Es hätte das Jahr werden können, in dem sich die dunklen Wolken über der Wirtschaft aufgrund der Corona-Pandemie zu lichten beginnen. Doch dann eröffnete Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Der Haushalt, den Kämmerer Dominik Först in der jüngsten Stadtratssitzung in der Stadthalle vorstellte, war mit einem Gesamtvolumen von 62,89 Millionen Euro so hoch wie nie und soll ohne Neuverschuldung auskommen. Doch Jubelarien wollte keiner der Stadträte anstimmen. Ganz im Gegenteil.
Zweite Bürgermeisterin Sabine Rießner (CSU) wirkte erschüttert und besorgt: Rathaus-Chef Andreas Hügerich (SPD) habe sich kurzfristig entschuldigt. „Wir wissen alle, wie sehr ihm die Stadt am Herzen liegt, wie gerne er heute gekommen wäre. Schließlich ist der Haushalt die Basis und das Instrument allen Handelns“, sagte sie. „Das hat uns sehr getroffen.“ Doch nicht nur der Bürgermeister, auch etliche weitere Stadträte hatten sich entschuldigt. Auf der Zuschauertribüne herrschte gähnende Leere: Nur ein Bürger war gekommen.
Als der Haushalt aufgestellt wurde, hatte die Welt noch gehofft, Putin werde sein Nachbarland nicht überfallen, so Dominik Först bei der Vorstellung der Kernzahlen. Die Wirtschaft habe sich in der Corona-Krise als robuster herausgestellt als gedacht, man sei optimistisch gewesen, in 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen zu können. Nun aber seien die Ukraine, ein wichtiger Wirtschaftspartner, und Russland, ein wichtiger Energie- und Rohstofflieferant, im Krieg. „Das wird sich finanziell niederschlagen“, so Först. Wie gut, dass er defensiv kalkuliert hatte, was die Einnahmenseite für die Stadt Lichtenfels betrifft. Und ebenso Puffer eingebaut hatte, um Rückfallebenen zu schaffen.
„Sowohl Vermögens- als auch Verwaltungshaushalt sind größer als im Vorjahr“, stellte er heraus. Gemeinsam um fast vier Millionen Euro. Trotz vieler Investitionen will die Stadt, wie seit dem Jahr 2017 und folgende, ohne Neuverschuldung auskommen und sogar rund eine Million Euro Schulden abbauen.
Gewerbesteuereinnahmen unter den Schlüsselzuweisungen
Der Kämmerer aber trübte die Freude: „Dass die Schlüsselzuweisungen über den Gewerbesteuereinnahmen liegen dürften, ist kein gutes Zeichen“, führte er aus. Vor allem, weil genannte Schlüsselzuweisungen um rund 1,4 Millionen in 2022 sinken. Da helfe es auch wenig, dass die Einkommenssteuerbeteiligung sich seit 2013 fast verdoppelt habe (2022: 10,4 Millionen). Seit 2017 (über 12 Millionen Euro) war die Gewerbesteuer die höchste Einnahme der Stadt, für 2022 rechne man mit nur noch 6,5 Millionen Euro. Hinzu komme, dass die Kreisumlage (berechnet anhand der Steuereinnahmen 2020 und der Schlüsselzuweisungen 2021) um fast zwei Millionen Euro höher sein dürfte als im Vorjahr und nun 10,7 Millionen betragen wird. „Das trifft uns wirklich sehr“, so Först.
Auch, dass die freie Finanzspanne mit 35500 Euro überaus mager ausfällt, ist kein gutes Zeichen. „Sie müsste im Millionenbereich liegen, um Investitionen ausgleichen zu können“, so Först. „Dieser Haushalt ist als angespannt zu bezeichnen.“ Die Stadt Lichtenfels muss ihre Rücklagen antasten, und zwar kräftig: Von den einst 7,5 Millionen Euro werden 4,4 entnommen.
