Rund 30 Teilnehmer konnte Tatjana Zolotar vom Bündnis „Demokratie leben!“ im Tagungshaus Frankenthal in Vierzehnheiligen begrüßen. Neben einem spannenden und informativen Vortrag standen vor allem die Diskussionen im Mittelpunkt.
Professor Oliver Hidalgo von der Universität Passau hielt den Eröffnungsvortrag. „Demokratie endet nicht mit einem Knalleffekt. Es passiert subtil, schleichend, versteckt“, so begann er und verwies damit auf die aktuellen Entwicklungen in den USA.

„Die Frage ist: Können Grundrechte einfach so verschwinden?“ Er verneinte dies mit Hinweis auf das Grundgesetz, in dem diese beispielsweise in Deutschland in Artikel 5 festgeschrieben sind. „Aber es gibt Einschränkungen, die es zu beachten gilt.“.
Die Meinungsfreiheit könne auch eine Grenze sein, so Hidalgo. Und das führe zu der Frage, wann die Demokratie von innen heraus gefährdet sei. Anhand von verschiedenen Beispielen zeigte er auf, welche Gefahren durchaus drohen können.
Gut oder schlecht?
„Ist die so genannte Canceled Culture nun gut oder schlecht für die Demokratie?“, fragte er. Sichtweisen, so Hidalgo, würden dabei gecancelt beziehungsweise es wird ihnen kein öffentlicher Raum gegeben. „Schränkt man damit die Demokratie nicht schon ein, wenn ich bestimmte Sichtweisen einfach verbiete oder denjenigen, der anderer Meinung ist, in Misskredit bringe?“
Der Ton im Allgemeinen wäre rauer geworden, so Hidalgo. Weiter führte er aus, dass auch die Fake News und die „alternativen Fakten“ in einer Demokratie ihren Raum haben sollten. „Stehen denn die Fakten eigentlich wirklich fest? Demokratie offeriert Alternativen. Man sollte nicht den Fehler machen, Meinungen von Minderheiten als undemokratisch zu betrachten.“
Nährboden für Desinformation
Demokratie fände dort statt, wo Wahrheiten und Fakten nicht feststünden. Die zunehmende Digitalisierung könne man als extremen Nährboden für Desinformation ansehen. Früher wäre der Mensch nur Empfänger gewesen. Informationen gab es nur durch den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk oder die Tageszeitung. Heute, im Zeitalter des Internets, wäre jeder Sender und Empfänger. Informationen würden ungefiltert weitergegeben. „Und man kann gezielt nach Gleichgesinnten suchen, sich eine eigene Blase aufbauen.“
Desinformation und Verschwörungsideologien könne man als Gefahr für die Gesellschaft ansehen. Als Beispiel führte Hidalgo unter anderem die Corona-Pandemie an. „Je nach Thema kann dies bis zur Lebensgefahr werden“, führte er aus. Doch solle man Verbote aussprechen? „Das ist kontraproduktiv“, so Hidalgo. „Einschränkungen und Verbote können das Vertrauen in die Demokratie zerstören. Demokratie verlangt Toleranz.“
Eine Demokratie habe Schwächen, sie wäre nicht perfekt, aber das dürfe nicht dazu führen, sie auch nur in Teilen abzuschaffen. „Es gibt zwei Extreme: Die Demokratie entfesseln, also sie über alles stellen, oder sie zu begrenzen. Beides ist überaus gefährlich. Die Demokratie lebt von der Unterschiedlichkeit.“
Nicht hilfreich
Angst sei für eine Demokratie nicht hilfreich. Und eine Demokratie könne auch zuweilen unbequem sein, da sie auch unbeliebte Meinungen zulässt. „Wir brauchen mehr Selbstkritik, mehr Mut und mehr Toleranz.“
In der folgenden Diskussion kam die Frage nach dem Umgang mit der AfD. „Es gibt keinen Königsweg“, so Hidalgo. Ein Verbot wäre nicht zwingend zielführend. „Die AfD lebt von den Krisen. Sie bietet keine gangbaren Wege an, sie stellt Zusammenhänge her, die es so nicht gibt.“
„Die AfD lebt von den Krisen. Sie bietet keine gangbaren Wege an, sie stellt Zusammenhänge her, die es so nicht gibt.“
Und man müsse nicht die AfD überzeugen. „Das bringt einen nicht weiter, man muss die Wähler überzeugen. Die AfD ist inzwischen zu gut aufgestellt, andere zu diffamieren. Ein Verbot oder eine Zensur wäre kontraproduktiv.“ Und wohl auch, wenn man den Ausführungen von Professor Hidalgo folgt, nicht demokratisch.
Workshops
In den Workshops wurde an drei Tischen jeweils eine Fragestellung nacheinander von drei Gruppen bearbeitet, am Ende wurden die Ergebnisse vorgestellt. So gab es das Thema „Demokratie in Gefahr? Welche Entwicklungen und Einflüsse können die Demokratie gefährden?“ Als Ergebnis kann man hier falsche Informationen, Vorurteile und Angst ablesen. Aber auch Populismus, Klassenunterschiede und der schleichende Abbau vom Demokratieverständnis wurden identifiziert und mit Beispielen belegt.
Am Tisch zwei war die Thema „Ängste und Herausforderungen in der Gesellschaft“. Verrohung der Gesellschaft, der Verlust der Menschlichkeit und das Gefühl, von der Gesellschaft abgehängt zu werden wurde hier genannt. Aber auch der Verlust des Zusammenhaltes in der Gesellschaft und die Ausbreitung des Krieges mit Putin standen am Ende an der Tafel.
Fühlt sich nicht wahrgenommen
Der dritte Tisch befasste sich mit dem Thema „Politische Bildung und Partizipation – wie kann die politische Bildung verbessert werden?“. Dieses Thema wurde am Ende stark diskutiert. Gerade die Jugendlichen fühlen sich hier nicht wahrgenommen. So fehle die politische Bildung in den Lehrplänen der Schulen. Es sei schwer, die Jugend zu motivieren, sich aktiv zu beteiligen. Neue Wege müssten beschritten werden, wie beispielsweise Jugendforen und Jugendparlamente, hieß es.
Auch wurde beklagt, dass zu wenige Mandatsträger anwesend seien. Ein Negativbeispiel sei die Vision 2030 der Stadt Lichtenfels, die mit „viel Getöse ins Leben gerufen wurde und von der man nichts mehr höre“.
Doch welche Aktionen können nun folgen? „Es gibt die Killerphrase: Wir haben kein Geld. Doch es muss nicht immer alles Geld kosten“, so der Tenor. Man könne in den Vereinen beginnen, so ein Vorschlag. Auch dort müsse Platz für politische Bildung geschaffen werden. Eine Arbeitsgruppe für demokratische Themen wäre möglich, aber auch die Einbeziehung der Tagespresse mit einer speziellen Seite, auf der man Themen für die Jugendlichen aufgreift und die regelmäßig erscheinen könne.
Am Ende war man sich einig, dass die Ansätze weiterverfolgt werden und ausgebaut werden müssen.