Als wir letztes Jahr die Prämie ausbezahlt bekamen, freute ich mich, hatte aber ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil wir wie immer unsere Arbeit machten. Heute denke ich, dass die Prämien nicht hoch genug sein können.
Liebe Leser, nur dass sich jeder mal ein Bild machen kann, wie man so arbeitet: Häubchen, Einmalhandschuhe, FFP2-Maske, Arbeitskleidung, langärmliger Stoffkittel, darüber langärmliger Plastikkittel. Nach ca. fünf Minuten in der Pflege ist der Stoffkittel durchnässt. In Handschuhen und Plastikkittel steht das Wasser.
Bei den negativ getesteten Bewohnern haben wir das Vergnügen, vor Eintreten in jedes Zimmer Plastikkittel etc. zu wechseln. Da es laut Gesundheitsamt zu warm bei uns ist, sind die Türen und Fenster geöffnet, man bewegt sich mit nassen Kitteln durch kalte Gänge. Bewohner schauen mich an, fragen: „Wo bin ich? Ich kenn mich nicht aus.“ Sie sind in teilweise fremden Zimmern zwei Wochen eingesperrt, dürfen es nicht verlassen.
Ich möchte mich beim Gesundheitsamt doch mal (etwas weniger ernsthaft) bedanken: Danke, dass wir nicht gleich die negativen und positiven Bewohner verlegen sollten, wie vom Pflegedienstleiter am zweiten Tag vorgeschlagen: hat uns viel Arbeit erspart. Dies musste erst sieben Tage später gemacht werden. Danke, dass die PCR Reihen-Testung erst vier Tage nach Ausbruch erfolgte. So konnten wir uns noch etwas in Sicherheit wägen.
Danke, dass unser Hausmeister sich nicht langweilt. Schleusen wurden gebaut: sechs Tage und zweieinhalb Wochen nach dem Ausbruch. Danke für die Genehmigung der Bundeswehr, hat doch schon nach über einer Woche geklappt. Danke für die Testergebnisse von einzelnen Pflegekräften, die zwei Tage später erst nachgereicht wurden. So konnten diese noch zwei Tage länger arbeiten – positiv. Danke, dass verloren gegangene Anträge, damit symptomfreie Mitarbeiter trotz Quarantäne wiederkommen dürfen, nach dem zweiten Einreichen bearbeitet wurden. Danke, dass wir nach drei Wochen für unsere negativen Bewohner eine Pflegekraft in jeder Schicht extra für diese abstellen müssen, da wir nun wieder genügend Personal sind. Letzter positiver Bewohner war übrigens am 16. Januar.
Bedanken möchte ich mich beim Landrat und beim Bürgermeister, die uns nicht auch noch mit Fragen von der Arbeit abgehalten haben. Bisher hat sich niemand unserer Vertreter erkundigt, wie es dem Personal und vor allem den Bewohnern geht. Interessiert es auch seitens der Stadt wirklich niemanden, wie es läuft?
Jetzt aber ernsthafte Danksagungen. Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei meinem Team, besonders meiner Stellvertretung, bedanken soll. In den ersten zwei Wochen wurden teilweise zwölf und mehr Stundenschichten mit erhöhter psychischer Belastung gearbeitet. Ich konnte nur tatenlos zu Hause sitzen und am Telefon mir alles anhören. Team Neubau hatte es leider noch schlimmer erwischt. Teilweise gab es hier nur noch eine Fachkraft. Für die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt reicht kein Dank der Welt.
Bei Hauswirtschaft, Küche, Putzfrauen, Verwaltung gab es viele Ausfälle. Leute, ihr macht eine super Arbeit! Unsere Dame aus der Buchhaltung hatte seit Weihnachten mit immer neuen Anträgen für die Impfungen zu kämpfen, hat mit getestet, ist bis jetzt fast täglich am Morgen um 5.30 Uhr gekommen, um mit anzupacken. Dank an den Hausmeister für seine baulichen Fertigkeiten. Ein herzliches Dankeschön an unsere Pflegedienstleitung. Keine Ahnung, wie sie es bisher geschafft hat. Zehn und mehr Tage von früh um 6 bis abends um 20 Uhr durchzuarbeiten. Kämpfe mit Ämtern, auf Station mitgeholfen, Konzepte geschrieben, Dienstpläne täglich ans Amt geschickt. Stundenlange endlose und kräftezehrenden Diskussionen am Telefon, Begehungen.
Ein riesen Dankeschön an unseren Geschäftsführer. Er hat sich getraut, an die Öffentlichkeit zu gehen. Er hat sofort nach Ausbruch einen Aufruf gestartet, damit wir Freiwillige für die Versorgung bekommen. Ein herzliches Dankeschön an alle Freiwilligen. Er hat sich dafür interessiert, wie es den erkrankten Mitarbeitern geht. Er hat kräftezehrende Telefonate und Gespräche geführt. Seine Ehefrau hat tagelang auf Station mitgearbeitet. Er hat für Pausenversorgung gesorgt. Mit Existenzängsten zu kämpfen.
Diese Krise hat mir gezeigt, was für tolle Leute hier arbeiten. Ich denke an unsere negativ gestesteten Mitarbeiter. Sie kommen zur Arbeit mit dem Gedanken: „Wann erwischt es mich? Wie wird wohl heute der tägliche Schnelltest aussehen?“ Damit muss man erst einmal zurechtkommen. Wir werden es schaffen und die Betten wieder füllen. Wir werden weiter unser Bestes für unsere Bewohner tun. Vielen Dank an die Angehörigen und Menschen aus der Bevölkerung, die uns viel Kraft und Mut zugesprochen haben.
Sabine Freitag Schney