In einem Discounter hat es vor kurzem ein außergewöhnliches Angebot gegeben, rohe Schafwolle, für 7,99 Euro pro Beutel. Auf dem Weihnachtsmarkt in Michelstadt im Odenwald gab es den Beutel mit 500 Gramm schon für glatte fünf Euro. „Aus 100 Prozent Schafwolle/Zur optimalen Nährstoffversorgung und Wasserspeicherung/Natürlicher Dünger“, heißt es auf den Aufklebern.
Doch wieso wird in Bayern und Hessen tütenweise Schafwolle verkauft? Schäfer Anton Wunderlich aus Mönchkröttendorf hat um die 1200 Schafe. Die rund 300 Tiere, die im Winter im Stall sind, werden in wenigen Wochen geschoren. „Ich hab komplett meine Wolle vom letzten Jahr auf Lager“, sagt er.
Synthetik statt Schurwolle?
Was ist da los? Kommt die Konkurrenz aus den Reihen der immer beliebter werdenden Alpakas mit ihrer flauschigen Wolle? Oder sparen die Verbraucher und kaufen lieber günstige Synthetik statt Produkte aus hochwertiger Schurwolle?

Weder noch. „Es liegt an der Politik“, sagt Schäfer Anton und zeiht die Augenbrauen hoch. Er ist einer der wenigen, die offen darüber reden. Man habe gute Verträge und stabile Preise mit dem Haupt-Abnehmerland China ausgehandelt, aber die Verträge seien nicht unterzeichnet worden. „Die sind in Berlin liegen geblieben!“, sagt er enttäuscht. „Das betrifft das gesamte Wolle-Geschäft in Deutschland und besonders in Bayern und Baden-Württemberg.“
Gut vernetzt
Anton Wunderlich ist gut vernetzt. Rat und Auskunft bekommen er und die anderen Schäfer durch den „Bayerischen Landesverband für Schafhalter“ in München. Wunderlich tauscht sich mit Berufskollegen in ganz Deutschland und Europa aus.
Halsband statt Farbtupfer
In den Niederlanden sei die Situation die Gleiche, sagt er. Also habe er selbst die Initiative ergriffen und rum telefoniert.
Mehrere Färbereien habe er angerufen und auch eine Firma, die Fußbodenbeläge für Flugzeuge aus Wolle herstellt (Anmerkung: Schafwolle ist schwer entflammbar). Doch: „Die haben schon ihre Zulieferer“, so Wunderlich. Sie würden Wolle aus Neuseeland importieren, in stets gleichbleibender Qualität.
Nachvollziehbar oder auch nicht. Einige Schafhalter in Bayern reagieren so: Statt einem blauen oder roten Farbspray-Tupfer auf dem Rücken tragen Mutterschafe jetzt ein Halsband mit einer Nummer. So bleibt das Rückenfell sauber. Die Bänder hätten ihn rund 1500 Euro in der Anschaffung gekostet, erwähnt der Mönchkröttendorfer und fügt an, „wenn ich verkaufen will, brauche ich Qualität!“

Einen Anruf von einem Zwischenhändler habe er schon erhalten. „Wenn ich keinen Euro pro Kilo bekomme, werde ich die Wolle als Dünger einsetzen“, hat er beschlossen. Sprung in den Lautergrund: In zwei Orten im Lautergrund haben Familien die Wolle für ihren Garten entdeckt. Nicht als Dünger, sondern als Schutz vor Kälte und als Schutz vor Schnecken.
Um die kleinen Pflänzchen
Eine Frau, die namentlich nicht genannt werden will, hat schon experimentiert. Sie hat die Sendung „Queerbeet“ im Bayerischen Fernsehen gesehen, im Internet recherchiert und dann Schafwolle direkt vom Schäfer besorgt. In ihren Hochbeeten hat die Familie im Oktober junge Erdbeerpflanzen gesetzt. Als Schutz vor Kälte wurde die Schafwolle um die kleinen Pflänzchen gelegt. „Einfach aus dem Beutel nehmen, in Stückchen zerpflücken“, sagt sie.
Wie riesige Schneeflocken

Die Wolle ist ungereinigt, ist im rohen Zustand. „Sie ist zuerst dreckig“ - doch nach wenigen Wochen sei die Wolle schneeweiß, vom Regen ausgewaschen. Jetzt sehe sie aus wie riesige Schneeflocken. Ihre ungeschützten Pflanzen im Hochbeet haben unter den Frösten gelitten, diejenigen mit „Schafwolle-Unterbau“ dagegen sehen gut aus. „Du musst die Pflanzen richtig gut angießen. Wolle speichert enorm viel Wasser“, rät sie. Die rohe Wolle hat wegen ihres Wollfettes eine gelbliche Farbe und riecht auch leicht nach Schaf, ist aber nicht unangenehm. „Außerdem hab' ich gehört, dass Schafwolle gegen Schnecken helfen soll.“ In diesem Jahr gab es wegen des feuchten Wetters in manchen Gärten eine regelrechte Invasion. Hier hat die Hobbygärtnerin kleine Stückchen Wolle rings um den Salatpflanzen gelegt. Vielleicht nützt es.