„Dieser Haushalt ist als angespannt zu bezeichnen.“
Dominik Först, Kämmerer
Dafür wird aber auch kräftig investiert. Der größte Einzelposten: das Projekt Marktplatz 10 (2022: 3,35 Millionen; Gesamtvolumen: 10,8 Millionen; Förderhöhe: rund 70 Prozent), zukünftige Heimat der Stadtbücherei und eines Tourismuszentrums).
Raumlufttechnischen Anlagen für Grundschulen und HOS
Rund 1,5 Millionen sollen in fest installierte Raumlüftungstechnik in die vier Grundschulen und die Herzog-Otto-Mittelschule investiert werden (Förderung: 1,23 Millionen). Die Sanierung des Dachs des Längsbaus der Grundschule am Markt (700 000 Euro), geplant für 2021, soll nun umgesetzt und heuer abgeschlossen werden. Ein weiteres Mal vergrößert wird der BRK-Kindergarten Am Klinikum: 700 000 Euro trägt die Stadt Lichtenfels in 2022 bei, gerechnet wird mit einer 50-prozentigen Förderung. Hier soll dann auch der erste Waldkindergarten der Stadt entstehen. Mit 900 000 Euro (Förderung: 700 000 Euro) ist die Straßensanierung des Krappenrother Berg eingepreist, wobei auch die Verkehrssituation verbessert werden soll.
Mit 655 Euro liegt die Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern laut Först über dem Durchschnitt, 110 Euro über dem vergleichbarer Kommunen. Bei der Steuerkraft ist Lichtenfels im Bayernvergleich gar Schlusslicht. „Das sind schlechte Voraussetzungen, da muss man Obacht geben“, mahnte der Kämmerer.
Als Lichtblick wertete er, dass man mit dem Gewerbegebiet „An der Zeil II“ hoffen dürfe, weitere Unternehmen nach Lichtenfels zu bekommen. Ferner entstehe mit dem FADZ ein attraktiver Hochschulstandort.
Hügerich: Das „Gesicht“ der Stadt weiter positiv entwickeln
Bürgermeister Hügerich hatte Sitzungsleiterin Rießner seine Gedanken zukommen lassen, die diese verlas. Noch nie sei das gesellschaftliche Leben so heruntergefahren gewesen wie in den beiden Jahren der Corona-Pandemie, die Wirtschaft habe stark zu leiden gehabt. Bei den Haushaltsberatungen habe man sich vorgenommen, die Stadt gemeinsam aus der Krise zu bekommen, das „Gesicht“ der Stadt weiter positiv zu entwickeln und Impulse zu setzen. Optimistisch sei man gewesen, dass sich die Situation für die Wirtschaft entspannen würde. Dann aber begann Krieg in Europa – und mit ihm viele Fragezeichen. „Es ist ein Angriff, den dieses Gremium verurteilt“, so Rießner im Namen des Bürgermeisters und des Stadtrats. Die Stadt werde ihren Beitrag leisten, den Menschen zu helfen.

Mit Blick auf den Haushalt 2022 freute sich Hügerich in seinen schriftlich fixierten Gedanken an die vielen Investitionen, die in die Bereiche Kinder/Jugendliche/Familie, aber auch Senioren und Wirtschaft sowie Infrastruktur, Umwelt und Kultur getätigt werden sollen. Und dass, ohne weitere Kredite aufnehmen zu müssen, im siebten Jahr in Folge. So gehe es mit dem Projekt Marktplatz 10 (hier soll die neue Stadtbücherei und ein Tourismus-Zentrum entstehen) voran, wo ein Ort des Miteinanders entstehe, ein Ort, an dem alle Generationen zusammenkommen.
Ferner werde der Längsbau der Grundschule am Markt saniert, in die Kinderbetreuung investiert, Straßen instand gesetzt und mit Photovoltaikanlagen beispielsweise auf der Kläranlage (sie wird dadurch energieautark) in den Umweltschutz investiert. „Wir setzen mutig Maßstäbe für eine lebendige Entwicklung unserer Stadt“, zitierte Rießner aus Hügerichs Rede. Ausdrücklich dankte der Bürgermeister für das gute Miteinander in den Vorberatungen.

