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LICHTENFELS/NEUDORF: Lichtenfels/Neudorf: Wenn der Krieg greifbar wird

LICHTENFELS/NEUDORF

Lichtenfels/Neudorf: Wenn der Krieg greifbar wird

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    Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit reiste Georg Schauer oft in die Ukraine. Als Russland das ganze Land mit Krieg überzog fürhtete er um das Leben guter Freunde.
    Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit reiste Georg Schauer oft in die Ukraine. Als Russland das ganze Land mit Krieg überzog fürhtete er um das Leben guter Freunde. Foto: Till Mayer

    Plötzlich kann der Krieg greifbar nahe sein – auch wenn er rund 2000 Straßenkilometer entfernt wütet. Ende Februar, Anfang März 2022, Russland überfällt nach 2014 erneut sein kleines Nachbarland. Dieses Mal geht es nicht um die Krim und den Donbas. Putin greift nach dem ganzen Land.

    In der Region Sumy machen die russischen Truppen schnell Landgewinn. Es ist Grenzgebiet zu Russland. Doch die ukrainischen Truppen kämpfen tapfer. Am Beginn der Invasion greifen in Sumy Freiwillige zu den Waffen und verteidigen ihre Stadt tapfer. Die Invasoren hatten mit solch einer erbitterten Gegenwehr nicht gerechnet.

    „Ich werde nie vergessen , wie ich am Telefon die Explosionen gehört habe. Wie tapfer trotz allem unsere Partner blieben. Aber es war furchtbar zu wissen, in welcher Gefahr die Menschen sind“, sagt Georg Schauer.

    Ins Mark getroffen

    Schauer traf die russische Invasion in die Ukraine ins Mark, das hört man an seiner Stimme, wenn er berichtet. In dem kleinen Ort Neudorf (Gemeinde Ebensfeld) erinnert nichts an einen Krieg. Winterliche Landidylle, Bauernhöfe, von viel Natur umgeben.

    Vor dem Stall steht sein mächtiger Traktor. In seinem Arbeitsraum duften Kaffee und Krapfen. Der 45-Jährige ist von ganzem Herzen Landwirt. Ein Landwirt, dessen Erfahrung und Expertise gefragt ist. So unterrichtet er auch an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und den dortigen Landwirtschaftlichen Lehranstalten.

    Zahlreiche Länder bereist

    Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit hat er zahlreiche Länder Osteuropa bereist. Er kann spannende Geschichte aus Kasachstan erzählen – oder Armenien. Georg Schauer ist jemand, der daran glaubt, dass Internationalität gut klappt. „Studierende aus 14 Nationen haben wir in Triesdorf. Und das gemeinsame Lernen und Arbeiten hat Erfolg und viele Früchte getragen“, sagt er nicht ohne Stolz.

    Vielleicht hat es ihn deshalb besonders getroffen, als Russland am 24. Februar 2022 eine gewaltige Invasion startete. Weil in Triesdorf Ukrainer und Russen zusammen studieren. Aber sicherlich auch, weil unter den Menschen, die angegriffen wurden, Partnerinnen und Partner sind, zu der schon eine freundschaftliche Beziehung entstanden ist.

    Die Ukraine kennt Schauer seit den Jahr 2003. Seine erste Reise führe nach Poltawa. Ukraine-Kenner wissen, das ist eine sehr schöne Stadt. Der 45-Jährige erlebte in gut 20 Jahren, wie die Ukraine begann, schrittweise den Post-Sozialismus hinter sich zu lassen. Er sah, wie aus abgehalfterten Ex-Kolchosen moderne landwirtschaftliche Betriebe wurden, aber auch, wie internationale Agrar-Konzerne sich immer mehr Flächen einverleibten, wie der 45-Jährige berichtet. Die Kehrseite des Kapitalismus.

    „Aber auch die Oma mit ihr Kuh, einem Dutzend Hühnern und einer Sau im Stall, die spielt noch immer eine wichtige Rolle, wenn sie Kinder und Enkel mit frischem Obst und Gemüse versorgt. Auf dem Markt ihre Produkte anbietet“, sagt er. „Die Ukraine hat sich gewandelt. Die jungen Menschen an unserer Partnerhochschulen sind wissbegierig, wollen etwas leisten“, sagt der Landwirt vom Obermain.

    Beeindruckender Mut

    „Der Mut der Menschen, in der Ukraine etwas aufzubauen, das beeindruckt mich. Und ihre Zuverlässigkeit“, sagt er. Dann erzählt er von Larissa, der Leiterin der Internationalen Zusammenarbeit an der Partner-Uni in Sumy. „Ein Musterbeispiel für Verlässlichkeit“, sagt er. Dann rollen die russischen Panzer über die Grenze.

    Larissa flieht mit ihren zwei Söhnen und der Mutter vor den Kämpfen zuerst nach Lwiw in die Westukraine. Dann weiter nach Deutschland. Sechs Monate ist sie in Triesdorf und lehrt für die Uni in Sumy online weiter. „Dann ist sie zurückgekehrt, als die russischen Truppen wieder über die Grenze zurückgetrieben waren. Was für ein Pflichtbewusstsein“, findet Schauer.

    Alltag im Krieg

    Doch der Krieg ist alles andere als vorbei. Bis auf den Süden und den Donbas konnten die russischen Invasoren zwar zurückgedrängt werden, doch an der Front nehmen die Kämpfe an Härte zu. Das ganze Land überzieht die russische Armee mit Drohnen- und Raketenangriffen. Die Region von Sumy steht unter regelmäßigem Beschuss aus Russland. „Dazu kommen noch riesige Flächen verminter Felder. Was für ein Wahnsinn“, sagt der Neudorfer.

    Regelmäßig chattet Schauer mit Larissa. Erfährt, wie der Alltag im Krieg angekommen ist, und wie schnell der Krieg wieder den Alltag auf den Kopf stellen kann. Der Landwirt erzählt Anekdoten aus friedlichen Zeiten, als in einem Restaurant ein ukrainischer Kellner nicht gerade den besten Tag hatte. Und nichts, aber auch gar nicht klappte. Selbst die Pommes wurden zur Herausforderung. „Nach all den Jahren können meine ukrainischen Partner und ich noch immer darüber lachen. Aber jetzt werden die Geschichten trauriger. Menschen sterben, auch aus den Familien und dem Bekanntenkreis meiner Partner“, sagt der 45-Jährige traurig.

    Und denkt sich, warum es denn nicht überall so gehen kann wie in Triesdorf an der Hochschule. Studierende aus so vielen Nationen und Kulturen arbeiten und lernen da problemlos zusammen. Das klappt, weil keinem der jungen Menschen nur ansatzweise in den Sinn kommt, seinen Zimmernachbarn zu überfallen und ihm seinen Willen aufzudrücken. Leider hat ein Diktator in Russland da andere Werte.

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