Wohl noch nie in ihrer Geschichte war die Stadt Lichtenfels ihrem Ziel, Hochschulstandort zu werden, so nah wie jetzt. In der jüngsten Sitzung des Stadtrats wurde der Gründung eines Zweckverbands für das Forschungs- und Anwendungszentrum für digitale Zukunftstechnologien zugestimmt. Letztlich einstimmig, voran aber gingen harte Wortgefechte.

„Es ist ein richtungsweisender, historischer Beschluss“, brachte es Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) in seinen einleitenden Worten auf den Punkt und schwor auf Zusammenhalt ein. Da ahnte er vielleicht schon, dass es mit der Einmütigkeit gleich nicht weit her sein sollte. Die Diskussion um einen Hochschulstandort Lichtenfels reiche bis in die 1980-er-Jahre zurück, ihn zu realisieren, sei ein wichtiger Impuls für die Stadt. Möglich machten das eindringliche Bemühungen der vergangenen Jahre. Hügerich dankte allen, die sich im Vorfeld intensiv dafür eingesetzt haben, von der Stadt- und der Landkreisverwaltung über die Wirtschaft und die Fachhochschule Coburg bis hin zu heimischen Abgeordneten.
Förderung in Höhe von elf Millionen Euro vom Bundesumweltministerium
„Es war ein Kraftakt, doch die Tür, um eine Hochschule nach Lichtenfels zu bekommen, ist offen.“ Alleine das Bundesumweltministerium hat Förderungen in Höhe von elf Millionen Euro für Sanierung und Umbau der Kirschbaummühle zugesichert. Auch Staatskanzlei und Regierung von Oberfranken stünden hinter dem Fadz, so Hügerich.
Zweimal war die Satzung im Hauptausschuss vorberaten worden – und letztlich mehrheitlich befürwortet. Für Dr. Susann Freiburg und Dr. Christine Schmidt (beide Bündnis 90/Die Grünen) waren aber wesentliche Punkte noch nicht ausreichend geklärt. So zum Beispiel, ob man für den Forschungs- und Anwendungsbereich noch eine GmbH ausgründen müsse. Oder auch, wie die Einnahmen verteilt würden, gäbe es einen Forschungsauftrag. Oder wie das Fadz in den Unterrichtsplan an Schulen eingebunden werden könne. Ferner sei unklar, welche Höhe die städtische Investionszulage haben werde. Und es fehle ein Energiekonzept. „Als Juristin scheue ich mich, die Hand zu heben, weil ich viele Dinge nicht verstehe“, sagte Dr. Freiburg. „Ich bin weiß Gott nicht gegen das Fadz, aber wir sollten uns Zeit lassen.“ Dr. Schmidt: „Es ist schwierig zu entscheiden, wenn nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Wir sollten den Punkt vertagen und die Zielvereinbarung klären.“
„So ein Projekt gibt es in der Geschichte einer kleinen Stadt genau einmal. Wer da nicht zugreift, ist selbst schuld.“
Sven Eisele, SPD-Stadtrat
SPD-Stadtrat Sven Eisele platzte daraufhin der Kragen. „So ein Projekt gibt es in der Geschichte einer kleinen Stadt genau einmal. Wer da nicht zugreift, ist selbst schuld“, wurde er deutlich und fühlte sich durch die Einwände persönlich beleidigt. „Das Projekt ist eine Sensation für Lichtenfels. Und deshalb müssen wir es gemeinsam auf den Weg bringen.“

Auch Christian Barth (Junge Bürger) hatte kein Verständnis für die Kritik der beiden grünen Rätinnen. „Ab und an braucht man mal Mut, um zu springen“, erwiderte er. „Wenn wir nicht zulaufen, werden wir das Projekt totreden.“ Frank Rubner (CSU) fand ebenfalls harsche Worte in Richtung Grüne: „Für mich geht es langsam in Richtung fehlender Konsensfähigkeit. So können wir nicht arbeiten!“ Johannes Oppel (Wählervereinigung Leuchsental/Jura) sprach von einer „Riesen-Chance, die man ergreifen muss. Alle Eventualitäten von vorne herein auszuschließen, ist unmöglich.“
„Lichtenfels kann nichts Besseres passieren als der geplante technische Studiengang“, fand Christian Bauer (Junge Bürger), der hauptberuflich im Bereich Forschung und Entwicklung an der Uni Bayreuth arbeitet. Im Fadz solle an 3D-Druck und Wasserstoff geforscht werden: „Für Lichtenfels ist das eine Chance, die es zu nutzen gilt!“
Hügerich: Stadtentwicklung brauche das Miteinander
Bürgermeister Andreas Hügerich versuchte, die Wogen zu glätten. Das Thema sei ausreichend im Hauptausschuss beraten worden. Natürlich seien die Aufgaben des Zweckverbands breit gefächert und nicht bis ins letzte Detail geklärt, aber eben auch, um offen zu sein, wie man das Fadz gestalten wolle. Die Fakten würden im Entstehungsprozess geklärt. Er warb erneut um Gemeinsamkeit und für ein starkes Signal: „Das gemeinsame Miteinander prägt die gute Entwicklung der Stadt. Wir brauchen diesen Startschuss, es braucht diesen Willen – und kein ,Schau‘n mer mal‘.“
Auch Emmi Zeulner (CSU) bemühte die Diplomatie: „Schade, wenn wir heute kein klares, eindeutiges Zeichen an die Kollegen des Landkreises senden. Es ist nicht selbstverständlich, dass Kreisräte aus anderen Kommunen dafür stimmen“, sagte sie.