Nur Monika Faber (SPD) stimmte letztlich gegen den Haushalt.


Das sagen die Fraktionssprecher und Stadträte zum Haushalt 2022 • Dr. Arnt-Uwe Schille (SPD): Dass wir ohne Neuverschuldung auskommen, ist sehr wichtig. Der Haushalt lässt nicht so viel Spielraum, wie wir es uns gewünscht hätten, doch es sind Investitionen in allen Sparten dabei. Glanzpunkt ist das Projekt Marktplatz 10, das von allen Fraktionen mitgetragen wird. Dieses bedeutet einen großen Impuls für die Innenstadt. Wichtig ist es, dass es mit den Sanierungen vorangeht. Ich begrüße die Investitionen in den Spielplatz Reundorf und die Skaterbahn am JUZ, erinnere aber zugleich an unsere Anträge in puncto Energie und Wohnungsbau. Diese Bereiche sind zu wenig berücksichtigt. • Robert Gack (CSU): Die Maßnahmen im Haushalt sind wichtig und notwendig. Wir stehen jedoch nur aufgrund unserer Rücklagen so gut da. Das Projekt Marktplatz 10 mag ein wenig Luxus sein, doch es ist richtig. Ebenso ist es richtig, vorsichtig zu planen. • Dr. Susann Freiburg (Bündnis 90/Die Grünen): Wir müssen vorsichtig und nachhaltig planen. Ohne Neuverschuldung auszukommen, zeugt von Nachhaltigkeit. Wir haben einen enormen Sanierungsstau im Bereich Verkehr und Wohnen, was viele Finanzmittel bindet. In Brücken, Kanal und Straßen zu investieren, ist unumgänglich. Ich kritisiere den Umgang mit unbebauten Flächen. Statt Baugebiete auf der grünen Wiese auszuweisen, sollte auf innerörtliche Leerstände geschaut werden. Das Baugebiet Isling-West II lehnen wir ab. Auch wird das Klimaschutzkonzept nur zögerlich umgesetzt. Wir müssen mehr Wertschätzung aus erneuerbaren Energien erzielen. • Dr. Christopher Bogdahn (Freie Wähler): Wie SPD und Grüne legen wir großen Wert auf die Nutzung regenerativer Energien. Insgesamt müssen wir sehen, dass es in unserer Stadt auch perspektivisch weitergeht. • Philipp Molendo (Junge Bürger): Der defensive Ansatz bei der Gewerbesteuer ist wichtig. Außerdem sind wir in der Pflicht, die Visionen 2030 umzusetzen. Durch unsere Investitionen zeigen wir der Wirtschaft die offene Hand. • Roland Lowig (WLJ): Es ist der größte Haushalt, den es je gegeben hat, und das ohne Kreditaufnahmen. Erfreulich sind die 120 000 Euro für den Neubau der Schule Leuchsental. Wünschenswert wäre, wenn wir mit der Umlage des Gewerbegebiets an der Zeil II möglichst schnell vorankommen. Die Bauplätze Isling-West II werden meines Erachtens nach schnell vergeben sein. • Heike Kunzelmann (AfD): Die Verwaltung hat ein fundiertes Zahlenwerk aufgestellt, jedoch muss sich dieser Plan erst messen lassen. In Zeiten, in denen ein Sturm aufkommt, muss man vielleicht noch manches über Bord werfen. • Monika Faber (SPD): Ich als Seniorenbeauftragte lehne den Haushalt ab, da nur ein ganz geringer Stellenwert den Senioren zukommt. Das Gebäude der Maiacher Stiftung, das ideal wäre für kleine Wohneinheiten, ist nicht im Geringsten berücksichtigt. Dieses sollten wir dieser Tage auch für Geflüchtete zur Verfügung stellen.