Das Lichtenfelser Stadtschloss steht derzeit im Fokus: Es soll große Teile des Stadtmuseums aufnehmen und überhaupt stärker in Wert gesetzt werden. Grund genug, in die Vergangenheit des das Stadtbild prägenden Bauwerks zu blicken.
Seit 1556 thront der stolze Renaissancebau über den Dächern der Lichtenfelser Altstadt. Er hatte einen Vorgänger, der wohl in der Nachbarschaft dieses Gebäudes gestanden hatte. An der höchsten Stelle des Mauerrings, wo ein Angriff auf die Stadt am aussichtsreichsten gewesen wäre, legte wohl bereits der Stadtgründer, Herzog Otto I. von Andechs-Meranien, einen befestigten Sitz für einen seiner Dienstadligen an.
Erst Besitz der Familie von Schaumberg, dann der von Sternberg
Das Schloss auf dem Knopsberg war, nachweisbar ab 1410, in den Händen des Adelsgeschlechts von Schaumberg. 1543 übertrug Hans von Schaumberg zu Niederfüllbach den Sitz an seinen Schwiegersohn Kaspar von Sternberg, dem auch die Burg Callenberg bei Coburg gehörte.
Zehn Jahre darauf wurde der Bau schwer beschädigt. Am 31. Oktober 1553 eroberten Truppen des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach die bambergische Stadt Lichtenfels. Drei Tage später trafen die Truppen der Fürsten ein, die sich gegen Albrecht verbündet hatten, und belagerten die Stadt. Ein Ausbruchsversuch misslang.
Im Zweiten Markgrafenkrieg schwer beschädigt
Nachdem angeblich 100 Wagen mit „geschoss, pulver und kugel“ aus Bamberg herangeführt worden waren, ließ Herzog Heinrich von Braunschweig, der Kommandeur des Belagerungsheeres, am 10. November 1553 die Eingeschlossenen (und damit auch die Bürger) beschießen. Durch die Kanonade zermürbt, ergaben sich am 11. November die Markgräflichen, rund 2500 Mann.
Neben zahlreichen Wohngebäuden fiel der Sitz des Kaspar von Sternberg in Schutt und Asche. 1555 begann er mit dem Neubau. Zuvor musste er Auseinandersetzungen mit der Bürgerschaft um den Grad der Befestigung mühevoll ausräumen.
Bamberger Fürstbischof kauft das Rittergut im Jahr 1613
Sternberg überlebte die Fertigstellung des siebengeschossigen Renaissanceschlosses im Jahr 1556 nur kurz: Er starb im Jahr darauf. Durch die Ehe seines einzigen Kindes, der Tochter Ursula, kam das Schloss an die Familie von Wallenrod, von ihnen an Wilhelm von Streitberg zu Ahorn, schließlich an Wolf Wilhelm von Rabenstein. Er verkaufte das Rittergut Lichtenfels 1613 an den Stadtherrn von Lichtenfels, den Bamberger Fürstbischof.
Um diese Zeit erwarb das Hochstift auch an anderen Orten, so in Scheßlitz und Stadtsteinach, Rittergüter, um seinen Besitz abzurunden. Das jeweilige Schlossgebäude spielte für den Kauf keine Rolle.
Geräumiger und gut durchlüfteter Kastenboden
Ab 1654 nutzte Bamberg den Bau als Getreidespeicher. Aus dem Provisorium wurde nach fünf Jahren ein Dauerzustand, als man entbehrliche Zwischenwände herausriss. Bis 1803 diente das einstige Schloss als Getreidelager des Kastenamts, als sogenannter Kastenboden.
Als es 1742 an den Bau des Lichtenfelser Rathauses ging, dessen Dachböden ebenfalls als Getreidespeicher vorgesehen waren, erwog die fürstbischöfliche Hofkammer, den Kastenboden abzubrechen und seine Steine für den Rathausbau zu verwenden. Doch der örtliche Vogt und Kastner widersprach: Das Baumaterial – er sprach von „Stein-Gerumpeln“ – sei nicht zu nutzen. Außerdem sei der Kastenboden so geräumig und gut durchlüftet, dass er als Getreidespeicher im Hochstift Bamberg kaum seinesgleichen habe. So blieb das einstige Schloss stehen.

Jeder kann den Kastenboden gegen eine Pacht nutzen
Als ab 1803 alle grundherrlichen Abgaben in Geld zu leisten waren, hatte der mächtige Bau ausgedient. Eine neue Nutzung zu finden, war nicht einfach, zumal er nur durch eine Straße angebunden war, die „eng und etwas steil angelegt ist“.
1854 erwarb die Stadt den nutzlos gewordenen Bau für 1800 Gulden aus Staatshand, um eine Getreideschranne einzurichten. Dazu aber fehlte das Geld, und so überließ die Kommune den Kastenboden Interessenten gegen eine Pacht. 1869 heißt es: „Die Keller sind vermiethet. Der Boden dient den Bewohnern von Lichtenfels zum Waeschtrocknen.“ 1891 berichtete die örtliche Presse, das Gebäude habe „zum billigen Auflagern von Rohmaterialien für Korbhändler, Trocknen von Wäsche, Hopfen und Kräutern, Unterbringung von Pferden bei Einquartierungen, Kunstreitern, Zigeunern“ gedient.
Materiallager für Aktiengesellschaft für Korbwaren-Industrie
Die damit erzielten Einnahmen von rund 180 Mark im Jahr deckten kaum die Unterhaltskosten. Deshalb versteigerte die Stadt 1891 den Kastenboden, wobei der Korbhändler Johann Krauß den Zuschlag erhielt.
Von ihm übernahm den Bau alsbald die Aktiengesellschaft für Korbwaren-Industrie. Dieses Unternehmen hatte 1871 Amedée Hourdeaux gegründet, der aus einer Korbmacherregion in Nordfrankreich stammte; sein Korbhandelshaus war binnen weniger Jahre zu einem der größten Unternehmen der Branche am Obermain avanciert und 1890 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden.
Den Kastenboden nutzte die Aktiengesellschaft als Materiallager; Die Korbhändler vertrieben nämlich nicht nur die Flechtwaren, sondern versorgten auch die Korbmacher mit Weiden, Peddig, Raffia und sonstigen Flechtstoffen, die aus aller Herren Länder importiert wurden.
Stadt Lichtenfels kauft 1970 den Kastenboden zurück
Ab 1966/67 ging es mit dem Unternehmen bergab. 1970 verkaufte die Firma, die ein Jahrzehnt später liquidiert wurde, den Kastenboden für 45 000 Mark an die Stadt Lichtenfels. Untersuchungen durch das Stadtbauamt und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zeigten die Notwendigkeit konservatorischer Maßnahmen, die dann zwischen 1972 und 1978 ausgeführt wurden. In den achtziger Jahren wurden die Wandfresken aus dem Jahr 1572 saniert.
Die für eine dauernde Nutzung unentbehrliche Erschließung folgte ab 1987. Grundlage war ein 1981 ausgelobter Architektenwettbewerb, den der Münchner Architekt Hans-Busso von Busse für sich entschieden hatte. Sein Konzept sah einen Treppenturm an der Ostfassade vor, der ebenfalls einen Aufzug aufnahm.
Im Sommer 1991 konnte das Gebäude, das bei dieser Gelegenheit auch den neuen Namen „Stadtschloss“ erhielt, seiner neuen Bestimmung übergeben werden. Seither haben unzählige Vorträge, Tagungen, Konzerte, Ausstellungen und private Feiern in den Obergeschossen stattgefunden.