Die Gelder, die es für das Fadz geben werde, seien im Ausschuss des Bundes hart erkämpft worden. „Das Fadz ist ein tolles, wertvolles Projekt, hinter dem alle stehen sollten. Wir dürfen uns nicht im Klein-klein verstricken.“ Und Dritter Bürgermeister Mathias Söllner, Bündnis 90/Die Grünen, machte keinen Hehl daraus, dass er selbst stark hinter dem Projekt Fadz stehe. „Hier wurde viel Herzblut hineingelegt“, sagte er, der selbst im Vorstand des Fadz-Fördervereins mitwirkt.
Vier Verbandsräte plus Erster Bürgermeister der Stadt
Der Antrag der beiden grünen Rätinnen, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, wurde mit 28 Gegenstimmen abgelehnt. Letztlich fiel der Beschluss für den Erlass der Verbandssatzung einstimmig. Für diese Einmütigkeit bekundeten alle mit Klopfen auf den Tischen Beifall.
In den Zweckverband Fadz entsendet die Stadt Lichtenfels, neben dem Bürgermeister, vier Verbandsräte (Landkreis: Landrat plus vier Räte). Diese sind für die Wahlperiode bis 2026 Frank Rubner (Vertretung: Robert Gack), Philipp Bogdahn (Ina Dorsch), Dr. Christine Schmitt (Bernhard Christoph) und Christian Bauer (Roland Lowig).
Der Fadz-Förderverein (und damit die heimische Wirtschaft) und die Hochschule Coburg sind mit einer Person beratend in der Verbandsversammlung. Der Vorsitz wechselt jährlich zwischen dem Erstem Bürgermeister von Lichtenfels und dem Landrat.
Meinung
Das richtige Signal
Von Markus Drossel markus.drossel@obermain.de
Was lange währt, wird endlich gut: Als Beobachter der jüngsten Stadtratssitzung denkt man unweigerlich an diese Volksweisheit. Man könnte es auch weniger salomonisch formulieren: gerade noch die Kurve gekriegt! Was wäre das für ein Zeichen an die Kreisräte gewesen, hätten sich die Stadträte nicht einstimmig für den seit Jahrzehnten gehegten Wunsch ausgesprochen, Hochschulstandort zu werden? Vor allem, wenn man nun schon auf die Zielgerade eingebogen ist? Das Gremium tat gut daran, Einmütigkeit zu beweisen. Selbstverständlich ist es demokratisches Recht (und auch demokratische Pflicht), im Vorfeld zu diskutieren und Bedenken zu äußern. Vor allem, wenn man vom Fach ist und, so wie Dr. Christine Schmidt als Lehrerin und Dr. Susann Freiburg als Rechtsanwältin, vertiefte Einblicke hat. Dennoch war es überaus wichtig, dem Kreisrat ein starkes Signal zu senden. Dieser wird Mitte April darüber beraten, ob auch er dem Zweckverband beitreten will. Normalerweise nur eine Formalie, gab es doch im Vorfeld mehr als nur eine Unterredung. Und so dürfte das Projekt Fadz Ende März die erste große Hürde genommen haben. Das dürfte viele freuen. Vom Hochschulstandort wird längst nicht nur Lichtenfels profitieren, sondern die ganze Bildungs- und Wirtschaftsregion. Nur gemeinsam geht es voran – mit der Kreisstadt ebenso wie mit dem Landkreis Lichtenfels.
Im Stadtrat kurz notiert • Auf Nachfrage von Dr. Christopher Bogdahn (Freie Wähler/Freie Bürger), ob sich Lichtenfels als Corona-Modellstadt beworben habe, sagte Bürgermeister Andreas Hügerich, dass am vergangenen Freitag ein Gespräch zwischen dem Landrat sowie den Städten Lichtenfels und Bad Staffelstein stattgefunden habe. Man habe eine Bewerbung abgegeben. • Eduard Meixner hat den Fraktionsvorsitz der Freien Wähler/Freie Bürger aufgegeben. Wie sein Nachfolger Dr. Christopher Bogdahn erläuterte, sei das von vorn herein vereinbart gewesen. Er dankte Meixner für seine Arbeit, er selbst fühle sich nun gut vorbereitet. • Dr. Christopher Bogdahn (FW/FB) ist künftig Mitglied im Hauptausschuss. Sein Vertreter ist Eduard Meixner. • Eduard Meixner (FW/FB) ist fortan Teil des Werkausschusses. Er wird vertreten von Dr. Christopher Bogdahn und Rudolf Panzer. • Die Stadt Lichtenfels hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 8. März zwei Vergaben zum Rückbau für das Bauvorhaben Marktplatz 10 getätigt: Zum Zuge kommen die Firmen Mmrhp Metzner Gmbh M aus Pettstadt (97 360 Euro) sowie Reuther Spezialabbruch, Wallenfels (68 190 Euro). • Für die Einbeziehungssatzung „Hinter dem Ziegelrangen“ Klosterlangheim sind verschiedene Stellungnahmen eingegangen. Der Stadtrat billigte den Entwurf zur Aufstellung zur Einbeziehungssatzung. (mdr)