Iris Birger und Stefanie Fischer sind Kinderbuch-Bloggerinnen. Vom Netz in die Tageszeitung geht es mit ihren Buchtipps zweimal im Monat auf OTverbindet. Mit den heutigen Empfehlungen ermutigen sie die Leserinnen und Leser, Fragen zu stellen und Antworten zu suchen und zwar mit und für Kinder.
„Wenn kleine Menschen große Fragen haben, dann sind Bücher ein wunderbarer Anlass, um gemeinsam in den Austausch zu gehen, um überhaupt Gedanken und Fragen erst einmal formulieren zu können und mögliche Antworten sowie gemeinsam Impulse zu finden. Warum ist dieses Thema gar nicht außergewöhnlich, sondern grundlegend oder allgegenwärtig? Und wünschenswert wäre, es wäre für uns alle viel greifbarer und selbstverständlicher.
Mögliche Antworten zur Bedeutung sehen wir hierin: Kinder sollen die Möglichkeit erhalten, sich selbst in ihren Gedanken zu erfahren und es soll ihr Selbstwertgefühl stärken. Kinder sollen ernst genommen werden in ihren Fragen, die sie an die Welt stellen. Kinder sollen sich diese Welt selbst erschließen dürfen durch eigenes Ausprobieren, Erfahren und Nachfragen. Wir nehmen Sie und euch mit und haben besondere Buchtipps mit vielen verschiedenen Perspektiven im Gepäck.
„Es gibt einen Faden, der alles miteinander verbindet. Er verbindet mich mit meiner Mama. Und mich und die Mama mit dem Papa.“ So startet das Bilderbuch „Der rote Faden“ von Manuela Monari und Brunella Baldi aus dem Tyrolia Verlag. Stellen Sie sich einmal vor, es gibt einen Faden, der überall verläuft, rauf und runter, nach links und nach rechts und dabei verbindet er alles und alle miteinander. Alle Dinge, alle Pflanzen, alle Tiere und alle Menschen. Was oder wer ist dieser Faden, der alles zusammenhält?
„Vielleicht ist es die Liebe?“ In diesem philosophischen Bilderbuch geht ein Kind genau dieser Frage nach. „Vielleicht ist es die Vernunft?“ Dabei sammelt das Kind auf jeder Doppelseite neue Informationen und Eindrücke und Interpretationen. „Vielleicht ist es die Wahrheit?“ Die gesammelten Eindrücke stammen aus seinem nahen Umfeld - den Eltern, dem besten Freund oder der Lehrerin. „Für mich ist es Gott.“ Die Illustrationen von Brunella Baldi ergänzen den Text auf abstrakte Weise. So beflügeln sie zusätzlich beim Vorlesen unsere Fantasie und regen zum Weiterdenken an. Das Buch eignet sich wunderbar für ein Projekt mit Kindern im Vorschulalter oder der Grundschule. Ob im Religionsunterricht oder in Ethik - die Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung des Fadens muss nicht exakt mit der Existenz Gottes belegt sein. Diese Antwort kann durchaus offen bleiben und von Kindern kritisch hinterfragt werden, um so den Gedanken einer liberalen Gesellschaft zu fördern und zu leben. „Immer ist dieser Faden da und ich fühle mich sicher.“ Die Verbindung von uns allen mit etwas Übernatürlichem durch einen unsichtbaren Faden ist ein Gedanke, der uns Halt geben kann und uns die Bedeutung von Familie und Freundschaft wertschätzen lässt. Unsere Kinderbuchempfehlung für das Thema „Mit Kindern philosophieren“ verrät uns schon im Titel, welchen Schwerpunkt es in den Fokus rückt - die Hoffnung! Jüngst erschienen steht das Kinderbuch „Der Hoffnungsvogel“ von Kirsten Boie bereits auf Platz 11 der Börsenblatt-Bestsellerliste. Ein Hoffnungsschimmer - im wahrsten Sinne des Wortes, denn dieses moderne Märchen sollte von jedermann und jederfrau, ob jung oder schon alt gelesen werden, damit sich die hoffnungsvolle Geschichte in die Herzen aller schleichen und die Welt dadurch selbst zu einem hoffnungsvolleren Ort werden kann. Im Glücklichen Land sind Zufriedenheit, Fröhlichkeit und Wärme im Herzen der Menschen allgegenwärtig.
