Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

STUBLANG: Lebenslanges Schäuferla-Verbot für Stefan Dinkel

STUBLANG

Lebenslanges Schäuferla-Verbot für Stefan Dinkel

    • |
    • |
    Stefan Dinkel: beim nochmaligen Überprüfen der gekauften Lebensmittel
    Stefan Dinkel: beim nochmaligen Überprüfen der gekauften Lebensmittel Foto: Sonja Dinkel

    Es ist jetzt wenige Wochen her, dass eine Diagnose das Leben von Stefan Dinkel vollständig auf den Kopf gestellt hat: „Alpha-GAL Syndrom“ hatte eine Hautärztin bei ihm am 9. November 2023 diagnostiziert und damit zu 100 Prozent ins Schwarze getroffen.

    Verursacht wird diese neu in Deutschland beschriebene Erkrankung durch einen Zeckenstich. Das stellt den Familienvater Stefan Dinkel vor ein Rätsel: nicht der Zeckenstich an sich - er ist oft im Wald unterwegs, pflegt außerdem seine Grünflächen oder unternimmt lange Spaziergänge mit Hund Rocky. Das Kuriose ist die Zecke selbst: Die Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum) ist hierzulande nicht bekannt. Sie ist in den USA beheimatet.

    Frage bleibt offen

    Stefan Dinkel: „Ich war bisher nie in den USA gewesen, hab nichts aus den USA bestellt, keine Hölzer zum Schnitzen, oder ähnliches und hatte auch noch nie Besuch aus den USA.“

    Fest steht dennoch, dass er nun einiges hinsichtlich seiner Ernährung auf Lebenszeit umstellen muss. Auch andere Gewohnheiten müssen geändert werden.

    Der Stich dieser Zecke hatte bei ihm das Alpha-GAL-Syndrom (AGS) ausgelöst und dazu geführt, dass der Verzehr von rotem Fleisch und dessen Produkten zu schwersten Hauterscheinungen bis hin zum lebensbedrohlichen Schock führen kann. Ein geringer Teil der AGS-Betroffenen würde auch keine Gelatine mehr vertragen, hatte ihn seine Ärztin Dr. med. Misbah Ahmed informiert. Dinkel gehört zu diesen wenigen.

    Viel Verzicht

    „Du kannst Dir nicht vorstellen, wo überall Gelatine drin ist“, zieht er während eines Gesprächs Nase und Augenbrauen hoch. Auf rotes Fleisch zu verzichten erschien machbar: kein Rind, kein Schwein, ebenso kein Lamm und Wild. Geflügel und Fisch seien erlaubt. Allerdings keine Geflügelwiener - sie werden in Schafsdärme abgefüllt, weiß er jetzt.

    Doch dass Gelatine allgegenwärtig und meist undeklariert verarbeitet wird und werden darf, hat ihn entsetzt. Schon nach kurzer Suche ist er auf allen Verbraucherseiten fündig geworden, die Informationen vom „Portal Lebensmittelklarheit“ und „Wikipedia“ sind ebenfalls gleichlautend. Da heißt es, in Auszügen: Gelatine ist grundsätzlich ein Produkt tierischer Herkunft, aus Bindegewebe, Schwarten, Knochen und Häuten hauptsächlich vom Schwein, aber auch vom Rind. Da Gelatine in der EU nicht als Zusatzstoff gilt, hat sie keine E-Nummer. In den Zutatenlisten steht lediglich „Gelatine“ oder „Speisegelatine“ oder gar nichts, wie bei Kosmetikprodukten. Hilfreich sei einzig das „V-Label“.

    Es erleichtert Verbrauchern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, die Lebensmittelauswahl. Kriterien für das V-Label: Für vegane Lebensmittel dürfen keine Zutaten, Verarbeitungshilfsstoffe oder Zusatzstoffe aus Tieren oder Tierbestandteilen verwendet werden. Auch Trägerstoffe, Aromen und Enzyme tierischen Ursprungs sind ausgeschlossen.

