Bücher können ein Zeichen setzen. Noch mehr am Herzen liegt es den beiden Blogerinnen aber, Lektüren bekannt zu machen, die das Potenzial haben, Kinder und Erwachsene gemeinsam auf angemessene und altersgerechte Weise für die deutsche Vergangenheit und Themen wie den immer stärker aufkommenden Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu sensibilisieren.
Hier kommen von ihre drei Vorschläge für Bücher gegen das Vergessen:
Eine Familie - ganz unterschiedliche Personen. Natürlich sind nicht alle
Menschen, nur weil sie zu derselben Familie gehören, ähnlich. Sie unterscheiden sich: in ihrem Charakter, Alter, Aussehen und ihren Vorlieben. Und manchmal auch in Bezug auf ihr Verhältnis zu Gott, ihren Glauben und ihre Religion.
Und doch sind alle Äpfel rund
So ist es auch in der Familie, um die es in „Und doch sind alle Äpfel rund“ geht. Denn die Familienmitglieder haben nicht nur unterschiedliche Augen- und Haarfarben, sondern auch verschiedene Hauttöne und Religionen. Da durchzublicken ist manchmal gar nicht so einfach, findet Jojo, die Ich-Erzählerin, die uns davon berichtet, wie eine Familie damit umgeht, wenn drei verschiedene Religionen, die jüdische, christliche und muslimische, aufeinandertreffen.
Dabei merken wir als Lesende, dass die drei abrahamitischen Glaubensrichtungen zwar ein paar Verschiedenheiten aufweisen, aber in vielen wesentlichen Elementen sehr ähnlich sind. Ein wundervolles Buch, das Kindern und Erwachsenen zeigt, dass verschiedene Glaubensrichtungen und Unterschiede in den religiösen Praktiken kein Grund für Ablehnung, Hass oder Gewalt sind. Vielmehr demonstriert es, dass die drei monotheistischen Religionen nicht nur einen gemeinsamen Ursprung haben, sondern auch, dass durch rituelle Unterschiede Vielfalt entsteht, die unser aller Leben bereichert. Ein ausgezeichnetes Plädoyer für mehr spirituellen Reichtum, Toleranz und ein religiöses Miteinander.
Peter in Gefahr
Geschichten über Antisemitismus und den Holocaust für Grundschulkinder sind rar, ist es doch ein Thema, das in seiner Brutalität für Kinder in jungen Jahren kaum geeignet erscheint. Ein geeignetes Buch für Kinder ab der 2. beziehungsweise 3. Grundschulklasse ist der Comic „Peter in Gefahr“, der ohne brutale Bilder die wahre Geschichte von Peter und seiner Familie in Budapest während des Zweiten Weltkrieges erzählt.
Peter, ein jüdischer Junge, lebt ein normales Kinderleben in einer intakten Familie. Doch die Sorgen seiner Eltern werden angesichts der Einschränkungen durch die Nationalsozialisten und den neuen Gesetzen, die ihnen das Leben schwer machen, immer größer. Als Peter und seine Eltern in ein jüdisches Ghetto ziehen müssen, folgen Verzicht und Angst, Kälte und Hunger. Sie schaffen es, in einem Versteck der Deportation zu entgehen, erleben im Keller die schrecklichen Bombenangriffe und überleben diese Zeit mit viel Glück und durch die Hilfe anderer Menschen.
Die Geschichte endet auf besonders hoffnungsvolle Weise, so dass Lesende mit den vorangegangenen Erlebnissen von Peter besser umgehen können. Dieses Buch, das Kinder mit Begleitung von Erwachsenen lesen sollten, kann ein idealer Einstieg in ein ernstes Thema sein, Gesprächsanlässe bieten und eine Basis dafür schaffen, dass Kinder, die häufig schon hier und da Bruchstücke zu Judenverfolgung, Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg aufgeschnappt haben, Fragen stellen können.
Fragen, die heute wieder zunehmend wichtig werden, um Diskriminierung, Antisemitismus und Gewalt entgegenzuwirken.
Kinder mit Stern
„Kinder mit Stern” ermöglicht Kindern ab etwa zehn bis zwölf Jahren sowie Erwachsenen, sich in die wahren Geschichten sechs jüdischer Kinder in den Niederlanden einzufühlen. Es ist 1940 und Hitler-Deutschland greift das Nachbarland an. Rosa, Jules, Klaartje, Leo, Ruth und Bennie und all ihre Familien zeigen uns, wie sie ihre Freiheit und ihre Würde verlieren, wie Angst zur ständigen Begleiterin wird und wie ihre jüdischen Wurzeln auf einmal Andersartigkeit und Gefahr bedeuten.
Durch Martine Letteries Recherche und Zusammenarbeit mit dem Erinnerungszentrum Westerbork konnten diese Geschichten gesammelt und aufbereitet werden. Alle Geschichten wurden übersetzt von Andrea Kluitmann und sanft umrahmt durch feine Zeichnungen von Julie Völk. Beim Lesen ist man schnell eingenommen und möchte unbedingt erfahren, ob es Hoffnung gab und genau diese Kinder zu den wenigen 1.000 von insgesamt 18.000 Kindern zählen durften, die diese Hölle überlebten.
Die einzelnen Kurzgeschichten sind allesamt berührend und traurig. Gerade deshalb müssen sie erzählt und besprochen werden, um niemals zu vergessen, was geschah und was nie wieder geschehen darf. Es ist die kindliche Hoffnung, die in diesen Geschichten steckt, ihr Leid, das sie durch grausame Erwachsene erfahren, ihr Trost, den sie durch liebevolle Erwachsene erhalten und ihre Geschichte, die uns zeigt, dass wir hier nicht auf eine längst geschehene Vergangenheit blicken, sondern auf eine zerbrechliche Gegenwart und Zukunft.
Die Bücher • „Und doch sind alle Äpfel rund. Was Judentum, Christentum und Islam gemeinsam haben. Eine besondere Familiengeschichte” von Christine Hubka und Agi Ofner (Illustrationen). Erschienen 2021 im Tyrolia Verlag. 32 Seiten, laut Verlag ab sieben Jahren. • „Peter in Gefahr. Mut und Hoffnung im Zweiten Weltkrieg” von Helen Bate, übersetzt aus dem Englischen von Mirjam Pressler. Erschienen 2019 im Moritz Verlag. 48 Seiten, laut Verlag ab sieben Jahren. • „Kinder mit Stern”, von Martine Letterie, Julie Völk (Illustrationen), Andrea Kluitmann (Übersetzung aus dem Niederländischen). Erschienen 2019 bei Carlsen Verlag. 128 Seiten, laut Verlag ab zehn Jahren.