Doch als die Menschen dort plötzlich nur noch unzufrieden und unfreundlich sind, kommen die Gute Königin und ihr Sohn Jabu bald dahinter, was der Grund dieser menschlichen Kälte und des häufigen Streites ist - der Hoffnungsvogel, der das Glückliche Land sonst immer mit seinem Gesang erfreut, die Menschen getröstet und ihnen Zuversicht gespendet hat, ist plötzlich nicht mehr da. Und so machen sich Jabu und seine Weggefährtin Alva auf die Suche nach dem Vogel - ohne erwachsene Unterstützung, ohne genau zu wissen, wo sie anfangen sollen zu suchen und auch ohne Waffen, denn „einen Hoffnungsvogel bringt man nicht mit Waffen zurück.“ Dafür aber mit Zuspruch, Tapferkeit und einer wunderbaren Melodie im Gepäck. Ob sie tatsächlich den Hoffnungsvogel finden und damit dem Glücklichen Land wieder Zuversicht, Freude und ein friedliches Miteinander bringen können, wollen wir nicht verraten.
Denn das lohnt sich beim Lesen dieser poetischen Geschichte selber herauszufinden. Boie schafft es, gemeinsam mit den bunten Illustrationen von Katrin Engelking, mit dieser Geschichte zu verzaubern. Denn statt eines erhobenen Zeigefingers sind es die fantastische Welt, das unterhaltsame Abenteuer der Kinder, die einzelnen Charaktere mit all ihren Stärken und Schwächen und natürlich die Freude beim Lesen der Geschichte, die uns emotional berühren und uns dadurch mitgeben können, dass jeder mit Freundlichkeit, Mut und Toleranz etwas zu einer friedlichen, hoffnungsvollen Welt beitragen kann.
Beinahe hätten wir „Sofies Welt” von Jostein Gaarder an dieser Stelle vorgestellt, denn unbestreitbar ist dieses Buch nicht nur ein Bestseller, sondern inzwischen ein Klassiker der Kinder- und Jugendbuchliteratur. Doch dann haben wir ein Buch entdeckt, das genau diesen Klassiker neu interpretiert und hoffentlich noch mehr junge Leserinnen und Leser erreicht, gerade deshalb, weil es eben kein traditioneller Roman ist: Die 2023 erschienene Graphic Novel „Sofies Welt oder die Geschichte der Philosophie - Von den Anfängen“ von Vincent Zabus und Nicoby.
Eine authentische, eigensinnige und hinterfragende Protagonistin namens Sofie, ein Brief von einem geheimnisvollen Absender mit der Frage „Wer bist du?“ und schon tauchen wir ab in die verschiedenen Fragestellungen und Gedankengänge bekannter Philosophen und historischen Abschnitte der Philosophiegeschichte. Dass nicht alles dabei „leichte Kost“ ist, wie man es vielleicht von einem Comic erwartet, lässt sich schon auf dem Cover und den ersten Seiten erkennen.
Sofie steht hier nämlich nicht nur Kopf, sie lässt sich ganz auf den philosophischen Exkurs und die historische Zeitreise ein - mit all den komplexen Auffassungen und komplizierten Fragen, die auch den Lesenden zum Fragen und Nachdenken motivieren sollen. Eine spannende, lehrreiche Graphic Novel, die das Thema Philosophie und den Stoff von „Sofies Welt“ überzeugend und interessant vermittelt. Der Text aus dem Original wird dabei auf das Wesentliche konzentriert, so das dadurch bestimmte Aussagen besonders hervorgehoben werden. Dies wird durch die nicht überfrachteten, abwechslungsreichen Illustrationen in gedeckten Farben unterstrichen, so dass eine gelungene Kombination aus Text und Bild entsteht. Durch das ganze Werk hindurch, von dem es eine Fortführung geben wird, stehen das Fragen und Staunen, der Kern der Philosophie, im Vordergrund und vermitteln: Philosophieren kann jede und jeder. Eine Jugendbuchempfehlung, die zu interessanten philosophischen Lehren und Ansichten führt und zum eigenen Nachdenken, Fragen und Staunen anregt.
Im Internet unter www.kinderbuchstabensuppe.de sowie in den sozialen Medien.
Die Bücher „Der rote Faden“ von Manuela Monari und Brunella Baldi (Illustrationen), erschienen 2012 im Tyrolia Verlag, 32 Seiten, ab fünf Jahre. „Der Hoffnungsvogel“ von Kirsten Boie und Katrin Engelking (Illustrationen); erschienen 2023 im Oetinger Verlag, 224 Seiten, ab sechs Jahre. „Sofies Welt oder die Geschichte der Philosophie. Von den Anfängen“ von Vincent Zabus und Nicoby (Illustrationen), übersetzt aus dem Französischen von Ina Kronenberger. Nach dem Roman von Jostein Gaarder. Erschienen 2023 im Hanser Verlag, 264 Seiten, ab 14 Jahre.