    Lebensmittel mit dem „V“ gibt es in Supermärkten und Drogerien. Stefan Dinkel und seine Frau Sonja müssen nun sehr genau hinsehen, wenn sie einkaufen. Bei manchen Lebensmitteln ist die Zutat „Gelatine“ oder „Speisegelatine“ bekannt: man weiß, dass sie in Sulze, Aspik, Gummibärchen, Lakritze und Kaugummi steckt.

    Wenigstens nicht im Bier

    Aber auch im Joghurt?? In Glasuren und Eis? Ja. Auch in vielen industriell hergestellten Broten, Gebäck und vor allem in Fertig-Backmischungen ist sie enthalten, in Kartoffelchips, Bier und Wein, sowieso in allen klaren Fruchtsäften und in Haustier- und Fischfutter.

    „Gott sei Dank nicht im Bier von meiner Stammkneipe“, wirkt Stefan Dinkel erleichtert. Doch wer prinzipiell sicher gehen will, muss bei allen Produkten auf „vegan“ achten - oder nachfragen. Beim regionalen Handwerksbäcker wird nicht mit Gelatine gebacken.

    Der 43-Jährige mariniert Geflügel.
    Der 43-Jährige mariniert Geflügel. Foto: Sonja Dinkel

    Und bei der Körperpflege? Die Kosmetikbranche darf das günstige „Schlachtabfallprodukt“ verwenden, ohne dass es deklariert wird: in Zahnpasta und Zahnbürsten, als Bestandteil von Gesichtsmasken, Seife und Duschmittel, Shampoo und Conditioner, Cremes und Lotionen. Es kommt im Make-up und Lippenstift vor und auch in Zigarettenfiltern. Hier gibt es für den Verbraucher nur die einzige Möglichkeit, auf „vegan“ auszuweichen. Selbst in der Medizin hat sich Gelatine bewährt und wird vielfältig eingesetzt: in und um Kapseln und Tabletten, Augentropfen, in sogenannten „Gelenkmedikamenten“ sowie in den Wirkstoffen Heparin und Insulin. Gelatine findet man im Röntgenfilmen, in Chirurgieschwämmen, Herzklappen und in Hornhaut. Stefan Dinkel hat eine ganze Liste im Internet gefunden (hauptsächlich Verbraucherschutzseiten der Bundesländer). Er ist entsetzt: in Herzklappen hätte er Gelatine niemals erwartet - „Wahnsinn!“ sagt er.

    Sogar im üblichen Haushalt kommt Gelatine unbemerkt zum Einsatz: in der Bekleidung, in Schuhen, im Porzellan, in Kartons und Papier, auch in Sandpapier, Tapeten, in Klebstoff, Streichhölzern, Kerzen, in Pinseln, Farbstiften und Lacken. Waschpulver und Weichspüler enthalten ebenfalls Gelatine, wenn sie nicht als „vegan“ gekennzeichnet sind.

    Blcik in den Kühschrank
    Blcik in den Kühschrank Foto: Sonja Dinkel

    Die Industrie verwendet Gelatine bei der Herstellung von LCD-Bildschirmem, Zugbremsen oder auch Reifen.

    Vielleicht wird ja in einigen Jahren ein Mittel gegen Alpha GAL gefunden und Stefan Dinkel kann wieder seine geliebten Schäuferla in den Backofen schieben - doch ob sie ihm dann noch schmecken werden? Er lacht: „Egal. Seh´n mer scho!“

    Dennoch: Auch das Essengehen sei eine Herausforderung geworden: „Du weißt ja nicht, was der Wirt unbewusst verwendet“. Jetzt würde noch öfter zuhause gekocht und gebraten. „Öfter mal Karpfenfilet mit Kartoffelsalat oder Forelle. Wir probieren gerade viel aus“, sagt er. Ein Blick in seine Brotzeitdose verrät, was es heute zur Pause gibt: Brötchen vom heimischen Bäcker mit Paprika-Putenwurst.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden