsisch-friesische Personennamen gelangten zur Zeit der Kriege Karls des Großen gegen die (Alt-)Sachsen der norddeutschen Tiefebene und Friesen nach Oberfranken, vor allem in den Jahren 794 bis 804. Genannt sind in Würzburger Urkunden etwa die sogenannten Nordelbinger Sachsen. In unserer Region verweisen die Orte Friesenhof, Friesen, Friesendorf, Neuensachsen (wüst im Banzer Forst) aber auch Wickendorf und Rottelsdorf im Landkreis Kronach auf diese Bevölkerung.
Durch Nachbenennung konnten dann solche sächsisch-friesischen Personennamen wie Bennit, Burat, Sünke oder Bennike dann zum Zeitpunkt der Entstehung von Familiennamen im 12. bis14. Jahrhundert erstarren.

Ein weiterer Deutungsansatz wäre die Bestimmung als Berufsübername. Dann könnte das mittelhochdeutsche Wort sunken „anbrennen, versengt werden“, sunkeln „knistern“ zugrunde liegen. Im Grimm?schen Wörterbuch (Band 20, Sp.1194) finden wir Folgendes unter dem Schlagwort Sünken „bergmännisch abteufen, zu sinken: Paudt aber yemandts an enden, da er stollen und recht geng gehaben mecht, der mag alsdan zu seinen rechten wohl sünken und pawen“.
Sünken bedeutete im Bergbau Eintiefen oder Abteufen
Mit dem Wort sünken ist also in der Bergmannssprache das Eintiefen oder Abteufen gemeint. Das -el in Sünkel wäre demnach als Endung einer Nomen-agentis Form zu verstehen, also „jemand, der abteuft“.
Auch in der sogenannten Sammlung des baierischen Bergrechts mit einer Einleitung in die baierische Bergrechtsgeschichte von Johann Georg Lori (München 1764) wird der Begriff Sünke neben Stollen erwähnt.
Das Wort kommt auch in Berg- und Flurnamen vor, so etwa in Zedersitz/Landkreis Kulmbach: 1504 in der Sunckenlohe (StABa: Stb.6480, f.89), aber auch im Ortsnamen Gaisbühl bei Crailsheim/Landkreis Schwäbisch-Hall: 1360 Sunkenrode (Hoffmann: Lehenbuch Würzburg 2, S.164/Nr.1297), wobei hier Waldrodungsnamen (zu sunken „absengen“) gemeint sein können. Als Bergbaunamen sind dann wohl der Sunkenkopf bei Ammergau und der Sunkenberg, nordwestlich des Eibsees in Nordtirol (um 1060 montis qui vocatur Sunco) zu erwähnen.
Sünkel kann nach dieser Untersuchung als Bergmannsname angesprochen werden. Dies trifft sich auch vorzüglich mit den Orten des Frankenwaldes, in denen die frühesten Nennungen von Sünkel erscheinen, nämlich Reitsch und Kathragrub (Katharinengrube). Diese Orte sind mit frühem Bergbau zu verbinden.
Sünkel fügt sich damit in die Reihe der hochmittelalterlichen Bergmannsnamen wie Meisner oder Maisel ein.