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LICHTENFELS: Lichtenfels: Interview mit Dr. Stephan Marks über die Scham

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Lichtenfels: Interview mit Dr. Stephan Marks über die Scham

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    Scham. Ein Gefühl das nahezu jeder kennt und mit dem jeder mehr oder weniger gut umgehen kann. Scham gehört zum Menschsein. Dass jedoch Scham und die Menschenwürde zusammenhängen, ist hingegen wenigen bekannt. Dr. Stephan Marks ist Sozialwissenschaftler, Supervisor und Sachbuch-Autor und bildet seit vielen Jahren Menschen, die mit Menschen arbeiten, wie Pflegekräfte, Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter, Polizisten oder Mediziner über Menschenwürde und Scham fort. Für ein eintägiges Seminar kam er nach Oberfranken und hat 20 Teilnehmende aus dem Bereich Soziale Arbeit aus den Landkreisen Coburg, Lichtenfels und Bamberg im Umgang mit dem Schamgefühl geschult.

    Organisiert hat die Schulung Andrea Zellmer, Teamleiterin von „Meilenstein“. Das Team rund um Andrea Zellmer arbeitet mit delinquenten Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von zwölf bis 21 Jahren. Die Schulung wurde gefördert durch „Demokratie leben“.

    Wir haben die Chance genutzt und mit Dr. Stephan Marks ein Interview zum Thema „Scham und Menschenwürde“ geführt.

    Obermain-Tagblatt: Herr Dr. Marks. Was ist Scham?

    Dr. Stephan Marks: Scham ist ein extrem schmerzhaftes Gefühl, das reagiert, wenn etwas sehr Intimes verletzt wurde. Man kann es sich so vorstellen: So wie ein Seismograph ein Erdbeben feststellt, zeigt die Scham, dass gerade etwas ganz Wichtiges in uns verletzt wurde. Dabei gibt es vier Arten von Scham: • Die Scham, wenn man nicht gesehen wird bzw. geschnitten wird. • Die Scham, wenn etwas privates oder intimes an die Öffentlichkeit gezerrt wurde. • Die Scham, wenn einen etwas peinliches passiert ist und man befürchtet, belehrt zu werden oder als nicht „normal“ zu gelten. • Die Scham, wenn man seine eigenen Werte verletzt hat oder sich selbst untreu geworden ist.

    Wie erkennt man Scham?

    Marks: Scham kann in jeder zwischenmenschlichen Begegnung akut werden. Daher ist es für alle, die mit Menschen arbeiten, wichtig, Scham zu erkennen, sie zu verstehen und kompetent damit umzugehen. Scham kann dann an ganz unterschiedlichen Verhaltensweisen erkannt werden. Es handelt sich dabei um sogenannte Abwehrmechanismen, die oft, aber nicht immer, je nach Geschlecht anders ausgeprägt sind. Bei Jungs und Männern lässt sich Scham oft durch Schuldzuweisungen, Mobbing und Ausgrenzung von anderen, Arroganz und Gewalt erkennen. Bei Mädchen und Frauen oft dadurch, dass sie sich unsichtbar machen, sehr angepasst sind oder Depressionen haben.

    Welche Schwierigkeiten sehen Sie im Umgang mit Scham?

    Marks: Wurde früher Scham als Strafe benutzt á la „stell dich in die Ecke und schäm dich“, wird heute oft die Scham abgesprochen á la „du brauchst dich nicht zu schämen“.

    Es geht aber nicht darum, jemanden zu beschämen oder Scham zu vermeiden oder abzuschaffen. Scham initiiert wichtige Entwicklungsimpulse. Es ist zum Beispiel nicht zu vermeiden, dass Führungskräfte bei Mitarbeitern eventuell Schamgefühl auslösen, etwa wenn man seinem Mitarbeiter Rückmeldung gibt, Aber: Führen bedeutet nicht beschämen. Die Kunst besteht darin, Rückmeldung zu geben, ohne zu beschämen.

    Und wie ist nun der Zusammenhang zwischen Scham und Menschenwürde?

    Marks: Scham ist die Hüterin die Menschenwürde. Wir respektieren die Würde eines Menschen, wenn wir ihn so annehmen, wie er ist, mit all seinen Facetten. Verletzt man eben diese Würde, drückt sich das durch Scham bei diesen Menschen aus.

    Und wenn man erkennt, dass Scham die Ursache für ein Verhalten ist. Was kann man dann tun? Wie geht man darauf ein?

    Marks: Nehmen wir als Beispiel einen jungen Menschen, der durchs Abitur fällt: Hier erlebt derjenige normalerweise Scham. Man sollte hier ein stützendes Umfeld geben. Nicht zusätzliche beschämen, etwa in Form von „Auslachen“.

    Die Würde eines Menschen zu achten, bedeutet, ihm oder ihr überflüssige, vermeidbare Scham zu ersparen. Nicht zu beschämen. Einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem er oder sie Anerkennung, Schutz, Zugehörigkeit und Integrität erfährt.

    Bücher zum Thema Dr. Stephan Marks hat über das Thema Bücher geschrieben: • Scham - die tabuisierte Emotion (Patmos Verlag, 8. Auflage, völlig überarbeitete Neuauflage 2021) • Die Würde des Menschen ist verletzbar (Patmos Verlag 2019)

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